Präsidentenwahl in Polen

Hoffnung auf einen Richtungswechsel

07:32 Minuten
Der Herausforderer Rafal Trzaskowski beim Wahlkampf in Warschau
Der liberale Bürgermeister von Warschau, Rafal Trzaskowski, ist der Herausforderer von Amtsinhaber Andrzej Duda © picture-alliance/NurPhoto/Dominika Zarzycka
Joanna Maria Stolarek im Gespräch mit Axel Rahmlow |
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Eine Richtungsentscheidung mit Symbolkraft - das erwartet Joanna Maria Stolarek, Leiterin des Warschau-Büros der Heinrich-Böll-Stiftung, von der Präsidentenwahl in Polen. Herausforderer Rafal Trzaskowski habe gute Chancen.
Am Sonntag wählt Polen einen neuen Präsidenten. Die Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) wollte die Wahlen bereits am 10. Mai durchführen und erhoffte sich damit mitten in der Coronapandemie einen Vorteil. Doch nach zahlreichen Protesten wurde der Ersatztermin auf den 28. Juni festgelegt. Amtsinhaber Andrzej Duda ist der Kandidat der regiernden PiS. Er hat mit dem liberalen Bürgermeister von Warschau, Rafal Trzaskowski, der als Gegenkandidat antritt, mittlerweile ernst zu nehmende Konkurrenz bekommen. Es könnte zu einer Stichwahl kommen, wenn keiner der Kandidaten im ersten Wahlgang mehr als 50 Prozent der Stimmen erhält.
In den Umfragen sehe es für Trzaskowski gut aus, sagt Joanna Maria Stolarek, Leiterin des Warschau-Büros der Heinrich-Böll-Stiftung. Sie charakterisiert den Gegenkandidaten als dynamischen, jungen Politiker, der weltgewandt sei, mehrere Sprachen und die Sprache der jungen Menschen spreche. Er habe gute Chancen, Duda im zweiten Wahlgang zu schlagen.

Symbolträchtige Wahl

Trzaskowski sei für viele Wähler eine gute Alternative, sagt Stolarek. Außerdem zeigten sich inzwischen die Auswirkungen der Coronakrise auf die polnische Wirtschaft. "Es ist so, dass die PiS-Regierung vor allem dann erfolgreich ist, wenn es den Menschen gut geht."
Mit Duda habe die nationalkonservative PiS-Regierung einen Politiker an ihrer Seite, der mitziehe, Gesetze quasi durchwinke und unterschreibe. "Im Volksmund wird Andrzej Duda auch nicht so freundlich 'der Kugelschreiber' genannt." Es handele sich um eine "symbolische Wahl", die zeige, dass die Regierungszeit der PiS-Partei nicht unendlich sei.
Polens Präsident Andrzej Duda im Wahlkampf.  
Der polnische Präsident Andrzej Duda gibt sich volksnah und findet vor allem Unterstützung in der ländlichen Bevölkerung. © picture-alliance/PAP/Roman Zawistowski
Polen sei polarisiert und die beiden Lager stünden sich unversöhnlich gegenüber, sagt Stolarek. "Es zieht sich wie ein tiefer Graben durch das Land und durch die Bevölkerung." Trzaskowski sei ein Kandidat der Städte, der gebildeten Menschen und der Gewinner der polnischen Transformation. "Duda ist viel volksnäher." Er stehe der ländlichen Bevölkerung näher und betone den Schutz der traditionellen Familie.
Trzaskowski verstehe sich nicht als Kandidat der Opposition und wolle kein Präsident der Opposition werden. "Er möchte über den Spaltungen stehen, er möchte das Volk einigen und keine Kampagne des Hasses betreiben." Der Politiker wolle auch das staatliche Fernsehen abschaffen, dass derzeit als Propagandainstrument der Regierung diene.
(gem)
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