Porträt-Serie zur US-Wahl (2/6)

Warum auch Latinos Trump wählen

Antonio Nova vor seinem Pickup
Antonio Nova hat lange Zeit die Demokratische Partei gewählt. Bis sich Barack Obama für die gleichgeschlechtliche Ehe ausgesprochen hat. © Deutschlandradio/ Nana Brink
Von Nana Brink |
Antonio Nova stammt aus Guatemala und ist seit zehn Jahren US-Bürger. Sein amerikanischer Traum hat sich erfüllt: eigene Firma, eigenes Haus, die Tochter wird Ärztin. Nun hat er Angst, das Erreichte zu verlieren.
"Mein amerikanischer Traum ist es, meine Familienwerte zu bewahren. Mein Name ist Antonio Nova und ich arbeite in meiner eigenen Firma, baue und renoviere Häuser."
Mit einem Satz springt Antonio Nova aus seinem grauen Geländewagen und grüßt die Kollegen auf der Baustelle. Er grinst und haut auf die Kühlerhaube. Der Wagen ist fast doppelt so groß wie er. Gebraucht, aber wie neu. Das "Business" steht noch nicht drauf, sagt er, aber das kommt bald: "Nova Construction". Antonio schiebt die Mütze in den Nacken und zieht mit seinen schwieligen, rauen Händen ein paar Fotos aus der Brusttasche. Seine Firma, sein Haus, seine Tochter - sein amerikanischer Traum.
"Mein amerikanischer Traum? Nun, ich habe meine eigene Firma, mein eigenes Haus, und Freiheit, außerdem geht meine Tochter zur Schule."
Antonio lebt mit seiner Frau in einem Vorort von Reading in Pennsylvania. Ein kleines, altes Holzhaus in einem Arbeiterviertel. Was ihm ein bisschen peinlich ist. Die Wände des Wohnzimmers sind voll von Fotos des Nova-Clans: Babys, Omas, Tanten, Onkels, Cousins und Cousinen. Vor 20 Jahren ist Antonio Nova in die USA geflüchtet, aus Guatemala, einem Land, das ihm und seiner jungen Frau keine Perspektive geboten hat. Er hat Asyl beantragt, sein "Business" gegründet, zehn Jahre später ist er US-Amerikaner. Und überzeugt: Seiner Tochter wird es einmal besser gehen als ihm.
"Sicher, 100 Prozent, wenn sie sich weiter auf ihre Ausbildung konzentriert und keine Fehler macht, dann hat sie eine bessere Chance. Sie studiert jetzt Medizin und wird Ärztin, - das ist das Wichtigste für mich."

Gleichgeschlechtliche Ehe hält Antonio für schlecht

Antonio Nova vor seinem Pickup
Antonio Nova ist stolz auf das, was er erreicht hat. © Deutschlandradio/ Nana Brink
Antonio strahlt über das ganze Gesicht: Ausbildung ist alles! Er tut sich heute noch schwer mit dem Schreiben, aber seine Tochter wird Ärztin! Ein amerikanischer Traum wie ihn Hundertausende Latinos im industriell geprägten Nordosten der USA leben. In Städten wie Reading stellen sie schon über 50 Prozent der Bevölkerung.
"Ich bin mehr Amerikaner jetzt, aber ich habe Wurzeln, wie das Essen, die Familienwerte, ich liebe dieses Land, ich liebe die USA, ich sehe mich selbst als Amerikaner. Aber zuhause sprechen wir Spanisch, ich habe meine Sprache behalten, es ist bei uns zuhause verboten, Englisch zu sprechen."
Englisch spricht Antonio fast nur mit seinen Auftraggebern. Für eine Offizierswitwe renoviert er gerade den Keller und - richtet ihr noch das Fernsehprogramm ein. Man kommt ins Plaudern über die Politik und - Antonio legt ein überraschendes Bekenntnis ab.
"Ich war lange Zeit Demokrat, aber seit Obama gewählt worden ist, gehen die Familienwerte den Bach herunter, das ganze Land. Ich glaube an die Ehe, und er hat die gleichgeschlechtliche Ehe befürwortet. Das war falsch nach meiner Überzeugung, ich bin Christ. Ich bin nicht gegen Homosexuelle. Sie können ihr Leben leben, aber eine gleichgeschlechtliche Ehe ist falsch, das berührt die Familienwerte."
Antonios Gesicht wird plötzlich sehr ernst, als er seinen Handwerkskoffer packt und zurück zu seiner Baustelle fährt.

"Trump ist der beste Mann, mit dem Du Geschäfte machen kannst"

Wie viele seiner Kollegen - konservative Latinos - will auch Antonio diesmal Donald Trump wählen, trotz seiner abfälligen Bemerkungen über Frauen und seine Landsleute.
"Ich kenne Leute, die für Trump gearbeitet haben und ich habe sie gefragt, er ist der beste Mann, mit dem Du Geschäfte machen kannst, er ist fair und geradeaus, und er beschäftigt viele Hispanics, er behandelt sie gut. Viele nennen ihn Hitler und einen Rassisten, aber schau' doch auf seine Familie, er hat wunderbare Kinder! Ein Rassist könnte Kinder nicht so erziehen."
Antonio Nova, geboren in Guatemala und erst seit zehn Jahren US-Amerikaner, findet es gut, dass Trump die Grenzen gegen Migranten aus dem Süden sichern will. Er war zwar selber einer, aber er hat inzwischen etwas zu verlieren. Seine Existenz, seinen amerikanischen Traums. Jetzt will er sich abgrenzen. Antonio guckt entschlossen und findet: Trump hat recht, wenn er die illegale Immigration stoppen will. Und er fügt hinzu: Deshalb bin ich doch kein Rassist.

Was ist noch übrig vom amerikanischen Traum? Deutschlandradio Kultur-Reporterin Nana Brink hat diese Frage US-Amerikanern aus allen Bevölkerungsschichten gestellt. Sendedatum: 24.-29.10.2016 in unserer Sendung Studio 9

Unsere sechsteilige Reihe im Überblick:

Zu Besuch bei einem Trump-Fan (1/6)
Was ist Ihr amerikanischer Traum, Colin Powell? (3/6)
Wo der amerikanische Traum stillsteht (4/6)
Weiß, Mittelklasse, Clinton-Wähler (5/6)
Hier ist der amerikanische Traum zerplatzt (6/6)