Pom Poko: "Cheater"

Jazz-Punks auf Adrenalin

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Pressebild der Band Pom Poko.
"Cheater" von Pom Poko steht mit seiner lebensfrohen Energie der Stimmung der winterlichen Lockdown-Monate diametral gegenüber, hätte aber zu keiner passenderen Zeit erscheinen können. © Jenny Berger Myhre
Von Jessica Hughes · 13.01.2021
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Der quirlig punkige Stil der norwegischen Band Pom Poko hat seinen Ursprung im Jazz. Mit ihrem fulminanten Sound und einer spielerischen Lust am Absurden zeigen die Musiker dem frustrierenden Coronawinter lachend den Mittelfinger.
Die Musik auf "Cheater", dem neuen Album der norwegischen Band Pom Poko, klingt wie eine Achterbahnfahrt. Hinter jeder Kurve wartet eine neue Überraschung: Verzerrte Gitarrenriffs treffen auf zuckersüße Melodien, Tempo- auf Rhythmuswechsel. Ein echter Adrenalinkick für jeden Avant-Pop- und Math-Rock-Fan.
Musikalisches Vorbild ist unverkennbar die US-Band Deerhoof. Die Ursprünge von Pom Poko liegen allerdings nicht im Rock.

Es begann beim Jazzstudium in Trondheim

Kennengelernt haben sich drei der vier Bandmitglieder vor fünf Jahren beim Jazzstudium in Trondheim. Ihr quirlig punkiger Stil hat mit Jazz mehr zu tun, als man auf den ersten Blick vermuten würde: Sowohl Improvisation als auch handwerkliches Geschick spielen für die Songs eine entscheidende Rolle und führen trotz minimalistischer Besetzung mit Gitarre, Bass und Schlagzeug zu einem fulminanten Sound.
"Wir jammen zusammen, und es kann ein sehr ermüdender Prozess sein. Denn wir spielen so lange weiter, bis uns eine Passage richtig gut gefällt. So erarbeiten wir uns jeden Teil eines Songs. Es ist ein intensiver Prozess, aber so funktionieren wir. Es ist, als würden wir mathematische Gleichungen musikalisch umsetzen."
Im Song "Baroque Denial" scheinen Instrumente und Gesang rhythmisch gegeneinander zu spielen, um sich schließlich wieder im Einklang zu verbünden. Hörgewohnheiten werden hier ad absurdum geführt und auf den Kopf gestellt.

"Einfach frei heraus"

Der Albumtitel "Cheater" – übersetzt "Mogler" – beschreibt ganz gut diese forsche Haltung des Quartetts aus Oslo. Ragnhild Fangel, die eigentlich ausgebildete Jazzsängerin ist, empfindet ihre Rolle bei Pom Poko als befreiend:
"Ich singe, wie ich spreche und so, wie ich mich energetisch fühle. Ich bin ganz natürlich und versuche nicht, extra schön zu klingen. Ich singe einfach frei heraus wie ein Kind in der Schule."
In den Anfangstagen der Band improvisierte Fangel ihre Texte vollständig in einer Art Fantasiesprache. Mittlerweile schreibt sie Lyrics, die vor allem von Traumszenen inspiriert sind. Das Absurde und sprunghaft Assoziative passt gut zur Musik der Band.
Das hindert sie aber nicht daran, auch mal konkreter zu werden. Im Titelsong geht es zum Beispiel darum, sich als Frau nicht unterkriegen zu lassen und die eigenen Ziele zu verfolgen. Selbst wenn das bedeutet, vielleicht auch mal zu "cheaten".

Lebensfrohe Energie in Punkmanier

Auch im Song "Like A Lady" räumen Pom Poko mit begrenzenden Gendervorstellungen auf und erinnern an den aufgeweckten und gut gelaunten Sound von Rrriot-Girl-Bands wie Le Tigre aus den 90er-Jahren. Nerdiger Math-Rock und machohafte Rockposen werden hier nicht nur musikalisch, sondern auch inhaltlich dekonstruiert.
"Cheater" von Pom Poko steht mit seiner lebensfrohen Energie der Stimmung der winterlichen Lockdown-Monate diametral gegenüber, hätte aber zu keiner besser passenden Zeit erscheinen können: Mit seinem turbulenten Sound weckt das Album fast vergessene Energien und verschafft der emotionalen Achterbahnfahrt, die viele von uns in diesen Tagen durchleben, ein Ventil.
Dem Frust, so viel ist klar, zeigen Pom Poko in guter Punkmanier auf diesem Album den Mittelfinger.
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