Pop-Rock

Abgründe einer verlassenen Seele

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Cover des Albums "Ghost Stories" von Coldplay © Parlophone Label Group
Von Jutta Petermann  · 20.05.2014
Viva la Vida - es lebe das Leben, das war einmal. Heute heißt es bei Coldplay "Ghost Stories" - also Geistergeschichten. Denn all das schöne im Leben sind nur noch Gespenster aus der Vergangenheit.
Der liebeskummergebeutelte, frisch von seiner Frau getrennte Chris Martin singt davon, wie er sich fühlt. Die Musik ist entsprechend zerbrechlich.
Nur weil man gerade von seinem Partner getrennt ist, muss man ja nicht in sich gekehrt sein. Das Ende einer Beziehung verarbeitet jeder auf seine Art und Weise. Chris Martin folgt der Devise: Millionen sollen es hören. Im Stück "True Love" singt der Brite seine Noch-Ehefrau Gwyneth Paltrow an: "Sag mir, dass Du mich liebst oder lüge mich jedenfalls an".
Selten hat ein Mann seine Wunden derart offenbart, man schaut in seine Seele wie durch Glas. So geht es fast das gesamte Album. Er lässt die Welt im Song "Always in my Head" daran teilhaben, dass er pausenlos an sie denkt oder in "Ink", dass sich die beiden einst ein Tattoo mit der Inschrift "gemeinsam durchs Leben gehen zu wollen" hatten stechen lassen.
Trennungsschmerz
Man kann das gruselig finden, sich dermaßen zur Schau zu stellen, es steckt aber System dahinter. Es geht um bewusste Bewältigung, der 37-Jährige überwindet seinen Trennungsschmerz. Im Schlusstitel "O", da singt Martin davon, dass man eben keinen Ansprüche an die Ewigkeit stellen kann. Mitleid muss man also nicht mit ihm haben, aber man kann bei diesen meditativen, zarten, fragilen Klangsphären aufs Schönste mitleiden.
Beim ersten Hören kommen diese Klangsphären noch etwas lahm rüber und die geisterhaft-verhallte Atmosphäre mit mysteriösen Frauenstimmen oder Chören im Hintergrund doch recht erwartbar. Doch dieses schmerzlich Verwunschene entfaltet beim wiederholten Hören überraschende Dimensionen und offenbart nicht nur im Stück "Midnight" spannungsvoll-sphärische Abgründe einer verlassenen Seele.
Coldplay liefern mit "Ghost Stories" zwar nicht ihr Meisterwerk ab, aber ein Album, das wegen der zurückgenommenen Haltung im stilistisch wechselvollen Œuvre der Band einen Sonderplatz einnehmen dürfte.
Label: Parlophone Label Group