Politologin zu Jugendkrawallen

"Kritik von Leuten, die sich nicht anders artikulieren können"

06:18 Minuten
Symbolbild: Ein brennender Einkaufswagen auf der Strasse.
Wenn die Sicherungen durchbrennen – wer sich sozial vernachlässigt fühle, greife zu physischer Gewalt, sagt Ulrike Guérot zur Erklärung von Jugendkrawallen. © Getty / Moment RF
Ulrike Guérot im Gespräch mit Alexander Moritz · 20.07.2020
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Die Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot sieht den Gewaltausbruch in Frankfurt in Zusammenhang auch mit "struktureller Gewalt“. Wer sich sozial vernachlässigt fühle, greife zu physischer Gewalt. Das sei ein altes Thema, meint sie.
Samstagnacht vor der Oper in Frankfurt: Mehrere tausend Jugendliche und junge Erwachsene stehen zusammen, feiern, trinken Alkohol. Manche pöbeln, schmeißen Mülltonnen um.

Als die Polizei eine Schlägerei beenden will, greifen einige aus der Menge die Polizistinnen und Polizisten an. Sie schmeißen Flaschen, demolieren Polizeifahrzeuge.
Nach Aussage des Frankfurter Polizeipräsidenten Gerhard Bereswill sind die Tatverdächtigen "überwiegend polizeilich bekannt" sein. Sie seien zwischen 17 und 23 Jahre alt und hätten überwiegend Migrationshintergrund.

Wer sich vernachlässigt fühlt, greift zu Gewalt

Die Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot, sieht den Gewaltausbruch in Frankfurt in Zusammenhang auch mit "struktureller Gewalt".
Wer sich sozial vernachlässigt fühle, greife zu physischer Gewalt. Das sei ein altes Thema und sozialwissenschaftlich umfassend erforscht, meint sie. Auch in Frankfurt könnte es so gewesen sein.
"Gewalt ist sozusagen die artikulierte Form von Kritik von Leuten, die sich anders nicht wehren oder artikulieren können."
Wenn junge Menschen keine Perspektive auf einen Job, Familie, Kinder und ein normales Leben hätten, dann gebe es einfach ein Aggressionspotential in Gesellschaften. Dies sei ein Phänomen, das in Deutschland aber nicht ausschließlich mit dem Thema "Migrationshintergrund" zu erklären sei.

Soziale Spaltung im Stadtbild

Guérot schlägt vor, Wohngebiete stärker sozial zu durchmischen. Sie könne sich noch an Bebauungspläne aus früheren Jahrzehnten erinnern. Hochhäuser standen neben Einfamilienhäusern.
"Wir spalten Gesellschaften inzwischen auch architektonisch, und das halte ich für ein Problem", so die Politikwissenschaftlerin.
(huc)
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