Porträt einer Islamismus-Aussteigerin

"Mein Horizont ist sehr eng gewesen"

Das Wort "Salafist" steht auf einem Buch geschrieben.
Das Wort "Salafist" steht auf einem Buch geschrieben. © picture alliance / dpa / Christoph Schmidt
Von Ita Niehaus · 02.05.2017
Als Teenager konvertierte sie zum Islam: Allmählich wurde sie zur radikalen Salafistin, die auf Facebook sogar dazu aufrief, Nicht-Muslime zu töten. Warum das geschehen konnte, ist für die junge Frau heute - nach ihrem Ausstieg - nur noch schwer nachzuvollziehen.
"Die Videos, die im Internet verbreitet werden, da hat man dann Bildmaterial mit Untertiteln, die sehr suggestiv wirken. Die haben mich auf jeden Fall sehr stark involviert. Es gab eine Phase, da konnte ich mir das wirklich vorstellen. Ja, ich muss auswandern. In den Dschihad. Ich wollte schon wirklich in den Kampf ziehen."
Der Weg in den islamistischen Extremismus begann bei Steffi wie bei vielen anderen Jugendlichen auch - über soziale Medien und das Internet:
"Für mich waren alle Muslime gleich. Da habe ich keine Unterschiede gemacht. Dann habe ich um die hundert Leute in meinem Account gehabt, und da waren eben auch Leute drunter, die eher radikal eingestellt waren."
Ein Mann schaut sich eine Internetseite über den sogenannten 'Islamischen Staate' an. Insbesondere durch das Internet als Plattform für Extremisten radikalisieren sich heute junge Menschen.
Internet und Soziale Medien spielten auch bei der Radikalisierung von Steffi die entscheidende Rolle.© imago / Reporters

Am Anfang steht ein Moscheebesuch

Steffi heißt eigentlich anders. Doch die 27 Jahre alte Frau möchte ihren richtigen Namen nicht nennen. Mit 15 fing sie an, sich für den Islam zu interessieren. Der Vater einer Klassenkameradin lud Steffi in eine Moschee ein. Schon bald konvertierte die frühere Messdienerin. Sie lernte zu beten, begann im Koran zu lesen und Kopftuch zu tragen. Im Laufe der Jahre wollte Steffi mehr wissen über ihre Religion. Im Netz machte sie sich auf die Suche und landete über Facebook schnell bei der dschihadistischen Gruppe "Millatu Ibrahim", auf Deutsch "Gemeinschaft Abrahams".
"Das war mir nicht bewusst. Dann habe ich halt unterschwellig die Dinge bejaht, die dort geposted und geliked wurden, teils Videos. Das habe ich immer mehr akzeptiert für mich."
Die Schülerin war fasziniert von Millatu Ibrahim, wollte dazugehören. Und irgendwann begann auch sie bei Facebook gegen Nicht-Muslime zu hetzen, rief sogar dazu auf, sie zu töten:
"Man hat einfach nicht mehr die Möglichkeit, frei zu entscheiden nachher. Mein Horizont ist sehr eng gewesen, ich konnte wirklich nur noch in eine Richtung denken. Mein Ex-Mann, der hat ja kaum gebetet, war sehr liberal eingestellt und das hat denen nicht gepasst. Auf Grund dessen sollte ich ihn verlassen, nach Afghanistan gehen und dort einen Mudschahid heiraten."

Schwierige Beziehung zu den Eltern

Soweit kam es dann doch nicht. Doch viele "alte" Freundschaften gingen in die Brüche. Die Beziehung zu den Eltern war immer schon schwierig gewesen. Von Anfang an hatten sie kein Verständnis für ihren Übertritt zum Islam. Auch als Steffi immer radikaler wurde, griffen sie nicht ein:
"Meine Eltern, die haben mich gemobbt, sie waren keineswegs um mich besorgt. Die haben mich die ganze Zeit angegriffen. Den Islam beleidigt, den Koran beleidigt, die Muslime beleidigt."
Der Ausstieg aus der Szene ist immer ein langer schwerer Prozess, sagen Experten. Steffi hat den Ausstieg geschafft. Fast fünf Jahre ist das nun her. Erste Zweifel tauchten bei ihr während eines Seminars der mittlerweile verbotenen Gruppe Millatu Ibrahim auf. Prediger priesen die Vorzüge des Paradieses und warnten vor den Kuffar, den Ungläubigen:
"Das hat mich dann auch stutzig gemacht, weil ich mir etwas Lehrreicheres von dem Seminar erhofft habe. Nicht, dass man die ganze Zeit über den Tod spricht oder dass ich mir das ganze Gesicht verschleiern soll."

Das Kopftuch reichte nicht aus

Sie trug ein Kopftuch. Doch das reichte den voll verschleierten Frauen von Millatu Ibrahim nicht. Sie warfen Steffi vor, zu wenig über den Islam zu wissen, eine Spionin zu sein:
"Die meldeten das oben den Männern. Und dann standen nachher Denis Cuspert, Ibrahim Abou Nagie und noch jemand vor der Tür und fragten mich, ob ich die aus Facebook sei. Und da habe ich ja gesagt. Die meinten dann, das wäre eine Spionin oder Journalistin. Da habe ich nein gesagt und die meinten, wir müssten hier sehr vorsichtig sein und so weiter."
Screenshot vom 04.11.2014 eines auf Twitter veröffentlichten Fotos zeigt den früheren Berliner Rappers und Radikalislamisten Denis Cuspert (alias Deso Dogg bzw. Abu Talha al-Almani).
Ein Screenshot eines auf Twitter veröffentlichten Fotos zeigt den Radikalislamisten Denis Cuspert.© picture alliance/dpa
Als Steffi nach Hause kam, stellte sie fest, dass Lügengeschichten über sie bei Facebook kursierten und sie von sämtlichen Facebook- Accounts entfernt worden war:
"Das war dann für mich der Entschluss, dass ich gesagt habe, bis hier und nicht weiter. Denn, habe ich mir überlegt, wie kann das denn eigentlich sein? Das ist ja gar nicht der Islam, die Religion, die ich gesucht habe."

In Zukunft Aufklärungsarbeit leisten

Bis zum endgültigen Ausstieg dauerte es dann noch ein halbes Jahr:
"Als ich so tief drin war, wäre es unmöglich gewesen, mich da heraus zu holen. Dann hätte ich das als Angriff verstanden. Der richtige Zeitpunkt, mich an die Hand zu nehmen wäre gewesen, als ich mich schon in der Gruppe befunden habe. Allerdings noch ganz am Anfang."
Es fällt Steffi heute schwer, nachzuvollziehen, dass sie in die salafistische Szene abgleiten konnte. Der Glaube spielt keine große Rolle mehr in ihrem Leben. Sie macht ihr Fachabitur, will danach studieren. Und später vielleicht einmal in der Prävention arbeiten:
"Weil ich aufklären möchte. Das ist einfach nur Gewalt, die da über die herrscht. Und die meisten Menschen schaffen es nicht von selbst da raus."
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