Andrea Weisbrod: Madame de Pompadour und die Macht der Inszenierung
Aviva Verlag, Berlin 2014
180 Seiten, 19,90 Euro
Die Ratgeberin des Königs
Jeanne-Antoinette de Pompadour war eine der mächtigsten Frauen ihrer Zeit. Sie lebte als Mätresse des französischen Königs Ludwig XV. Die Historikerin Andrea Weisbrod beschreibt sie als Politikerin und geschickte Strategin.
Jeanne-Antoinette Poisson, Dame Le Normant d'Étiolles, Marquise de Pompadour, Duchesse de Menars, - kurz Madame de Pompadour - , war eigentlich nur eine Mätresse des französischen Königs Ludwig XV. Sie starb vor genau 250 Jahren. Um ihre Person und ihre Geschichte ranken sich jedoch zahlreiche Legenden; geblieben sind die Relikte der zeitgenössischen Faszination indessen fast ausschließlich in der eher seichten Unterhaltung. Auffallend ist die Zurückhaltung seriöser Biografen.
Umso verdienstvoller, dass die Kunsthistorikerin Andrea Weisbrod, die sich schon in ihrer Dissertation mit Madame de Pompadour beschäftigte, nun ein vom Volumen her überschaubares wie übersichtliches Buch über Madame de Pompadour vorgelegt hat. Der Kniff: Andrea Weisbrod erzählt die Geschichte der berühmten Mätresse anhand von acht Porträts, die drei verschiedene Maler im Zeitraum von 20 Jahren schufen. Dabei sind ebenso die berühmten, üppigen Gemälde des Hofmalers Francois Boucher wie delikate Pastelle von Maurice-Quentin Delatour - beide bekannte Künstler des Rokoko -, aber auch eine Allegorie, die man bislang nicht der Pompadour zugeordnet hätte.
Das allein wäre nur für Kunstfreunde interessant, die in den Bildern der französischen Maler mehr lesen wollen als bloßes Décor. Weisbrod jedoch will mehr: Sie zeigt die Geschichte der Porträts als eine Abfolge von Szenen im Theater der Macht. Sie enthüllt die verschiedenen Strategien einer ehrgeizigen jungen Frau, in die Nähe des Königs zu kommen, sich mit ihm zu verbinden und sich an der Spitze des zunehmend instabilen Staates mit zu behaupten. Dazu ist Jeanne-Antoinette d'Etiolles aber nicht jedes künstlerische Mittel recht - Madame kämpfen, um im Bilde zu bleiben, mit dem Florett, nicht mit dem Säbel.
In einer gänzlich unaufgeregten, immer sachdienlichen Sprache analysiert Andrea Weisbrod die Bilder und damit die subtilen Strategien eines weiblichen Aufstiegs in der Mitte des 18. Jahrhunderts. Das reicht von frühen Bildern der Ergebenheit zu den Bildern der mittleren Jahre, als sich "die Pompadour" als Förderin der Künste und der Philosophie sogar mit einigen noch indizierten Büchern der Aufklärer darstellen lässt, bis hin zu einem melancholischen späten Porträt, in dem die Marquise einen abgebrochenen Jasminzweig in den Blick des Betrachters hält: Wir sterben alle, sagt der Zweig, er gilt als Memento mori-Zeichen.
Rastlose diplomatische Umtriebigkeit
Dabei führt Andrea Weisbrod auch die enorme Anstrengung vor Augen, derer es bedurfte, um einen wankelmütigen, offenbar eher schwachen König bei Laune zu halten und eine ganze Schar von Günstlingen zu befriedigen - und gleichzeitig die notorischen Kritikaster aus der Kirche zumindest im Griff zu behalten. Der Dame Pompadour gelingt eine Anpassungsleistung par excellence. Durch ihre rastlose diplomatische Umtriebigkeit wird sie bald auch als Ratgeberin des Königs sowie als Adressatin zumal ausländischer Diplomaten unentbehrlich. Allerdings: Mit der Pompadour war Ludwig XV. keineswegs immer gut beraten: Im Siebenjährigen Krieg (1756 - 1763) beeinflusste ihn seine Mätresse, die Bündnispartner zu wechseln.
Die Folge waren weitreichende Gebietsverluste für Frankreich (unter anderem in Kanada) und verlustreiche Schlachten in Europa. Die zum Teil desaströsen politischen Fehleinschätzungen der Mätresse kritisiert Weisbrod aber nicht einmal indirekt. Wenn überhaupt, bemängelt sie die immer noch allgemeine Überzeugung, mit der Befreiung von Korsett und Hofprotokoll hätten die Frauen um 1770 auch insgesamt mehr Freiheit erlangt: Mit dem Einzug des "Privaten" in der aufkommenden Welt des Bürgertums sei vielmehr auch der Rahmen für die Frauen auf den Rahmen des Hauses beschränkt worden. Weisbrod liest die Schriften von Diderot und Rousseau auch daraufhin noch einmal genau, und kritisiert deren Frauenfeindlichkeit, die ihr absurd erscheint, zumal die Herren Denker "ihre Ideen überwiegend in den Pariser Salons von höchst gebildeten Frauen entwickelten und am Tropf einflussreicher Gönnerinnen wie Madame Pompadour hingen."
Sonst aber ist Kritik Weisbrods Sache nicht. Ein unaufgeregter, sachlicher Ton, der manchmal allzu passivisch daherkommt, kennzeichnet das Buch. Das macht das Buch aufgeräumt und übersichtlich - ist aber auch ein bisschen schade, weil Weisbrod ihre zahlreichen, zum Teil originellen Entdeckungen nicht weiter hervorhebt und diese im gleichmäßigen Fluss des Textes leicht untergehen können. Für das kleine, auch ausgezeichnet illustrierte Buch über "Madame de Pompadour" könnte man schon ein bisschen lauter die Sprachtrompete blasen.