Politologin zu Corona-Folgen

"Aufpassen, dass die Italiener sich nicht allein gelassen fühlen"

13:10 Minuten
Menschenleerer Straßenzug in der italienischen Hauptstadt Rom: Wegen der Coronakrise ist das öffentliche Leben zum Erliegen gekommen.
Menschenleerer Straßenzug in der italienischen Hauptstadt Rom: Wegen der Coronakrise ist das öffentliche Leben zum Erliegen gekommen. © Vera Shcherbakova/TASS/dpa
Jana Puglierin und Theo Geers im Gespräch mit Korbinian Frenzel · 13.03.2020
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In der Coronavirus-Krise will die deutsche Regierung den Unternehmen mit unbegrenzten Kreditprogrammen helfen. Sehr viel kritischer stellt sich die Lage in Italien dar. Die Politologin Jana Puglierin mahnt europäische Solidarität mit der italienischen Wirtschaft an.
Angesichts des sich ausbreitenden Coronavirus wünscht sich die Politologin Jana Puglierin mehr Zusammenhalt der europäischen Länder. "Es spricht nichts dagegen, Italien in dieser Krise zur Seite zu stehen", sagt sie in unserem Programm. "Wir müssen wirklich aufpassen, dass die Italiener sich nicht allein gelassen fühlen."
Anders als Deutschland leide Italien ohnehin schon unter einer massiven Staatsverschuldung. Im Vergleich dazu könne Deutschland geradezu aus dem Vollen schöpfen.

Die Politikwissenschaftlerin Jana Puglierin leitet die deutsche Zweigstelle des außenpolitischen Think Tanks European Council on Foreign Relations in Berlin. Ihr Forschungsschwerpunkt liegt auf europäischer Sicherheitspolitik und transatlantischen Beziehungen.

© DGAP / Dirk Enters
In einem Rekordtempo hat am Freitag der Bundestag über einen Gesetzentwurf für ein erleichtertes Kurzarbeitergeld abgestimmt. Damit soll der drohende Verlust von Jobs abwendet werden.
Zudem will die Bundesregierung den Unternehmen mit unbegrenzten Kreditprogrammen helfen. Über einen drastisch erhöhten Garantierahmen bei der Staatsbank KfW könnten nach Angaben von Wirtschaftsminister Peter Altmaier eine halbe Billion Euro zur Verfügung gestellt werden.

Rekordsummen zur Stützung der Wirtschaft

"Das sind alles Dinge, die waren vor ein paar Tagen schlicht undenkbar", sagt Theo Geers, Wirtschaftskorrespondent im Hauptstadtstudio des Deutschlandradios. Das zeige, wie dramatisch im Moment die Lage ist. "Es ist ein Ausnahmezustand, gesellschaftlich, politisch, aber auch langsam wirtschaftlich." Die so genannte schwarze Null - also ein ausgeglichener Haushalt - sei überhaupt kein Thema mehr. Im Grunde stünden unbegrenzte Mittel aus den Milliarden-Überschüssen der vergangenen Jahre zur Verfügung.

Theo Geers ist seit 2012 Berliner Korrespondent für die Programme des Deutschlandradio - Themen-Schwerpunkt: Wirtschaft und Finanzen.

Auch über die Verstaatlichung von strategisch wichtigen Unternehmen werde in der Regierung nachgedacht. "Die will man auf keinen Fall in die Pleite entlassen. Das sind alles Dinge, die vor ein paar Tagen schlicht undenkbar waren", so Geers.
Auf europäischer Ebene hatte sich EZB-Chefin Christine Lagarde gestern hingegen noch nicht entschlossen, notfalls unbegrenzt Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank zu kaufen. Dieses Zögern hatte insbesondere in Italien für Unruhe an der Börse gesorgt.
Angesichts der sehr unterschiedlichen wirtschaftlichen Situation und der damit verbundenen Probleme innerhalb der EU sei Augenmaß geboten, mahnt Politologin Puglierin. "Man muss gucken, was davon erfordert europäische Antworten und vielleicht auch europäische Solidarität, und was davon kann man auf nationaler Ebene lösen."
(huc)
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Der "Corona-Kulturtipp" aus unserer Sendung mit Jana Puglierin vom Berliner Büro des European Council on Foreign Relations: Die Klavierkonzerte des Pianisten Igor Levit, die dieser seit Donnerstag jeden Abend im Livestream auf Twitter anbieten will.
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