Polizeiwissenschaftler Rafael Behr

"Fahndungsvideos im Internet sind kein Allheilmittel"

Eine Frau geht in Berlin zur U-Bahnstation Schönleinstraße.
Im Berliner U-Bahnhof Schönleinstraße sollte der Obdachlose angezündet werden. © dpa/Paul Zinken
Rafael Behr im Gespräch mit Anke Schaefer · 27.12.2016
Einen schnellen Erfolg brachte die Veröffentlichung von Überwachungsvideos nach dem Angriff auf einen Obdachlosen in Berlin: Sechs der sieben Tatverdächtigen stellten sich. Der Polizeiwissenschaftler Rafael Behr sieht die Fahndungsmethode dennoch kritisch.
Die sieben Jugendlichen, die in der Weihnachtsnacht auf einem Berliner U-Bahnhof versucht haben, einen Obdachlosen anzuzünden, sind in Polizeigewahrsam. Nachdem die Polizei Überwachungsvideos von den Tatverdächtigen veröffentlicht hatte, stellten sich sechs von ihnen, einer wurde von der Polizei verhaftet.

Sozialer Druck auf die Täter wird erhöht

Trotz dieses Erfolgs hält der Polizeiwissenschaftler Rafael Behr von der Akademie der Polizei Hamburg die Internetfahndung für eine zweischneidige Sache. Positiv schlägt ihm zufolge zu Buche, dass dadurch der soziale Druck auf die Täter erhöht werde, sich zu stellen:
"Denn sie können sich nicht mehr ihrer Anonymität sicher sein, und das ist ja ein Erkennungsmerkmal dieser Straftaten im öffentlichen Raum, dass man etwas durchaus spontan möglicherweise tut und sich dann in die Anonymität wieder zurückzieht."

Kaum präventive Wirkung

Hingegen taugt die Öffentlichkeitsfahndung offenbar nicht, um Straftaten zu verhindern. "Ein Affekttäter wird sich nie von etwas abhalten lassen, wenn er etwas im Affekt tun will", betonte Behr.
Für problematisch hält der Polizeiwissenschaftler auch, dass solche Bilder einen "Jagdeffekt" bei den Bürgern auslösen können. "Noch haben wir diese Situation nicht, aber bei einer weiteren Verbreitung dieser Fahndungsform ist damit durchaus zu rechnen", warnte Behr.
"Das ist ja das Problem der Laienfahndung, dass viele Menschen sich dann in einen Zustand bringen, wo sie denken, den Richtigen zu haben. Das war ja nach dem Attentat in Berlin auch der Fall."
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