Porträt

Frieden schaffen mit Kinderwaffen

Viele bunte Luftballons.
Luftballons sind für manche ein Kinderspaß, für andere ein Mittel zum Kunstwerk © picture alliance / ZB
Von Gerhard Richter · 20.01.2014
Wenn Clowns zum Luftballon greifen, wird meistens ein Pudel oder ein Teddybär daraus. Die Künstlerin Sina Greinert erschafft größere Ballonskulpturen, die sich mit politischen Themen auseinandersetzen.
"Der Ballon ist ja erstmal ein Medium und man kann das spielerisch einsetzen, als Kunstform, als ein Teil des Entertainments, aber man kann damit auch friedenspolitische Botschaften übermitteln."
Sina Greinert ist 33 Jahre alt, schlank und hat lange blonde Haare.
"In Sarajewo, mein erstes größeres Projekt, das hieß Deconstruction of Monument. Da haben wir mit 15 Kunststudenten an der Kunsthochschule mit Ballons eine große Skulptur gebaut. Die monumental groß war, aber durch die Vergänglichkeit des Materials die Monumentalität unterwandert hat."
Bei dem Projekt in Sarajewo entstand eine riesige Hand, ein Stoppzeichen gegen Korruption in Bosnien-Herzegowina.
"Diese Schnittstelle von Kunst und Politik hat mich jeher interessiert."
In Bremen, Breslau und Berlin studiert Sina Greinert Politikwissenschaft. Sie verbringt Auslandsemester in Spanien, Ecuador, Brüssel, Bosnien.
"In Bosnien hab ich tatsächlich eine Arbeit geschrieben, über Kunst im öffentlichen Raum als Ansatz ziviler Konfliktbearbeitung."
Auf dem Holzfussboden ihrer Hamburger Altbauwohnung steht - zwischen schwarzem Ledersofa und Bücheregal - ein Kompressor. Unentbehrlich für große Skulpturen. Dafür muss Sina Greinert tausende Ballons aufpusten.
Künstlerische Arbeit fast ohne Schlaf
"Also ich sehe immer zu, dass mir Menschen auch dabei helfen, vor allem beim Aufpumpen. Und das machen wir sogar meistens oft zu dritt. Einer reicht den Ballon, einer pustet ihn auf die dritte knotet ihn zu. "
Aus langen dünnen Ballons knotet sie ein Gerüst, in den Lücken pustet sie runde Ballons auf. So entstehen voluminöse Gebilde, die sehr stabil sein können.
"Es geht soweit, dass ich einmal im Cafe Moskau in Berlin ein Sofa gebaut habe aus Luftballons gebaut habe, auf das man sich tatsächlich setzen konnte."
Eine große Skulptur zu bauen ist immer ein Rennen gegen die Zeit, denn:
"Die Ballons sollen ja schön und frisch aussehen. Je länger man wartet, desto mehr verlieren sie ihren Glanz, diese Spiegelungen, und darum bauen wir Ballonskulpturen oft in wenigen Tagen, zwei drei Tagen und dann oft die Nächte durch, mit wenig Schlaf, damit sie dann zum richtigen Zeitpunkt fertig ist."
Drinnen hält eine Ballonskulptur bis zu drei Wochen, draußen in der Sonne oft nur einen Tag, oder ein paar Stunden. Dann welken die Ballons wie Blumen. Die größte Skulptur hat Sina Greinert in Sarajewo gebaut, eine Pyramide aus achttausend Luftballons, sieben Meter hoch. Eine Energieleistung.
"Wir saßen da mit mehreren Leuten eine Woche dran. Das war sehr viel Arbeit, aber auch ganz toll: Man ging in die Pyramide hinein und das Licht kam von außen, und alle Wände leuchteten in den Farben des Regenbogens. "
Klingt wie ein Kindheitstraum. Tatsächlich hat Sina Greinert schon früh Ballons geknotet. in Bad Oeynhausen, wo sie geboren und aufgewachsen ist. Mit acht kauft sie sich ein paar Ballons, eine Pumpe und ein Buch mit Anleitungen.
Luftballons in der deutschen Botschaft
"Der Teddybär, der Schwan und der Hut. Dann konnte ich alle Figuren des kleinen Buches und hab mich dann nicht weiter interessiert, auch weil einzelne Ballons in Spielwarengeschäften auch sehr teuer sind. Da musste man schon fast sparen als achtjährige. Aber ich bin damals auch viel Einrad gefahren, hab jongliert und solche Dinge."
2005 sieht sie in einer Berliner U-Bahn zufällig den kanadischen Ballon- Künstler Sean Rooney, der mit zwei mannshohen Ballonmonstern performt.
"Und ich so: Wow, das ist das coolste, was ich je gesehen habe. Ich will das auch können."
Sina Greinert nimmt Sean Rooney einfach zu der Party mit, zu der sie grade unterwegs ist und schon am nächsten Tag begleitet sie ihn bei seinem nächsten Projekt.
Seitdem trägt sie der Luftballon durchs Leben. In Hamburg hat sie zwar noch einen Job als Beraterin für kreative Berufe, sie selbst verwirklicht sich aber in ihren eigenen bunten Gebilden. Party-Dekos, Kleider oder Protestsymbole. Und gern auch anderswo:
"Ja ich freu mich immer, wenn mir die Ballons ermöglichen zu reisen. Ich war zum Beispiel in Macau, dort fand eine Art Karneval der Kulturen statt, wo wir auch Kostüme gemacht haben, mit zwanzig Jugendlichen. Einmal war ich in der Sahara in El Ajoun, auf einem Frauenrechtsfestival, das war auch sehr spannend, weil auch Frauen aus allen arabischen Ländern da waren und auch aus Schwarzafrika und ich."
Das spielerische Element nimmt den Themen die Schwere. Vielleicht hat deshalb die deutsche Botschaft in Warschau Sina Greinert gebucht, eine Spass-Skulptur zu bauen, prall gefüllt mit einem nationalen Anliegen:
"Deutschland dankt den osteuropäischen Zivilgesellschaften, dass sie den Weg zum deutschen Mauerfall geebnet haben."
Sina Greinert baut eine Mauer aus Ballons und lädt die Warschauer dazu ein, sie gemeinsam platzen zu lassen. Statt historisch ernstem Mauerfall – ein lustig verspielter Mauerknall.
"Ich dachte, dass wären hauptsächlich Kinder, die da am Nachmittag Lust haben, so eine Ballonmauer kaputt zu machen, aber ganz im Gegenteil, das waren sehr viele Menschen über sechzig, die sich dann an der Performance beteiligt haben."
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