Poß will an Solidaritätszuschlag festhalten

Moderation: Hanns Ostermann |
Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion im Bundestag, Joachim Poß, hat die Forderungen nach einer Senkung des Solidaritätszuschlags kritisiert. Solange der Haushalt auf Bundesebene nicht ausgeglichen sei, dürfe man nicht über massive Steuersenkungen oder die Abschaffung des Solidaritätszuschlages spekulieren, sagte Poß.
Hanns Ostermann: Der Bundesfinanzminister weiß, was gute Handwerker machen. „Ein Dach deckt man am besten, solange die Sonne noch scheint“, meinte Peer Steinbrück gestern am ersten Tag der Haushaltsdebatte 2008. Das Dach ist für ihn ein solider Etat, der spätestens 2011 ausgeglichen sein muss und der keine Steuersenkungen vorsieht. Und in welchem Zustand ist das sogenannte Haus? Sicher, viele profitieren derzeit von einer guten Konjunktur, die Zahl der Arbeitslosen geht zurück, doch längst noch nicht alle profitieren von dieser Entwicklung, der Aufschwung geht an vielen vorbei. Dass also, um im Bild des Finanzministers zu bleiben, die eine oder andere Wand wackelt – wird das im Haushaltsentwurf berücksichtigt? Darüber möchte ich mit Joachim Poß sprechen, er ist stellvertretender SPD-Fraktionsvorsitzender im Bundestag. Guten Morgen, Herr Poß.

Joachim Poß: Guten Morgen.

Ostermann: Unter anderem mit der Mehrwertsteuer haben Sie dem Bürger ja tief in die Tasche gegriffen. Warum bekommt er jetzt nichts zurück?

Poß: Also, der Bürger bekommt in dem Sinne ja eine Menge zurück, weil wir mit unserer Politik ja beitragen nicht nur zu einer Verbesserung von Arbeit und Umwelt in Deutschland, sondern auch zu mehr Generationengerechtigkeit. Und wenn wir jetzt sorglos würden im Sinne von wir versprechen Steuersenkungen, dann würden wir diesen Aspekt vernachlässigen. Wir müssen das Haus wetterfest machen, damit die nachfolgenden Generationen nicht die Lasten zusätzlich dieser Generation tragen müssen. Das ist einfach der Aspekt. Wenn jetzt über Jahre von vielen in der Republik, auch von dem Koalitionspartner der CDU/CSU, der SPD, die Staatsverschuldung als Staatskrise dargestellt wurde, dann darf man nicht in einem Augenblick, wo man den Haushaltsausgleich auf Bundesebene noch nicht erreicht hat, schon wieder so spekulieren über Versprechungen massiver Steuersenkungen oder Abschaffung des Solis, wie das derzeit geschieht.

Ostermann: Ja, Teile der Union sehen das in der Tat anders, im kommenden Bundestagswahlkampf wird die CSU ganz laut rufen: Weg mit dem Solidaritätszuschlag! Wo bleibt die Solidarität der SPD?

Poß: Die Solidarität der SPD besteht darin, dass sie, wie bisher, die Arbeitsbedingungen der Menschen oder die Lebensbedingungen der Menschen verbessert, und das haben wir ja an zentraler Stelle – und da ist nicht nur der Bundesfinanzminister zuständig, da ist der Umweltminister zu nennen oder der Arbeits- und Sozialminister und die Gesundheitsministerin –, dass wir da, wo es drauf ankommt, diese Lebenschancen zu verbessern, dass wir daran arbeiten. Das war sehr erfolgreich, das war übrigens schon zu der Zeit der rot-grünen Koalition sehr erfolgreich, als wir unter politischen Schmerzen, mit vielen Verlusten, die Weichen richtig gestellt haben. Das macht sich jetzt am Arbeitsmarkt bemerkbar. Und wir haben ja auch unser Programm, zum Beispiel das Impulsprogramm, 25-Milliarden-Programm, mit dem auch Energiesparen belohnt wird, mit dem die Betreuung von Kindern belohnt wird und anderes mehr, das haben wir alles in Gang gesetzt, das ist alles sozialdemokratische Politik. Davon profitieren jetzt noch nicht alle, aber viele doch. Und je mehr jetzt zum Beispiel auch die Arbeitnehmer und deren Gewerkschaften über Lohnerhöhung wieder stärker in der wirtschaftlichen Entwicklung partizipieren, das ist Zuständigkeit der Gewerkschaften, nicht der Politik, desto mehr werden die Rentner aus Sicht was haben. Also, wir sind in einer positiven Phase, wohl wissend, dass durch diese Irritationen an den Finanzmärkten das auch wieder etwas abflachen kann. Aber wir haben unseren Beitrag als Politik, auch zur Verbesserung der Wachstumschancen, geleistet, und haben jetzt mit unserem Klimaschutzprogramm einen politischen Ehrgeiz an den Tag gelegt, der weltweit sonst nirgendwo zu finden ist.

Ostermann: Herr Poß, wir müssen weiter sparen, das wird mancher Hartz-IV-Empfänger als blanken Hohn empfinden. Was sagen Sie dem eigentlich, zum Beispiel in Ihrem Wahlkreis?

Poß: Also, den Arbeitslosengeld-II-Empfänger in meinem Wahlkreis, den habe ich ja regelmäßig in meinen Sprechstunden. Und dem, wie auch allen anderen, kann ich sagen: Als es umgestellt wurde im Februar 2005, das System umgestellt wurde, Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe zusammengelegt wurden, hatten wir in meinem Wahlkreis in Gelsenkirchen 27 Prozent Arbeitslose. Wir haben jetzt unter 17 Prozent, und wir haben jetzt den Umstand, dass in unserem Integrationscenter in Gelsenkirchen die Leute, die vorher in der Sozialhilfe oder in der Langzeitarbeitslosigkeit sich befanden, dass man sich um die intensiver kümmert, wohl wissend, dass es relativ wenige Arbeitsplatzangebote – gerade in dieser Region, im nördlichen Ruhrgebiet – gibt. Dort sind die Erfolge sichtbar mit Händen zu greifen. 6300 Frauen zum Beispiel bei mir im Wahlkreis, um die sich keiner gekümmert hat – meistens alleinerziehende Mütter in der Sozialhilfe – stehen jetzt sozusagen dem Arbeitsmarkt zur Verfügung, dafür verbessern wir die Arbeitsbedingungen durch das, was wir beschlossen haben. Verbesserung der Kinderbetreuung, das war ja auch nicht Frau von der Leyen, das waren die Sozialdemokraten, die das durchgesetzt haben. Der Bund beteiligt sich, was gar nicht seine Zuständigkeit ist, finanziell mit vier Milliarden. Das heißt, wir verbessern die Lebensbedingungen der Menschen Tag für Tag. Das, was wir in den letzten Jahren zu verantworten hatten, war erfolgreich, und auf diesem Weg machen wir weiter.

Ostermann: Na ja, Kinder von Arbeitslosengeld-II-Empfängern haben trotzdem Probleme. Wenn die zwischen vier und sechs Jahren derzeit 2,57 Euro pro Tag bekommen, dann lässt sich doch das mit einer sozialen Gesellschaft nicht vereinbaren.

Poß: Das sind Einzelinformationen, Sie picken da etwas raus, andere machen das auch, machen Kampagnen.

Ostermann: Das ist der Kinderschutzbund.

Poß: Ja, der Kinderschutzbund, ich kenne auch dessen Präsident, das ist eine Pickpolitik und die berücksichtigt nicht, dass zum Beispiel Renate Schmidt in der damaligen Zuständigkeit als Familienministerin sich intensiv um das Thema gekümmert hat. Es ist übrigens auch nicht nur ein Problem des Bundes, da müssen Bund, Länder und Kommunen sehr intensiv zusammenarbeiten, und da ist es mit der materiellen Verbesserung nicht getan. Insgesamt gibt es ja da für die Kinder, sage ich mal, einen Betrag von 207 Euro, das ist höher als das Kindergeld – was wir im Übrigen bei denjenigen, die Steuern zahlen, in der letzten Legislaturperiode drei Mal erhöht haben auf 154 Euro. Das heißt: Wir haben so viel für die Verbesserung der Familienleistungen – allein in den letzten Jahren von 40 auf über 60 Milliarden insgesamt – getan wie noch nie. Trotzdem haben wir die Probleme. Die Probleme sind aber sichtbarer geworden, auch durch die Umstellung von Systemen. Wenn wir zwischen 1980 und 1997 eine Verdreifachung von Sozialhilfeempfängern hatten, steckt da viel Kinderarmut drin, aber da wurde weggeguckt, da wurden die Dinge nicht transparent gemacht. Wir stellen uns jetzt offensiv diesen Problemen, aber, wie gesagt, da müssen alle Ebenen mitarbeiten. Wie wir alle wissen, ist es allein mit solchen Berechnungen von einem Euro nicht getan. Manchmal kann es wichtiger sein, dass wir das kostenlose Mittagessen zum Beispiel organisieren und ermöglichen, als dass wir dann irgendwelche Leistungen noch erhöhen.

Ostermann: Joachim Poß war das, der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, danke für das Gespräch im Deutschlandradio Kultur.