Prada-Stiftung Mailand

Modeimperium widmet sich zeitgenössischer Fotokunst

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Im "Osservatorio" der Prada-Boutique der Galleria Vittorio Emmanuele II in Mailand wird jetzt Fotokunst gezeigt. © picture alliance / dpa / Daniel Kalker
Von Thomas Migge · 27.12.2016
In Mailand eröffnet das Modehaus Prada eine Fotosektion. Doch es ist keine Modefotografie, die dort ausgestellt wird, sondern zeitgenössische Fotokunst in all ihren Facetten. Den Anfang macht eine Ausstellung zur Tagebuchfotografie.
"Die Prada-Stiftung besteht aus einer Reihe verschiedener Gebäude. Ich nenne sie aufgrund ihrer architektonischen Unterschiede einen Archipel aus Gebäuden. Jeder der verschiedenen Ausstellungsorte hat sich auf bestimmte Kunstformen spezialisiert."
Jede neue Niederlassung der Kulturstiftung des Modeimperiums Prada soll ihr eigenes Gesicht haben, architektonisch wie inhaltlich. Germano Celant ist einer der besten italienischen Kenner zeitgenössischer Kunst, und in dieser Funktion künstlerischer Berater der Prada-Stiftung. Am Bau der Stiftungsniederlassungen in Venedig und in Mailand, in einer von Rem Koolhaas umgebauten ehemaligen Schnapsdestillerie, war er ebenso beteiligt wie jetzt an der Organisation der dritten Adresse. Wieder in Mailand, in einem historischen Gebäude aus dem späten 19. Jahrhundert. Auf rund 1000 Quadratmetern im letzten Geschoss der imposanten Einkaufspassage Galleria Vittorio Emanuele II. widmet sich diese neue Niederlassung ganz der Fotografie. Einer Kunstform, die für die identitätsstiftende Imagepflege einer global operierenden Modemarke enorm wichtig ist.
"Geschichte, Kino, Literatur... Ein ganzer Reigen von Themen wird von der Prada-Stiftung thematisiert. Wenn möglich immer in Beziehung zur architektonischen Besonderheitdes jeweiligen Ausstellungsortes."

Italien hinkt bei zeitgenössischer Fotografie hinterher

In der eleganten Mailänder Einkaufspassage, wo zahllose Geschäfte zum Teil riesige Werbefotos zeigen, wird deshalb Fotokunst ausgestellt. Wer aber vermutet, dass die neue Dependance der Prada-Stiftung Modefotografie zelebrieren will, ist auf dem Holzweg. Dem so genannten "Osservatorio della fotografia", dem Fotografieobservatorium, geht es um viel mehr: um das Beobachten von zeitgenössischer Fotokunst. In all seinen Facetten, die auch mit Mode zu tun haben können, aber nicht a priori.
Da Italien in der musealen Aufbereitung zeitgenössischer Fotografie anderen europäischen Ländern hinterherhinkt, kommt der neuen Prada-Stiftungsniederlassung eine große Bedeutung zu. Auch deshalb, weil man bei den Pradas im Gegensatz zu öffentlichen Museen - das gilt vor allem für Italien - in Geld schwimmt.
Zur Eröffnung des Observatoriums wird das Thema Tagebuchfotografie vorgestellt. Kurator der Ausstellung ist der Kunsthistoriker Francesco Zanot:
"Das ist eine Ausstellung, die mit diesem Thema den Status quo zeitgenössischen Fotoschaffens auf den Punkt zu bringen versucht. Um das Genre Fotografie von der klassischen Idee des Bildes an der Wand zu befreien, hängen hier nicht alle Fotografien an den Wänden, sondern liegen auch auf Tischen aus."

Fotografische Tagebücher

Ausstellungskurator Zanot wählte Werke von Fotokünstlern aus, die zwischen den 1970er- und 1990er-Jahren geboren wurden. Ausgestellt werden die Selbstporträts der niederländischen Installationskünstlerin und Filmemacherin Melanie Bonajo, der japanischen Fotografin Izumi Miyazaki, die vor allem sich selbst ins Bild setzt, mit Humor und einer an René Magritte erinnernden Absurdität. Tomé Duarte spielt mit Identitäten und zeigt Fotos mit sich selbst in Frauenkleidern. Antonio Rovaldi’s Fotografien thematisieren den verzerrenden Einfluss digitaler Bild-Technologien auf die individuelle Darstellung. Maurice van Es erzählt mit einer Bilder-Serie verschiedenster Gegenstände vom Leben seiner alten Mutter.
Alle Künstler behandeln das Thema "Fotografie als Tagebuch" abstrakt. So wie das klassische von Hand geschriebene Tagebuch als konkrete Ich-Erzählung fast ganz verschwunden ist, scheint auch der auf eine bestimmte Realität bezogene fotografische Tagebuch-Ansatz verschwunden zu sein. Die Auflösung von bestimmter Realitäten, von Grenzen aller Art, von Identitäten, von Gendern: das ist auch ein Thema der zeitgenössische Modefotografie. In diesem Sinn passt das Thema der ersten Ausstellung des Fotoobservatoriums perfekt zur Kunststiftung des Modehauses Prada.
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