„Pracht unter dem Hügel“

Von Thomas Migge |
Als vor Jahren ein Parkplatz in den Ginacolohügel in Rom gegraben wurde, stießen Arbeiter auf wertvolle Gegenstände. Die römische Altertümerbehörde ordnete daraufhin einen Baustopp an. Doch der Vatikan, dem der Hügel gehört, lehnte ab. Die Archäologen durften lediglich die Schätze bergen. Diese wurden jetzt zum ersten Mal in der Öffentlichkeit gezeigt.
„Die Arbeiten wurden in großer Eile vorangetrieben. Auch nachts. Das Heilige Jahr 2000 stand vor der Tür und der Parkplatz für hunderte von Pilgerbussen war noch lange nicht fertig.“

Ein Parkplatz, der in den Gianicolohügel gegraben wurde, einen der legendären sieben Hügel von Rom. Bei den Ausschachtungsarbeiten stießen Arbeiter auf bunten Stein. Rot und grün, blau und schwarz, weiß und sogar lila. Wie in Rom üblich, wenn antike Gesteinsreste im Erdreich gefunden werden, wurde die römische Altertümerbehörde informiert. Die Archäologen der Behörde kamen aus dem Staunen nicht mehr heraus, als sie die Funde entdeckten.

Sofort wurde die Schließung der Baustelle angeordnet – doch der Vatikan, dem jener Teil des Hügels gehört, in den der Parkplatz gebaut werden sollte, sagte entschieden nein. Die Archäologen durften lediglich die wertvollsten Gegenstände bergen, doch das antike Haus, zu dem sie gehörten, musste dem Parkplatz weichen. Ein Kulturskandal, der 1999 international für Aufsehen sorgte. Jetzt werden die 500 damals im Giancolohügel geborgenen antiken Gegenstände zum ersten Mal der Öffentlichkeit gezeigt. Im Barocktheater des Palazzo Altemps.

Kuratorin der Ausstellung ist die Kunsthistorikerin Fedora Filippi: „Wir zeigen eine Reihe von Marmorgegenständen aus dem 1. Jahrhundert nach Christus. Wir fanden sie in den komplett erhaltenen Räumlichkeiten einer kaiserlichen Villa, die vor rund 2000 Jahren an den Hängen des Gianicolohügels lag. Interessant ist, dass diese Gegenstände fein säuberlich geordnet auf dem Fußboden der Säle nebeneinander gereiht lagen.“

Sie standen, so der Eindruck der Archäologen, zum Abtransport bereit. Vermutlich, wurden sie in einem späteren Jahrhundert des römischen Reiches, als die hohe Kunst der Marmorverarbeitung schon im Aussterben begriffen war, für die Verschönerung eines neuen Gebäudes benötigt. Aus spätantiken Dokumenten weiß man, dass – um nur ein Beispiel zu nennen – Kaiser Teoderich römische Patrizier aufgefordert hatten, ihm Säulen und Kapitelle zum Bau einer neuer Kaiserresidenz zukommen zu lassen. Dafür wurden ältere Gebäude im wahrsten Sinne des Wortes ihrer Marmordekorationen beraubt. Sie wurden auf Karren geladen und zu Teoderichs Baustelle gefahren. Ähnlich wird es im Fall der 1999 im Gianicolohügel entdeckten Domus gewesen sein.

Fedora Filippi: „Wir fanden ein komplett erhaltenes Depot von rund 600 Kapitellen, Säulen, Intarsien und anderen Bauelementen. Wir gehen davon aus, das ein Erdbeben dem Abtransport dieser Schätze zuvorkam und die Domus unter einer Menge Erdreich verschüttete. Das antike Gebäude wurde auf diese Weise zu einem Teil des Hügels und später vergessen. Das Marmordepot verfügt über einmalige Exponate, wie sie bisher unbekannt waren. Vor allem die Kapitelle sind wirklich ungewöhnlich.“

Dass die antiken Römer des Kaiserreichs Marmor liebten ist bekannt. Man weiß auch, dass sich die Kult- und Repräsentationsbauten sowie die Villen im imperialen Rom durch einen für uns Heutige fast schon kitschigen Überfluss an farbigem Marmor auszeichneten.

Die in der Domus am Gianicolohügel aus dem Erdreich geholten Kapitelle übertreffen alle bisherigen Vorstellungen von der Kunstfertigkeit antiker Marmorkünstler. Da sind zum Beispiel rote Porphyrkapitelle, die mit orangefarbigem, weißem, gelbem und schwarzem Marmor verziert worden sind. Exponate von seltener Schönheit.

Sie gehörten zu Wandverzierungen, die ebenfalls aus verschiedenfarbigem Marmor bestanden, der aus den unterschiedlichsten Teilen des römisches Reiches in die Hauptstadt gebracht worden war. In der Antike war besonders intensivfarbiger Marmor extrem teuer. Nur die Kaiser und die Mitglieder ihrer Familien konnten es sich erlauben, ihn zur Verschönerung ihrer Residenzen zu benutzen, weiß Fedora Filippi:

„Die von uns entdeckten Marmorexponate bildeten die Dekoration einer großen Aula, die der Repräsentation einer Kaiservilla aus dem 1. Jahrhundert diente. Es handelt sich um den kostbarsten Marmorfund seit Jahrhunderten. Wir fanden auch verschiedenfarbige Alabasterplatten aus Ägypten, die so feingeschnitten sind, dass wir davon ausgehen, dass sie als Fensterscheiben dienten.“

Im barocken Theater des römischen Palazzo Altemps, der der Antikenverwaltung Roms untersteht, wurde ein Teil der Aula rekonstruiert. Dafür nutzte man die schönsten Fundstücke aus der Domus im Gianicolohügel. Ein Eindruck ist gewaltig: Farben über Farben und aufwendig gestaltete Intarsien, die verblüffend an ähnliche Kunstwerke aus dem Barock erinnern. Faszinierend sind auch die im Gianicolohügel ans Tageslicht gekommenen Fresken der Domus: Tier- und Landschaftsdarstellungen, die in ihrer Poesie an bukolische Szenen der Renaissance und des Manierismus erinnern.