Prediger mit Bildern

Von Daniel Knopp |
Er ist Seelsorger, Priester und Maler zuugleich: Sieger Köder, gebürtig aus einer bescheidenen katholischen Familie, die sich dem Druck der Nazis widersetzte. Zur Theologie hat er sich trotz seines Glaubens erst spät entschlossen - Maler war er da schon lange.
Gottesdienst in der Clemens-Kirche. Für das 1.200-Seelendorf Primisweiler bei Wangen im Allgäu ist das Gemälde von Sieger Köder ein lang erwarteter kunsthistorischer Schatz, erklärt einer der Kirchengemeinderäte, Karl Kimmerle.

"Als das enthüllt wurde, das war dann für mich grandios. Ich hatte es zuvor schon gesehen, aber in der Kirche in dem Raum war es echt großartig."

Manche Gemeindemitglieder müssen sich an die Kunst des Malerpfarrers Sieger Köder jedoch erst noch gewöhnen.

"Die Darstellung des Bildes finde ich eigentlich schön, jedoch sind die Farben etwas zu grell. Damit hab ich bei Köder eh so meine Probleme, aber sonst finde ich es eigentlich schön.
Für mich ist es ein wichtiges Bild, weil ich denke, dass es vielleicht das letzte große Werk von Sieger Köder ist und dass es bei uns ist, darauf bin ich stolz."

Der Gemeindepfarrer von Primisweiler Eberhard Galm kennt die Reaktionen, die ein Köder-Gemälde seit Jahrzehnten hervorruft.

"So wie jeder Künstler seine begeisterten Fans hat, so gibt es auch immer wieder Leute, die sehr kritisch sind. Auch innerhalb der Diözese hat er Pro und Contra erfahren. Aber ich denke das Positive und das begeisterte Urteil über sein Schaffen überwiegt. Charakteristisch für sein Malen sind die ausdrucksstarken Hände und Gesichter. Diese Darstellung der christlichen Botschaft wirkt auf Kinder sehr eindrucksvoll, sie können so die Botschaft, die dahinter steckt, sehr gut verstehen lernen mit Hilfe dieser Bilder."

Gemalt hat Sieger Köder das Clemensbild in seinem Atelier in Wasseralfingen, einem Stadtbezirk Aalens, am Fuße des Braunenbergs im Nordosten der Schwäbischen Alb. Dort wurde Sieger Köder 1925 geboren.

"Ich kam aus einer gut katholischen Familie und das hat mich mein ganzes Leben lang geprägt und gehalten."

Köders Familie lebte in bescheidenen Verhältnissen. Die Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 war für den damals 8-Jährigen ein einschneidendes Erlebnis, denn die Ereignisse im fernen Berlin veränderten auch das beschauliche schwäbische Idyll.

"Mein Vater war Beamter, war nie in der Partei im Gegensatz zu allen anderen Beamten im Rathaus. Wir waren eine schwarze Familie. Meine Schwester war nicht in der Hitlerjugend."

1943, mitten im Zweiten Weltkrieg, machte Sieger Köder im benachbarten Ellwangen sein Abitur. Bis dahin habe er den Nationalsozialismus gut überstanden, so Köder heute. Noch 1943 kam er zum Arbeitsdienst, wenige Monate später, gerade mal volljährig, als Wehrmachtssoldat nach Frankreich.

"Ich kam als Besatzer nach Frankreich, war am Atlantikwall, da haben wir noch Bunker gebaut und ich war dann Übersetzer, weil ich ein wenig Französisch konnte. Wir sind dann ganz gemütlich ausgekommen, auch nach dem Krieg musste ich da keine Angst haben."

Die Invasion der Alliierten in der französischen Normandie brachte Sieger Köder in amerikanische Kriegsgefangenschaft. Nach dem Krieg studierte Köder an der Höheren Fachschule für Edelmetalle in Schwäbisch Gmünd Ziselieren und Silberschmieden, danach in Stuttgart an der Akademie der Bildenden Künste Malerei und Kunstgeschichte. An einem Aalener Gymnasium war Sieger Köder mehr als zehn Jahre lang Lehrer für Kunsterziehung, bevor er sich dann 1965 zum Theologiestudium in Tübingen entschloss.

"Zunächst hat mich Theologie immer interessiert, ob mit oder ohne Kunst. Ich war mittlerweile auch schon über zehn Jahre Kunsterzieher gewesen, dann kam das Zweite Vatikanische Konzil und so Menschen wie Johannes XXIII., und ich war mittlerweile 40 und da werden ja alle Schwaben gescheit, und die Frau meines Lebens ist auch nicht aufgetaucht am Horizont, da war ich also noch frei und da dachte ich: schön dass du noch mal etwas studieren kannst, was dich eh interessiert."

Nach dem Studium war Sieger Köder Priester in Ulm, dann in Hohenberg und von 1975 bis 1995 in Rosenberg im Ostalbkreis. In dieser Zeit sind zahlreiche Werke wie Bildfenster, ein Flügelaltar oder die Fassade des Hohenberger Pfarrhauses von ihm gestaltet worden. Sieger Köder will bis heute mit seiner religiösen Malerei die Botschaft des Evangeliums, die Botschaft der Bibel, weitergeben und vor allem verständlich machen.

"Ich male nicht für Leute außerhalb der Kirche, ich will die nicht mit irgendwelchen spannenden Bildern gewinnen. Wenn das dann passiert, ist es ja auch recht, aber ich hab als Gemeindepfarrer immer für meine Gemeinde gemalt, dass die die betreffende Bibelstelle noch besser verstehen."

Kurz nach seinem 85. Geburtstag zog Sieger Köder ins Altersheim der St. Anna-Schwestern nach Ellwangen. Im Mai 2011 wurde dort auf 600 qm ein geistliches Museum eröffnet. Hier haben viele Werke des bekannten Künstlerpfarrers einen Ort erhalten, der nicht nur der Ausstellung dient, sondern ein Angebot ist, die biblische Botschaft meditativ und bibeltheologisch zu erschließen. Ein Stockwerk über dem Museum verbringt Sieger Köder sein Lebensabend. Das Malen ist mittlerweile weniger geworden, zweimal in der Woche feiert Köder als Priester die Heilige Messe, doch auch dabei macht er zunehmend Abstriche. Große Festgottesdienste will und kann er nicht mehr zelebrieren. Vor allem genießt er in seinem hohen Alter die Ruhe:

"Ich glaube, wenn man schöne Bilder malen will, dann braucht man auch eine gewisse Ruhe. Da kann man nicht dauernd im Kopf Streit haben. Andere malen vielleicht gut in der Aufregung, aber ich nicht. Ich vermeide gerne Streit. Ich streite ungern und dann wird man schon eben etwas angepasst. Also so ein Original bin ich nicht. Ich lebe mein Leben relativ schlicht bis zum hoffentlich seligen Ende."