Popmusiker vs. Konzertfotografen

Dann eben ohne Promi auf dem Titelblatt

Eine in blaues Licht getauchte Bühne mit einem Schlagzeug, vor dem zwei Mikrofone stehen.
Nicht alle Zeitungen akzeptieren die harten Bedingungen, die manche Stars an Pressefotografen stellen. © dpa picture alliance/ Peter Kneffel
Von Christoph Möller · 20.06.2017
Die Kings of Leon, Rihanna und Bob Dylan haben eins gemeinsam: Sie haben bei Konzerten in Deutschland Pressefotografen mit ihren rigiden Fotoverträgen abgeschreckt. Welches Problem haben Künstler mit Profifotografen, die von ihren Konzerten berichten?
Etwas war ungewöhnlich - letzten Dienstag im Großraum Darmstadt. Drei Lokalausgaben des Darmstädter Echos, seit über 70 Jahren verlässliche Informationsquelle in der Region, erscheinen ohne Foto auf der Titelseite:
"Aufgrund vertraglicher Bestimmungen, die wir nicht bereit sind zu akzeptieren, erscheint hier kein Foto vom Konzert der Kings of Leon in der Hessentagsarena. Wir bitten um Verständnis."
Was ist passiert? Geplant war ein Bild vom Auftritt von Kings Of Leon beim Hessentag. Ein mehrtägiges Landesfest, dieses Jahr in Rüsselsheim. 8000 Besucher. Vor Ort: ein Fotograf der Echo-Zeitungen.
" ... der dann, ohne dass wir da vorher hätten mit rechnen können, mit unserer Ansicht nach nicht tragbaren Arbeitsbedingungen konfrontiert worden ist."
Lars Hennemann, Chefredakteur vom Darmstädter Echo, findet das unfair. Der Fotograf sollte einen Vertrag unterschreiben. Der kam vom Management der Band, war auf Englisch und nur in einfacher Ausfertigung vorhanden. Darin stand:
"Wir dürften das Bild oder die Bilder, die wir verwenden, jeweils nur ein einziges Mal, nur für die gedruckte Ausgabe benutzen. Wir dürften sie nicht archivieren. Und online verwenden durften wir sie auch nicht."
Für Hennemann, der selbst vom Konzert berichtet hat, ein deutlicher Eingriff in die unabhängige Musikberichterstattung:
"Das ist absolut ein Eingriff in die Pressefreiheit. Wir haben das einfach so empfunden, wir kriegen da einen Dolch auf die Brust gesetzt, friss oder stirb. Wir haben beschlossen, nichts zu fressen, gestorben sind wir aber auch nicht. Wir haben uns dann abends um elf zusammengesetzt und haben gesagt, okay, so nicht. Dann drucken wir dann halt eine weiße Fläche."

Personen der Zeitgeschichte müssen mit Fotos leben

Das Darmstädter Echo ist nicht die erste Zeitung, die verärgert ist über Fotoverbote bei Konzerten, und sich so drastisch dagegen positioniert. "Spiegel Online" durfte Rihanna bei einem Konzert in Hamburg nicht fotografieren und veröffentlichte stattdessen ein selbstgekritzeltes Bild, wie Rihanna ausgesehen haben könnte. "Lächerlich" findet die Neue Osnabrücker Zeitung das rigide Fotoverbot bei einem Konzert von Bob Dylan in Lingen.
Grundsätzlich hat jede Person ein Recht am eigenen Bild und darf eine Veröffentlichung verbieten. Populäre Künstler wie Bob Dylan, Rihanna oder Kings Of Leon gelten aber als Personen der Zeitgeschichte. Sie müssen damit leben, dass ihre Fotos veröffentlicht werden, sagt der Berliner Medienanwalt Jan Simon:
"Das ist jetzt nicht irgendeine Coverband, die auf irgendwelchen Dorffesten spielt, sondern die Kings Of Leon kennen schon sehr viele Leute. Und vor allem, es ist ja auch anlassbezogen, wenn sie ein bestimmtes Konzert haben, wie jetzt hier in dem Fall, gibt es ja ein Berichterstattungsinteresse. Und da ist es natürlich dann schon erstmal so, dass eigentlich die Band auch damit leben muss, dass da Fotos gemacht und veröffentlicht werden."
Eigentlich. Denn dieses Recht kann durch einen Vertrag, wie den in Rüsselsheim, eingeschränkt werden. Manchmal macht das Sinn. Künstler wollen womöglich nicht, dass während des ganzen Konzerts geknipst wird, und erlauben Fotos nur bei den ersten drei Songs. Das ist üblich:
"Hier scheint es mir aber tatsächlich so, dass die Pressefreiheit ein bisschen über Gebühr beeinträchtigt wird und möglicherweise auch gesagt werden könnte, das ist vielleicht nicht wirksam."

Pressefotografen als einzige noch zu kontrollieren?

Per se ließe sich das aber nicht sagen. Es kommt auf den Einzelfall an. Auch Simon bewertet den Vorfall als Einschränkung der Pressefreiheit. Die kreative Reaktion der Zeitung?
"Finde ich auf jeden Fall sehr charmant, persönlich. Weil man natürlich auch so ein bisschen das Gefühl hat, das ist jetzt aber meine persönliche Meinung, dass das natürlich auch irgendwie ein bisschen affig wird in bestimmten Situationen. Finde ich einen guten Ansatz, um das zu kritisieren."
Sowieso ein bisschen sonderbar, dass Profifotografen keine Fotos machen dürfen, wo doch Hunderte Fans verwackelte Bilder und Videos nach jedem Konzert per Smartphone ins Netz stellen.
Die Pressefotografen scheinen die einzigen Bilderzeuger zu sein, die die Bands überhaupt noch kontrollieren können. Sie, und natürlich die Leser der Zeitung, leiden am Ende unter der übertriebenen Darstellungssucht der Stars.
Lars Hennemann, auch nach dem Eklat noch "Kings Of Leon"-Fan, findet die Entwicklung bedenklich:
"Ich weiß nicht, ob das ein Trend ist, aber die Leons waren kein Einzelfall. Das ist eine Unsitte, die immer weiter um Sich greift. Gerade in diesem Bereich."
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