Porträtaufnahme der USA
Die amerikanische Fotografin Annie Leibovitz hat mit ihren Aufnahmen von Prominenten Weltruhm erlangt. Sie machte das letzte Foto von John Lennon: Wie ein Embryo drückt er sich an Yoko Ono. Für die Serie "American Music" hat Leibovitz ihre alten Kontakte reaktiviert und gleichzeitig ein Porträt des Landes gemacht. Die Ausstellung macht bis Anfang April Station in Berlin.
Der Blick auf eine aus Brettern zusammengeflickte Behausung bildet den Auftakt der Ausstellung. Wäre da nicht das Auto in dem Garagenschuppen, es könnte eine weitaus ältere Ansicht vom provisorischen ländlichen Amerika sein. Auch die beiden Schwarzen im Sonntagsstaat vor einer Kirche, angespannt und voller Ernst selbst das kleine Mädchen in Tüll und Schleife, scheinen von einer anderen Zeit zu erzählen. Wirklich verblüffend ist, dass diese Arbeiten von Annie Leibovitz tatsächlich erst in den vergangenen Jahren entstanden sind, wie Felix Hoffmann, der Kurator dieser letzten Ausstellungsstation in Europa - und der einzigen in Deutschland - erklärt.
"Annie Leibovitz hat sich Ende der 90er Jahre noch mal entschlossen, zu ihren Wurzeln zurückzukehren, und hat sich dann eben 1999 entschieden, die Musik, also den Ursprung ihres fotografischen Daseins, dem noch mal nachzuspüren - und hat dann eine große Reise durch Amerika gemacht. So ist eben dann die Ausstellung auch strukturiert. Sie fängt an im Mississippi Delta, im schwarzen Amerika, und reist dann so durch das Land, also Blues, Country and Folk, Jazz und dann eben hier in der jüngeren Etage Rock und Pop und Hip Hop.
Sie hat also praktisch ihre alten Kontakte übers Rolling-Stone-Magazin wieder aktiviert und ist auf die Leute zugegangen und hat gesagt: Ich mach jetzt diese Serie "American Music". Ich untersuche ein Land. Ich will wissen - das ist auch so ein Zitat - wie Gesang oder wie Singen aussieht. Sie will auch so einem Gefühl nachspüren. Und ich glaube, dass darüber auch was ganz Eigenes entsteht."
Mit schäbigen Familienfotos, Kabelsalat auf Bühnen, der uramerikanischen Choreografie von Posaune, Trompete, Bass und Schlagzeug bedient sich Annie Leibovitz aus einem historischen Fundus. Sie kennt den Blick der amerikanischen Dokumentarfotografie auf das Land, sie kennt die Klischees aus der Welt der Mode und des Pop: die Pelze als Insignien des Erfolgs, der Schminkraum hinter der Bühne als Ort des Übergangs, der mit Glitter geschönte Tourbus. Gleichzeitig setzt sie unterschiedliche Strategien ein: fotografiert nicht nur vor Ort, sondern auch in ihrem eigenen Studio vor nüchternem Hintergrund und macht tatsächlich große Gesichtsaufnahmen, während sie sonst zumeist deutlich auf Distanz ging und Orte um die Gestalten erfand oder Posen.
"Also jeder kennt Fotos von Libovitz: Whoopie Goldberg in der milchgefüllten Badewanne, wo nur ihr Gesicht und ihre Extremitäten dann rausschauen. Und das Interessante an ihr ist, dass sie nicht an dieser Promifotografie hängen geblieben ist, sondern sich eben dann auch immer wieder anderen Themen widmet. Sie war im Kosovo, sie war in Ruanda, was sicher auch mit ihrer Freundschaft zu Susan Sonntag zusammenhängt. Aber sie hat sich eben sozialkritischen Themen oder soziologischen Themen auch immer wieder gewidmet und auch untersucht.
Darüber entsteht natürlich ein bestimmter Fundus, auch noch mal ein Stück weit sich zu distanzieren vom eigenen Arbeiten und sich einer Aktualität zu bedienen. Was sie aber auch ausmacht, und was in der Promifotografie so schön rüberkommt: Sie weiß sich einfach kunsthistorischer Versatzstücke zu bedienen. Sie inszeniert Prominente dann wie ein Magritte-Bild."
Einerseits ist die Suche danach "wie Gesang aussieht" eine Reise zurück zu den Wurzeln der eigenen Arbeit bei der Zeitschrift Rolling Stone, es ist die Reise zurück zu alten Bekannten, zu bekannten Gefühlen, und eben darum steckt auch eine große Portion Trauer in den Bildern. Sie sind ungeschminkter, so als hätte sich die Pose, mit der die Fotografin so gerne gespielt hat, abgenutzt: ernst und entrückt Johnny Cash mit seiner Frau, Lucinda Williams verloren unter einem riesigen Himmel neben der geöffneten Autotür. Dieses Foto erzählt von Ende und Aufbruch, doch ist es kein emphatisches Auf- und Ausbruchsgefühl mehr, kein Versprechen auf Unabhängigkeit und Ungebundenheit.
"On the Road" sind viele dieser Protagonisten der Musikszene schon ein Leben lang. Hotelzimmer, mal luxuriöser, mal schäbiger bilden den ganz alltäglichen Hintergrund eines nomadischen Lebens. Nicht selten sind Hunde die Gefährten der Einsamen - oder nicht minder klassisch: die Gitarre. Nur die ganz jungen wie Eminem werfen sich in nahe liegende Posen: cool und abschätzig.
Service:
Annie Leibovitz: "American Music". Bis zum 2.4.2006 in der Galerie
C/O-Berlin
"Annie Leibovitz hat sich Ende der 90er Jahre noch mal entschlossen, zu ihren Wurzeln zurückzukehren, und hat sich dann eben 1999 entschieden, die Musik, also den Ursprung ihres fotografischen Daseins, dem noch mal nachzuspüren - und hat dann eine große Reise durch Amerika gemacht. So ist eben dann die Ausstellung auch strukturiert. Sie fängt an im Mississippi Delta, im schwarzen Amerika, und reist dann so durch das Land, also Blues, Country and Folk, Jazz und dann eben hier in der jüngeren Etage Rock und Pop und Hip Hop.
Sie hat also praktisch ihre alten Kontakte übers Rolling-Stone-Magazin wieder aktiviert und ist auf die Leute zugegangen und hat gesagt: Ich mach jetzt diese Serie "American Music". Ich untersuche ein Land. Ich will wissen - das ist auch so ein Zitat - wie Gesang oder wie Singen aussieht. Sie will auch so einem Gefühl nachspüren. Und ich glaube, dass darüber auch was ganz Eigenes entsteht."
Mit schäbigen Familienfotos, Kabelsalat auf Bühnen, der uramerikanischen Choreografie von Posaune, Trompete, Bass und Schlagzeug bedient sich Annie Leibovitz aus einem historischen Fundus. Sie kennt den Blick der amerikanischen Dokumentarfotografie auf das Land, sie kennt die Klischees aus der Welt der Mode und des Pop: die Pelze als Insignien des Erfolgs, der Schminkraum hinter der Bühne als Ort des Übergangs, der mit Glitter geschönte Tourbus. Gleichzeitig setzt sie unterschiedliche Strategien ein: fotografiert nicht nur vor Ort, sondern auch in ihrem eigenen Studio vor nüchternem Hintergrund und macht tatsächlich große Gesichtsaufnahmen, während sie sonst zumeist deutlich auf Distanz ging und Orte um die Gestalten erfand oder Posen.
"Also jeder kennt Fotos von Libovitz: Whoopie Goldberg in der milchgefüllten Badewanne, wo nur ihr Gesicht und ihre Extremitäten dann rausschauen. Und das Interessante an ihr ist, dass sie nicht an dieser Promifotografie hängen geblieben ist, sondern sich eben dann auch immer wieder anderen Themen widmet. Sie war im Kosovo, sie war in Ruanda, was sicher auch mit ihrer Freundschaft zu Susan Sonntag zusammenhängt. Aber sie hat sich eben sozialkritischen Themen oder soziologischen Themen auch immer wieder gewidmet und auch untersucht.
Darüber entsteht natürlich ein bestimmter Fundus, auch noch mal ein Stück weit sich zu distanzieren vom eigenen Arbeiten und sich einer Aktualität zu bedienen. Was sie aber auch ausmacht, und was in der Promifotografie so schön rüberkommt: Sie weiß sich einfach kunsthistorischer Versatzstücke zu bedienen. Sie inszeniert Prominente dann wie ein Magritte-Bild."
Einerseits ist die Suche danach "wie Gesang aussieht" eine Reise zurück zu den Wurzeln der eigenen Arbeit bei der Zeitschrift Rolling Stone, es ist die Reise zurück zu alten Bekannten, zu bekannten Gefühlen, und eben darum steckt auch eine große Portion Trauer in den Bildern. Sie sind ungeschminkter, so als hätte sich die Pose, mit der die Fotografin so gerne gespielt hat, abgenutzt: ernst und entrückt Johnny Cash mit seiner Frau, Lucinda Williams verloren unter einem riesigen Himmel neben der geöffneten Autotür. Dieses Foto erzählt von Ende und Aufbruch, doch ist es kein emphatisches Auf- und Ausbruchsgefühl mehr, kein Versprechen auf Unabhängigkeit und Ungebundenheit.
"On the Road" sind viele dieser Protagonisten der Musikszene schon ein Leben lang. Hotelzimmer, mal luxuriöser, mal schäbiger bilden den ganz alltäglichen Hintergrund eines nomadischen Lebens. Nicht selten sind Hunde die Gefährten der Einsamen - oder nicht minder klassisch: die Gitarre. Nur die ganz jungen wie Eminem werfen sich in nahe liegende Posen: cool und abschätzig.
Service:
Annie Leibovitz: "American Music". Bis zum 2.4.2006 in der Galerie
C/O-Berlin