Popkomm profitiert vom Umzug nach Berlin

Moderation: Maja Ellmenreich · 14.09.2005
Der Umzug der Musikmesse Popkomm von Köln nach Berlin vor einem Jahr hat sich nach Ansicht der Direktorin der Popkomm, Katja Bittner, bewährt. Die Kontakte zur Politik seien besser geworden, sagte Bittner am Mittwoch im Deutschlandradio Kultur.
Ellmenreich: Katja Bittner von der Popkomm. Guten Morgen.

Bittner: Guten Morgen.

Ellmenreich: Frau Bittner, alles Friede Freude Eierkuchen, alle Sorgen vergessen, die die Popbranche in den letzten Jahren in die Knie gezwungen hat?

Bittner: Ich glaube, das wäre ein bisschen voreilig gesagt. Aber grundsätzlich muss man doch feststellen, dass gerade eine Veranstaltung wie die Popkomm ja genau dafür da ist und dafür genutzt wird, damit hier neue Business-Modelle diskutiert werden können, hier neue Wege gegangen werden können, wie die Musik an den Konsumenten kommt. Und bei der Geschäftigkeit, die hier auf der Messe herrscht, die auch im vergangenen Jahr schon herrschte, sieht man doch, dass da eine Menge Gesprächsbedarf ist und dass da eine Menge eingetütet wird, was der Branche helfen wird, in der Zukunft auch wirklich nur noch schwarze Zahlen zu schreiben.

Ellmenreich: Eintüten - sprich Geschäfte machen?

Bittner: Genau.

Ellmenreich: Wirtschaftsminister Wolfgang Clement eröffnet ja heute die Popkomm. Warum eigentlich nicht Kulturstaatsministerin Christina Weiss?

Bittner: Na ja, nun gut. Die Musikbranche ist natürlich in beiden Sektoren sehr wichtig. Sie ist im Kulturbereich ein unheimlich wichtiger Sektor aber auch wirtschaftlich. Denn letztendlich geht es hier auch um den Verkauf von Musik. Und auch im Wirtschaftssektor politisch muss die Musik an Bedeutung gewinnen, um hier auch entsprechende Rahmenbedingungen feststellen zu können, damit Rechtediskussionen für die neuen Verwertungsmöglichkeiten, für die neuen Möglichkeiten, Musik zu konsumieren im Online-Bereich, auch festgesetzt werden. Und dafür ist natürlich für uns wichtig, politisch dafür eine Awareness zu schaffen. Und da haben wir uns für Clement entschieden. Der hat ja auch im letzten Jahr schon eröffnet.

Ellmenreich: Politik, das große Stichwort. Grund für den Umzug von Köln nach Berlin war unter anderem auch die Nähe zur Bundespolitik. Sind die Kontakte denn besser geworden?

Bittner: Ja, man merkt schon ganz deutlich, hier auf dem Kongress gibt es so einige Politiker-Workshops, also das sind zum Teil Closed Shops, wo einige Vertreter aus den politischen Bereichen miteinander diskutieren. Was andersherum die Nähe zu der Politik bedeutet, ging ja nicht nur ins Nationale, sondern hier in Berlin sitzen alle Botschaften. Die Beteiligungen auf der Popkomm gehen viel aus von dem Musikexportbüros der verschiedenen Länder. Die arbeiten wiederum mit ihren Botschaften hier gemeinsam und bekommen dadurch natürlich auch eine ganz andere, stärkere politische Unterstützung für die Beteiligung an der Popkomm in ihrem eigenen Land.

Ellmenreich: Sieben von zehn Ausstellern, also 70 Prozent kommen auch aus dem Ausland. Was ist denn los in Deutschland, mit der Popbranche in Deutschland, warum nicht mehr Aussteller aus Deutschland?

Bittner: Das ist natürlich eine Sache, an der wir noch stark arbeiten müssen. Man darf nicht vergessen, wir kommen aus Köln mit einem Konzept und mit einem Image der Popkomm in Köln, die die Branche hier national stark geprägt hat. Und da haben wir noch einige Überzeugungsarbeit zu leisten, dass die Popkomm nicht mehr eine Partyveranstaltung ist, sondern wirklich tagsüber für Geschäfte genutzt wird. Und ich denke, es ist einfach der beste Weg, hier wirklich die Internationalität zu pushen, um dadurch auch wieder den nationalen Markt hierher zu bringen.

Das Interessante ist ja schon, dass die Leute, die aus dem nationalen Markt hier sind, die haben ja vor allen Dingen ganz starkes Interesse an den internationalen Gästen, um ihre internationalen Netzwerke auszubauen. Und jeder, der in einem nationalen Musikgeschäft hier in Deutschland arbeitet, hat ja nicht automatisch auch was mit ausländischen Kontakten zu tun.

Ellmenreich: Wir haben jetzt so viel über Märkte gesprochen, über Geschäfte machen. Wenn man sich die panels auf dem Kongress mal anschaut, da geht es um Digital Music, um Mobile Music, um Klingeltöne. Da hat man irgendwie den Eindruck, dass doch die Musik fast ausschließlich als Wirtschafts- und Handelsgut betrachtet wird. Wo bleibt denn eigentlich die Diskussion über die Musik selbst?

Bittner: Der Kongress selber ist ja nicht unbedingt da, um über die Musik selbst zu diskutieren. Hier sind ja Fachleute da. Und diese Fachleute erwarten, von einem Popkomm-Kongress mit gesteigerten Know-how nach Hause zu fahren. Das bedeutet, sich vor allem in diesen neuen Wertschöpfungsketten, in den neuen Vermarktungsmöglichkeiten zu schulen, um dort mit weiteren Kontakten nach Hause zu fahren, um entsprechend auch ihr Geschäft in der Zukunft anzupassen. Die Musik selber, ich finde auch, man muss nicht wirklich nur um den Grundsatz Musik diskutieren, sondern die Musik selber soll man ja erleben, man soll sie ja spüren können. Und das passiert abends in den Clubs.

Ellmenreich: Da hört man dann das, was aber ja schon auf CDs gebrannt ist. Also kreative Impulse gehen dann also nicht aus, sondern wir können als Besucher der Popkomm das hören, was bereits schon in den Geschäften zu kaufen ist?

Bittner: Nicht unbedingt. Also, zum Teil schon, aber zum größten Teil - und da spreche ich bestimmt von 80 Prozent - sind es Künstler hier auf der Popkomm, die wahrscheinlich schon in ihren eigenen Ländern oder viele davon ihren eigenen Ländern sehr bekannt sind. Und die gibt es eben noch nicht hier in Deutschland zu kaufen. Denn diese Künstler haben den border breaker - wie man so schön sagt - noch nicht geschafft, das heißt also, ihren Bekanntheitsgrad über ihre eigenen Landesgrenzen hinaus zu streuen. Und dafür wird die Popkomm genutzt. Denn hier stellen sie sich den Medien vor, sie stellen sich den Fans vor, sie stellen sich der Fachbranche vor, wo sie dann wiederum Kontakte knüpfen können mit einem Label, mit einem Verlag, mit einem Vertrieb oder einem Promoter und Tonmanager hier in Deutschland, der eben dafür sorgt, dass eben diese tolle Band aus Portugal hier auch in Deutschland auf dem Markt platziert werden kann.

Ellmenreich: Also ein Markt, auf dem mit Musik gehandelt wird. Deutschland ist ja für andere Musikländer ein interessanter Exportmarkt. Das heißt also, dass deutsche Musikfans vorzugsweise Musik aus Großbritannien, aus Skandinavien, aus Frankreich gerne hören. Vor knapp zwei Jahren wurde German Sounds - ein deutsches Musikexportbüro - gegründet. Konnte Deutschland aufrüsten?

Bittner: Definitiv. Diese Institution German Sounds ist das, was wir hier in Deutschland ganz, ganz, ganz dringend nötig haben. Und wir hängen da echt hinterher. Das muss man leider wirklich so feststellen. Wir haben es jetzt seit zwei Jahren - Gott sei Dank - endlich. Aber andere Länder, wie Frankreich zum Beispiel arbeitet mit einem Exportbüro schon seit zehn Jahren. Und wenn man sich dann mal anschaut, wie erfolgreich französische Musik außerhalb Frankreichs ist, dann können wir hier nur hoffen, dass wir das in spätestens hoffentlich auch noch weiteren acht Jahren genauso erreicht haben.

Ellmenreich: Was kann man sich denn abgucken von Frankreich? Was machen die besser, wo sind die cleverer in welchen Punkten?

Bittner: Ich denke, in Frankreich hat grundsätzlich innerhalb der gesamten Kulturpolitik des eigenen Landes ein Umdenken stattgefunden. In Deutschland ist es doch noch so, dass die Musik weder im Kulturbereich, noch im Wirtschaftsbereich wirklich einen festen Platz hat. Es wird immer so ein bisschen hin und her jongliert. Die Kultur sagt: Ja, Musik toll, Fördermittel für den E-Musikbereich auch immer da, Unterhaltungsmusik eher gesehen als Kommerzialisierung - also eher doch nicht Kultur und Kunst. Auf der anderen Seite, wenn es denn der Kommerz ist, wo findet es denn in der Wirtschaft statt?

Also, es ist hier einfach noch nicht wirklich klar genug in den Köpfen drin, dass wir unser eigenes Musikkulturgut natürlich auch nach draußen transportieren müssen und wollen. Und dafür muss es einfach viel mehr Rahmenbedingungen geben. In Frankreich, weiß ich selbst, gibt es die Radioquote. Das heißt aber nicht, dass man hier einfach eine Radioquote einführen soll. Sondern hinter dieser Radioquote in Frankreich stehen ja noch ganz viele andere Systeme, die Künstler unterstützen in ihrer Arbeit, die Künstler bei ihren Touren supporten und so weiter. Also es ist ein riesengroßes Netzwerk, was da entstehen muss.

Ellmenreich: Katja Bittner, die Direktorin der Popkomm - heute geht sie los, die 17. Popkomm - Sie haben im letzten Jahr, als die Popkomm zum ersten Mal in stattgefunden hat, nach vielen Jahrgängen in Köln, da haben Sie, Frau Bittner, gesagt: Die Popkomm in Berlin ist die Geburt eines neuen Kindes. Wie hat sich denn dieses Kind entwickelt?

Bittner: Es ist in der Tat so, das Kind hat sich prächtig entwickelt. In Anbetracht schwieriger Zeiten ist es wirklich enorm. Wir können hier einen Ausstellerzuwachs verzeichnen von fast 130 Ausstellern. Das ist wirklich sagenhaft. Und wir freuen uns darüber ganz, ganz doll. Denn nach wie vor ist der Musikmarkt zwar an einem Punkt, wo es weitergeht, wo man also merkt, wie Ralf Klein schon sagte, da ist wirklich Licht im Tunnel, man hat das Tal verlassen. Aber der Boom hat jetzt noch nicht eingesetzt.

Und dass man hier auf der Messe schon so deutlich spürt, dass alles hier herströmt, um genau daran teilzuhaben und das voranzutreiben, das tut natürlich der Entwicklung der Popkomm unheimlich gut. Und all das, was auch gerade in der Branche passiert, passiert auf der Popkomm. Denn wir sind ja nichts anderes als ein Spiegelbild der Branche.

Ellmenreich: Pop ist also weiterhin nicht nur Musik, sondern auch ein Lebensgefühl?

Bittner: Genau. Pop steht ja bei uns im Namen Popkomm nicht für Popmusik, das merkt man ja auch bei unserem Festival, da ist ja von Metal über Rock und Funk alles vertreten. Pop steht eher für populär und komm für Kommunikation. Deswegen haben wir hier zum ersten Mal auch den Klassikbereich dabei, denn hier geht es darum, wirklich Musik zu verkaufen, mit Musik zu handeln und Musik in seiner Entstehung zu fördern mit all den kleinen und mittelständischen Unternehmen, die jeden Tag daran arbeiten, neue Künstler aufzubauen. Und das passiert in allen Bereichen, und all das gehört auf die Popkomm.

Ellmenreich: Und das passiert ab heute, denn heute beginnt sie in Berlin die 17. Popkomm. Das war Katja Bittner, die Popkomm-Direktorin im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur. Ich danke Ihnen.