Präsidentschaftswahl in Syrien

Opposition: Eine reine Farce

Wahlplakate von Bashar al-Assad in Damaskus.
Der syrische Präsident Bashar al-Assad dominiert den Präsidentschaftswahlkampf. © dpa / Youssef Badawi
Bassam Abdullah im Gespräch mit Gabi Wuttke · 03.06.2014
Mitten im Bürgerkrieg lässt der syrische Machthaber Baschar al-Assad wählen. Doch statt dieses "Theaters" bräuchten die Menschen im Land Sicherheit und eine Lösung der Krise, sagt der Oppositionspolitiker Bassam Abdullah.
Gabi Wuttke: Eine Show, das ist ein buntes Unterhaltungsprogramm. Und in einem solchen kann viel vorgegaukelt werden! Bashar al Assad tut das, der syrische Machthaber lässt nicht über sich allein abstimmen bei der ersten Präsidentenwahl, sondern er hat Gegenkandidaten. Sie fordern mehr Freiheit und Wohlstand für alle und loben Assad für seinen Kampf gegen Terroristen. Was ist mit dem Publikum auf der anderen Seite? 16 Millionen Syrer sind wahlberechtigt, aber über sechs Millionen wurden durch den Bürgerkrieg vertrieben, viele der knapp drei Millionen syrischen Flüchtlinge im Ausland können, dürfen nicht wählen. Weitere Millionen Wähler leben in den von den Aufständischen besetzten Gebieten. Wer also wählt? Bassam Abdullah hat in der syrischen Nationalen Koalition, die aus gut 60 Regimekritikern besteht, die Funktion des deutschen Botschafters. Herr Abdullah, einen schönen guten Morgen!
Bassam Abdullah: Guten Morgen, Frau Wuttke!
Wuttke: Ihre Organisation hat zum Boykott der heutigen Wahlen aufgerufen. Gibt es denn in den von den Rebellen besetzten Gebieten überhaupt Wahllokale?
Abdullah: Das können wir keine Wahlen nennen. Und von uns wird diese Wahl nicht boykottiert, sondern überhaupt nicht anerkannt. Das ist ja eine Sache, die nicht durchführbar ist. Die humanitäre Katastrophe, die Lage in Syrien erlaubt uns überhaupt nicht, über so einen Prozess zu reden und Wahlen zu machen oder zwischen zwei Kandidaten abzustimmen. Da geht ja ganz was anderes vor in Syrien, als über eine Wahl oder Demokratie zu sprechen zurzeit!
Wuttke: Ich meine die Frage, die ich Ihnen jetzt stelle, nicht zynisch, sondern wirklich ernsthaft: Gäbe es in den besetzten Gebieten Wahlurnen, dann hätten doch Ihre Landsleute dort die Chance, drei Präsidentschaftskandidaten abzulehnen!
Abdullah: Nein, auf keinen Fall. Da gibt es dort überhaupt keinen Wahlprozess beziehungsweise keine Wahlboxen. Was dort geworfen wird, sind ja Fässerbomben. Alleine so was durchzuführen in den befreiten Gebieten vom Assad-Regime, das ist ja eine Art Anerkennung dieses Theaters, was Herr Assad durchführt. Er macht das, um sich selbst eine Legitimität zu schenken, was er in letzter Zeit massiv verloren hat. Und er wird noch mehr verlieren nach dieser Wahl. Unsere Haltung, unsere Stellungnahme: Diese Wahl oder dieses Theater passt nicht zur Lage in Syrien. Etwas ganz anderes geht vor: Die Leute brauchen Sicherheit, brauchen Lösungen für diese Krise und nicht, so was im Land durchzuführen.
Wuttke: Sie sprechen von den befreiten, von Assad befreiten Gebieten in Syrien. Herr Abdullah, um was für Waffen hat Ihre Nationale Koalition eigentlich Barack Obama gebeten?
Abdullah: Wir haben um Hilfe gebeten, um die Luftwaffe vom Assad-Regime zu beseitigen. Wie Sie wissen, auf dem Boden sind die Assad-Truppen sehr, sehr eingeschränkt, weil das Volk dieses Regime nicht will. Aber er kann über die Luft viele Städte und viele befreite Gebiete zerstören und die Leute in eine katastrophale Lage bringen und die Städte leer machen von den Menschen. Und was wir von unseren Freunden von der internationalen Gemeinschaft wollen: Uns zu helfen, diese Waffe, diese Luftwaffe zu beseitigen.
Wuttke: Haben die USA denn schon geliefert?
Abdullah: Es gibt Zeichen dafür, aber auf jeden Fall die Entscheidung, die strategische Entscheidung gab es. Und ich glaube, wir werden demnächst hoffentlich eine Drehung der Lage in Syrien sehen, was den Boden betrifft.
Wuttke: Wenn ich dieses Treffen im Weißen Haus richtig verfolgt habe, dann gibt es für die Nationale Koalition ja nicht nur die Soldaten des Heers von Assad als Gegner, sondern auch Terroristen, die mit Assad verbündet seien. Wer, Herr Abdullah, sind für Sie diese Terroristen?
Abdullah: Das stimmt, was Sie sagen. Gott sei Dank ist es der ganzen Welt klar geworden: Wir sind gegen diesen Diktator einerseits und gegen diese Terroristen, diese radikalen Gruppierungen, die ohne unseren Willen in Syrien reingekommen sind und für ganz andere Ziele auch in Syrien kämpfen. Wir wollen ein demokratisches Land, wir wollen ein Land, das ohne Diktator, ohne Verletzung der Menschenrechte lebt wie jedes freie Land in dieser Welt.
Wuttke: Aber zum einen, da wir jetzt über die Waffen gesprochen haben, würden die noch mehr Tote bedeuten, und zum anderen kann man, muss man vielleicht sogar festhalten: Jede Seite in diesem Bürgerkrieg hat Gegner, die sie Terroristen nennt?
Abdullah: Nach meiner Meinung im Gegenteil. Diese Hilfe für die syrische Opposition, für die Freie Syrische Armee wird auf jeden Fall die Zahl der Toten unter Zivilisten vermindern. Denn was Assad momentan macht, er bewirft die Zivilisten in der Stadt Aleppo, bei Damaskus, in Idlib, in anderen Städten, er bewirft die Zivilisten, die unschuldigen Menschen, aus einer Höhe von 4000, 5000 Metern wahllos mit Fässerbomben. Wenn man die beseitigt, dann wird die Zahl der Toten im zivilen Bereich auf jeden Fall weniger werden. Und: Diese Lösung wird auch Assad zwingen, zu einer politischen Lösung zu kommen und auf die Macht zu verzichten. Denn bisher hat er die Haltung, dass er alles machen kann, was er will und kann. Und keiner kann was dagegen tun.
Wuttke: Bleiben wir noch mal ganz kurz im Hier und Jetzt, Herr Abdullah, mit der Bitte um eine kurze Antwort: Wie plant die Nationale Koalition, auf die absehbare Verkündung des Siegs von Assad zu reagieren?
Abdullah: Genauso wie wir jetzt gerade reagieren auf seine sogenannte Wahl in Syrien: Für uns wäre seine Ankündigung für einen - in Klammern - Sieg, wäre dann ein Sieg für die Koalition, dass er jetzt keine Spur von Legitimität mehr genießt. Die syrische Nationale Koalition ist die einzige und legitime Vertretung für ganz Syrien, für das ganze syrische Volk. Und wir möchten auch völkerrechtliche Aufgaben für ganz Syrien übernehmen in der UNO, in den anderen internationalen Instituten.
Wuttke: Sagt im Deutschlandradio Kultur der deutsche Botschafter der oppositionellen syrischen Nationalen Koalition Bassam Abdullah. Ich danke Ihnen sehr und einen schönen Tag!
Abdullah: Ich danke Ihnen auch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.