Porträtkonzert Juan Allende-Blin

Bald 90 und noch nicht leise

Ein Mann mit mittellangen grauen Haaren blickt durch seine Brille direkt in die Kamera.
Der Komponist und Musikpublizist Juan Allende-Blin © Jan Rothstein
Aktiv politisch engagiert, weit über das eigene Schaffen hinaus: Juan Allende-Blin, 1928 in Chile geboren, seit 1951 in Deutschland lebend, bezieht nicht nur als aktiver Künstler, sondern auch als Publizist und Forscher Stellung.
Als Zeuge fast eines Jahrhunderts war er vor einem reichlichen Jahr bereits Gesprächspartner unserer Sendereihe "Begegnungen" – nun ist er mit der Uraufführung einer Kantate für Bariton und vier Instrumente wieder als aktiver Komponist zu erleben. Gewidmet ist sie dem expressionistischen Dichter Jakob van Hoddis, der in den späten Kaiserjahren die Literaturszene Berlins aufmischte und 1942 – psychisch labil und außerdem jüdischer Herkunft, in den Augen der Nazis also mit einem doppelten Makel behaftet – in Sobibor ermordet wurde.
Natürlich ist es kein Zufall, dass sich Allende-Blin auch in seiner jüngsten Komposition wieder einer solch brisanten Persönlichkeit und Zeitkonstellation widmet: um die Schicksale verfolgter, exilierter und damit oft auch vergessener Künstler hat er sich schon seit Jahrzehnten leidenschaftlich gekümmert, und auch in seinen eigenen Werke thematisiert er immer wieder die Ausgrenzung von Randgruppen aus der "Mehrheitsgesellschaft". Dabei wirken nicht zuletzt seine eigenen Erfahrungen eines Künstlers mit, der sich, von seinen ursprünglichen Wurzeln abgeschnitten, in der internationalen Nachkriegs-Avantgarde eine neue geistige Heimat suchen musste und sich außerdem auch durch seine Lebens- und Künstlerpartnerschaft mit dem 2014 verstorbenen Komponistenkollegen Gerd Zacher außerhalb der gängigen Gesellschaftsnormen bewegte. So ist es nicht mehr als folgerichtig, dass auch Zacher an diesem Abend mit zwei Werken zu Wort kommt – doppelt anrührend in diesen Tagen, wo das Motto "gleiches Recht für jede Liebe" nicht nur eine wichtige Rolle im gesellschaftlichen Diskurs spielt, sondern nach jahrzehntelangen Kämpfen auch in Deutschland gesetzesfähig werden könnte.


Gerd Zacher
"Projektion" für Klavier
Pavel Haas
"Lieder aus dem Gefängnis" für Bariton und Klavier
Juan Allende-Blin
"Dans le silence", Kantate für Sopran und Klavier
Gerd Zacher
"Glossar" für Flöte und Klavier
Juan Allende-Blin
"Tortur - Hommage à Jakob van Hoddis", Kantate für Bariton, Flöte, Tenorsaxophon, Euphonium und Klavier
Uraufführung - Auftragswerk der Antidiskriminierungsstelle des Bundes


Eva Nievergelt, Sopran
Tobias Müller-Kopp, Bariton
Roy Amotz, Flöte
Claudia Tesorino, Tenorsaxophon
Sören Fischer, Euphonium
Tomas Bächli, Klavier