Porträt Zwirbeldirn

Die Avantgarde der Volksmusik

Menschen sitzen um Tische auf Bänken und Schunkeln, Frauen tragen Dirndl
Schunkeln auf dem Oktoberfest: Volksmusik gilt bei vielen Menschen als "doofe Musik". © dpa/picture alliance/Robert Schlesinger
Von Georg Gruber · 23.10.2014
Zwirbeldirn sind drei singende Frauen, Anfang 30, an Geige und Bratsche, begleitet von einem Bassisten. Die Band spielt Volksmusik abseits der "Musikantenstadl"-Pfade.
So klingt "Zwirbeldirn": wild und anarchisch, aber durch den bayerischen Gesang und die eingängigen Melodien doch auch irgendwie vertraut. Schwer zu etikettieren – passt ihnen das Label "Volksmusik"?
Maria Hafner: "Ja, ich würd das schon so nennen. Wir spielen viel aus Handschriften, aus alten Tanzmusikhandschriften, und nehmen aber alles mit ins Repertoire auf, was uns irgendwie taugt. Das können auch irgendwelche Popnummern oder Blues sein, keine Ahnung, was uns irgendwie unter die Finger kommt und uns gefällt, wird unsers."
Evi Keglmaier: "Volksmusik ist natürlich ein schwieriger Begriff, wir haben natürlich auch sehr viel darüber gesprochen in den letzten Jahren und ich kenne wenige Begriffe, die so viele verschiedene Bedeutungen haben: Man hat halt den Kommerzscheiß, der im Fernsehen kommt, sag ich mal, und es gibt die sogenannte "neue Volksmusik", dann gibts Leute, die ihre Volksmusik mit x schreiben. Jeder versucht so seine Nische in diesem Begriff zu finden und das ist so vielfältig und trotzdem bezeichnen wir das, was wir machen als Volksmusik. Wir sind aber die Guten."
Zwirbeldirn gibt es seit 2007, zuerst waren das nur Evi Keglmaier, Maria Hafner und Beatrix Wächter, alle drei spielen Geige und Bratsche, später kam der Bassist Simon Ackermann dazu. Beatrix Wächter stammt aus München, die anderen vom Land, aus Kleinstädten in Nieder- und Oberbayern, Straubing, Landshut, Wasserburg am Inn. Evi Keglmaier hat erst in München zur Volksmusik gefunden, Maria Hafner wuchs damit auf:
"Mein Vater spielt Akkordeon und hat uns quasi irgendwie so nacheinander Instrumente in die Hand gedrückt und seit ich so 14 bin, hab ich damit eigentlich mein Geld verdient. In Niederbayern ist es auch nicht so krass klischeemäßig wie in Oberbayern, das muss man auch sagen, das Bild, das nach außen geht, ist immer dieses oberbayerische Bild von Bayern und der Volksmusik. Und das ist in Niederbayern, wie ich das erfahren habe, echt anders! ich hatte da nie ein Dirndl an, es ging immer ums auswendig spielen, es war immer Tanzmusik und es ging immer um Unterhaltungsmusik. Und da sind wir bestellt worden zu Geburtstagen, ganz viel Hochzeiten gespielt, wo es die Leute einfach geschätzt haben, dass da jetzt nicht eine Band kommt, die eine Anlage aufbaut, sondern da wird akustisch gespielt und da kann man sehr gut auf Stimmungslagen von den Leuten eingehen."
Die neue Volksmusik wird auch in Clubs gespielt
Und das macht Zwirbeldrin auch heute: Unterhaltungsmusik, im besten Sinne, am liebsten unverstärkt. Der alpenländische Rahmen ist dabei weit gesteckt: Auf der neuen CD Jabitte, die live im Studio eingespielt wurde, sind neben einem Jodler Stücke, die sie im Volksmusikarchiv gefunden und überarbeitet haben, Melodien aus Brasilien und Rumänien, ein Knödel-Werbesong aus den 50er-Jahren, ein amerikanischer Blues.
Evi Keglmaier: "Wir haben jetzt für die neue cd ein Lied gecovert von Freunden von uns, das haben wir schon gecovert, bevor es überhaupt rauskam. Und das war aufgezogen wie so ein altes Wienerlied und fängt ganz beschaulich und nett an, und handelt aber letztendlich vom alten DJ, der mittlerweile leider nicht mehr so kann, wie er gerne würde, so die ganze Nacht durchfeiern. Und dann schaut er halt den jungen Mädels auf der Tanzfläche zu und lächelt versonnen, aber kann halt irgendwie einfach nicht mehr mitmachen. Und dieser Bruch zwischen alt und neu ist etwas, was uns immer wieder sehr gefällt. Also ich glaube, so Lieder haben wir mehrere."
Beatrix Wächter hat noch eine Halbtagsstelle im öffentlichen Dienst, als Klavierstimmerin. Die anderen leben von der Musik und spielen nebenbei noch in weiteren Projekten, dort dann auch noch andere Instrumente, Evi Keglmaier Tuba, Maria Hafner Akkordeon. Auch das ein Zeichen dafür, wie lebendig und vielfältig die neue Volksmusikszene inzwischen ist, die in Wirtshäusern, auf kleinen und größeren Bühnen und auch in Clubs zu hören ist.
"Es hat eine Zeit gegeben, so in den 80er-Jahren, wo die Musikanten regelmäßig aus den Wirtshäusern geflogen sind. Weil da war einfach Bayern 3 gefragt, oder amerikanische Musik, oder was auch immer. Eigentlich, bei der Generation über uns, hieß es, das geht ja überhaupt nicht, was wir da machen. Anfangs ging das überhaupt nicht, weil Volksmusik war immer die Musik, die irgendwie noch an der Nazizeit geklebt ist. Und ich glaub wir sind jetzt wieder eine Generation, die relativ frei damit umgehen kann. Das fällt mir auch immer wieder auf, dass es so Leute gibt, die so in den 70er-Jahren groß geworden sind, die sagen: Im Leben hätte ich keine Volksmusik gehört, geschweige denn gemacht. Das war so ein no-go und uns wirds jetzt wieder erlaubt."
Maria Hafner: "Ne, wir nehmen uns wieder die Freiheit. Erlauben tuts mir keiner, ich machs halt einfach."
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