Frankreich debattiert über Militäreinsatz in Syrien
Es ist ein strategischer Kurswechsel: Präsident François Hollande erklärte, Frankreich wolle Luftangriffe auf die Terrormiliz IS in Syrien fliegen. Heute debattiert die französische Nationalversammlung über die Entscheidung des Präsidenten. Eine Mehrheit der Franzosen unterstützt einen Militäreinsatz.
"Frankreich hat keine Angst", stellte der französische Innenminister vor genau einem Jahr klar. Bernard Cazeneuve wollte die Bevölkerung beruhigen. Terrormilizen des IS hatten gerade in einem langen Video zur Tötung französischer Zivilisten aufgerufen. Und den Zusammenhang hergestellt zur Beteiligung Frankreichs an Luftschlägen gegen IS-Stellungen im Irak.
Frankreich habe keine Angst, sagte also der französische Innenminister vor genau einem Jahr, weil es Antworten auf diese Bedrohung habe. Weil es in der Lage sei, mutmaßliche Terroristen an der Ausreise nach Syrien zu hindern, weil es gegen die Propaganda der Terroristen im Internet vorgehe und weil es sie hindern könne, zur Tat zu schreiten.
Die Realität sah anders aus. Kaum drei Monate später starben zwölf Menschen in den Redaktionsräumen von Charlie Hebdo. Die Attentäter Said und Chérif Kouachi standen in engem Kontakt mit Amédy Coulibaly, der an den darauffolgenden Tagen fünf weitere Menschen in Paris ermordete. Die Ermittler konnten Spuren der Attentäter mit französischem Pass nach Syrien, in den Irak und den Jemen zurückverfolgen. Eine Verbindung, die sich in den nachfolgenden Monaten bei zahlreichen Anschlägen in Frankreich - die teils vereitelt, teils verübt wurden - nachzeichnen ließ.
Franzosen sind notfalls auch für Bodentruppen
"Wir sind sicher, dass der IS Frankreich von Syrien aus bedroht, deshalb hat der Staatspräsident nun Aufklärungsflüge befohlen, die juristische Basis dafür ist Notwehr", sagt Außenminister Laurent Fabius heute, der lange die diplomatische Lösung in Syrien einer militärischen vorgezogen hatte.
Nun aber, da die französischen Geheimdienste nach eigenem Bekunden nicht ausreichend Informationen über die Lage in Syrien haben, jetzt, da die Flüchtlingsströme nicht abreißen, will der französische Staatspräsident dem Volk Handlungsfähigkeit beweisen. Heute informiert er, wie es Artikel 35 der Verfassung vorsieht, das Parlament über seine Entscheidung. Die ersten Aufklärungsflüge über Syrien wurden geflogen und dann:
"Je nach den Informationen, die wir zusammentragen, sind wir auch zu Luftschlägen bereit."
Eine Mehrheit der Franzosen steht dabei an der Seite des Präsidenten, Luftschläge ja und notfalls auch Bodentruppen, ergab eine Umfrage für die Zeitungsgruppe "Le Parisien/Aujourd'Hui".
Schon der Militäreinsatz im Irak war unstrittig, das Parlament verlängerte das Mandat zuletzt nahezu einstimmig.
Ex-Verteidigungsminister: Keine Mittel für führenden Bodentruppen-Einsatz
In der Frage des Vorgehens in Syrien ist die Opposition allerdings keineswegs zerstritten. Daesh, die IS-Terroristen, zielten direkt auf Frankreich. Sagt Bruno le Maire, der dem früheren Staatspräsidenten Sarkozy zwar den Platz des Parteichefs der Konservativen hatte überlassen müssen, der aber Ambitionen auf das höchste Staatsamt hat.
"Wir müssen diese Bedrohung loswerden, denn das ist eine direkte Bedrohung Frankreichs", sagt le Maire und plädiert seinerseits für Bodentruppen, im begrenzten Umfang, im Rahmen einer größeren Koalition und mit internationalem Mandat - aber eben Bodentruppen.
"Inkonsequent und unrealistisch" nennt Staatspräsident Hollande für die sozialistische Regierung diesen Vorschlag aus dem Lager der Konservativen.
Aber auch der Bürgermeister von Bordeaux, Alain Juppé, Parteifreund von Bruno le Maire, der für "Die Republikaner" seinerseits auf das höchste Staatsamt schielt, ist gegen Bodentruppen in Syrien.
Für den Lufteinsatz ist der sozialistischen Regierung heute eine Mehrheit im Parlament sicher. Und auch für die zweite Kammer, den Senat, lobt der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Jean-Pierre Raffarin in einem Interview mit "Le Figaro", die Entscheidung von Francois Hollande sei konsequent. Die militärischen Mittel für den führenden Einsatz von Bodentruppen habe Frankreich aber nicht, sagt der frühere Premierminister, die Staaten der Region müssten hier Verantwortung übernehmen.