Porträtband über Ingrid Bergman

Bitte reden Sie nicht über Sex!

Die Schauspielerin Ingrid Bergman als Ilsa mit Humphrey Bogart als Rick in einer Szene aus dem Film "Casablanca" von 1942
"Schau mir in die Augen, Kleines!" - Die Schauspielerin Ingrid Bergman als Ilsa mit Humphrey Bogart als Rick in einer Szene aus dem Film "Casablanca" von 1942 © picture alliance / dpa
Von Manuela Reichart · 11.05.2015
1939 kommt Ingrid Bergman nach Hollywood. Dort beugt sie sich den strengen Moralvorstellungen, spielt in der Öffentlichkeit die brave Ehefrau und Mutter. Dabei lebte die "heilige Ingrid" ein völlig anderes Leben. Ein neuer Porträtband gibt kenntnisreiche Einblicke.
Sie war ein "natürlicher Star". Als sie 1939 nach Amerika kommt, verweigert sie sich der üblichen Prozedur, die für junge Schauspielerinnen vorgesehen ist: Sie lässt sich nicht – wie Marlene Dietrich – Zähne ziehen und die Augenbrauen abrasieren. Später wird der große Studio-Boss Selznick sich das auf seine Fahnen schreiben: Er habe angeordnet, "Ingrid in ihrer unberührten Schönheit zu belassen".
Ingrid Bergman hat fast 50 Filme gedreht, ist drei Mal mit dem Oscar ausgezeichnet worden. Und sie hat das amerikanische Studiosystem auf besondere Weise bezwungen, nicht nur weil sie sich weigerte, ihren Typ und ihren Namen zu verändern. Vor allem kehrte sie nach ihrer gescheiterten Ehe mit dem italienischen Regisseur Roberto Rossellini und dem Ausflug ins Autorenkino 1957 als Siegerin zurück nach Hollywood.
Das war kein geringer Sieg. Sie hatte sich nämlich am Beginn ihrer amerikanischen Karriere den Studiowünschen untergeordnet und in der Öffentlichkeit die Rolle der braven Ehefrau und Mutter gespielt - "die heilige Ingrid" -, obwohl sie das ganz und gar nicht war.
Die Publicity-Abteilung schrieb ihr vor, nicht über Sex zu reden, keine sinnliche Haltung auszustrahlen. Die Regeln, die das Studio aufgestellt hatte, erfüllte sie folgsam. Ihre Liebe zu dem Fotografen Robert Capa blieb deswegen ebenso geheim wie die Affäre mit dem Kollegen Gary Cooper. Aber dann sah der große Star – und das war Ingrid Bergman spätestens nach "Casablanca" – den Film "Rom, offene Stadt" von Roberto Rossellini.
Noch verheiratet, bekam sie ein Kind von Rosselini
Sie schrieb dem Regisseur einen ziemlich sinnlichen Bewerbungsbrief, er nahm an, sie reiste für die Dreharbeiten unter großer Pressebeachtung nach Italien, spielte die Hauptrolle in "Stromboli" - und bekam ihr erstes Kind von Rossellini. Geschieden war sie da noch nicht vom schwedischen Ehemann. Der Sturm der amerikanischen Entrüstung über Ingrid Bergman kannte darauf keine Grenzen. "Von der Heiligen war sie über Nacht zur Hure geworden."
Birgit Haustedt erzählt die Geschichte dieser leidenschaftlichen Liebe knapp und kenntnisreich, so wie sie überhaupt Leben und Filme des Stars gleichsam in einer Essenz vorführt. Flüssig geschrieben, eindrucksvolle Fotos: Man bekommt eine Vorstellung vom Leben des schönen schwedischen Stars, der 1982 an Krebs starb. Ihren letzten Kinofilm drehte Ingrid Bergman mit dem Landsmann Ingmar Bergman. Das war eine schwierige Arbeit, weil der Widerworte einer Hauptdarstellerin nicht gewöhnt war.
Ein Porträtband nicht für informierte Cinéasten (es gibt keinen exzeptionellen, keinen ausführlichen Blick auf die Filme, die Biographie), sondern für alle die, die ein wenig mehr wissen wollen über diesen großen Kinostar – und sich an den Bildern erfreuen. Ein kleiner Geburtstagsband, gewidmet einer großen Filmschauspielerin, die 1946 in "Notorious" ("Berüchtigt") mit Cary Grant den längsten Kuss der Filmgeschichte zelebrierte. Alfred Hitchcock, mit dem sie drei Filme drehte und lebenslang befreundet blieb, hatte diesen Kuss so geschickt inszeniert, dass die Zensurbehörde nicht einschreiten konnte.

Birgit Haustedt: Ingrid Bergman
Ebersbach & Simon, Berlin 2015
112 Seiten, 24,95 Euro

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