Porträt des Schriftstellers als Egozentriker

Ein Schriftsteller, der einen Schriftsteller zum Romanhelden macht - das verheißt nicht zwingend prickelnde Lektüre, obgleich man auch dankbar dafür sein kann, wenn sich Schriftsteller Themen zuwenden, von denen sie etwas verstehen. Ralf Rothmann hat darin Erfahrung: Wie schon sein Prosaerstling "Messers Schneide" (1986) kreist sein neuer Roman "Feuer brennt nicht" um die Schreib- und Alltagspraxis eines in Berlin lebenden Autors.
Wolf heißt dieser im Literaturbetrieb angesehene Mann von 50 Jahren. Er und seine deutlich jüngere Freundin Alina, die er Ende der 1980er Jahre als junge Buchhändlerin nach einer Lesung kennenlernte, beschließen, ihre angestammte Kreuzberger Existenz aufzugeben und im Osten Berlins, in Friedrichshagen, erstmals in ihrer bereits 17 Jahre währenden Beziehung eine gemeinsame Wohnung zu beziehen.

In der für Rothmann so typischen, immer wieder ironisch gebrochenen Mischung aus Beobachtung und Reflexion entfaltet der Roman drei Erzählebenen mit einer wenig spektakulären Gegenwartshandlung und mehreren Rückblenden.

Zum einen ist "Feuer brennt nicht" die Geschichte einer Liebe, die nicht nur durch die neue Erfahrung unbekannter Alltagsnähe zu zerbrechen droht, sondern vor allem durch Wolfs aufgewärmte Affäre mit Charlotte, einer renommierten Professorin, deren sexuelle Experimentierfreudigkeit er als "Wellness"-Programm empfindet.

Zum anderen seziert der Roman das Innenleben eines egozentrischen, mäßig sympathischen Mannes, der - das kennt man - körperliche Treue von emotionaler getrennt wissen will und kein Sensorium mehr dafür besitzt, was seine Freundin Alina umtreibt.

Und nicht zuletzt demonstriert "Feuer brennt nicht", wie ein West-Berliner Paar, das die DDR "nie wirklich wahrgenommen" hat, sich auch etliche Jahre nach der Wende schwer tut, mit den vermeintlich "stets missgelaunt aussehenden Menschen" im noblen Friedrichshagen zurechtzukommen.

Manchmal überfrachtet Rothmann seinen Roman dadurch ein wenig, vor allem wenn er zudem Aphorismen und Reflexionen über die Funktion des "Kunstwillens" und - ein bewusst anti-proustscher Einschlag - der "Erinnerung" einstreut oder die alternde Großschriftstellercharge Richard Sander auf die Erzählbühne bittet.

Aufs Ganze gesehen überzeugt "Feuer brennt nicht" - der Titel verweist auf einen Lektoratseinwand der kritischen Leserin Alina -, sobald sich Rothmann auf seine Fähigkeit besinnt, aufmerksam sinnlich aufgeladene Momente zu beschreiben ("auch wenn ... das Brettchen, auf dem man frische Pilze schneidet, nachher aromatischer riecht als die Pilze selbst"), und die Drastik der nicht wenigen Sexszenen dazu nutzt, die Verlorenheit von Wolf und Charlotte in Bilder zu fassen. Ganz grandios sind Ralf Rothmann die letzten zehn Seiten seines Romans geglückt, ein Schluss, der Alina, die scheinbar Verständnisvolle, aus dem blinden Fleck ihres Partners heraustreten lässt, ein letztes Mal.

Rezensiert von Rainer Moritz

Ralf Rothmann: Feuer brennt nicht
Roman, Suhrkamp Verlag, Frankfurt a.M. 2009
305 Seiten, 19,80 Euro