Politologe zur Kritik an EU-Aufbauplan

"Kurz ist getrieben von heimischen Populisten"

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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), vor einem Bildschirm, auf dem Frankreichs Präsident Emmanuel Macron per Video zu einer Pressekonferenz zugeschaltet ist.
Besprechung per Videoschalte: Kanzlerin Merkel und Frankeichs Präsident Macron wollen gemeinsam gegen die Coronakrise vorgehen. © Kay Nietfeld/dpa-Pool/dpa
Michael Koß im Gespräch mit Korbinian Frenzel · 20.05.2020
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Zoff in der EU wegen Corona: Vier Länder rebellieren gegen den Merkel-Macron-Plan, der Finanzhilfen von 500 Milliarden Euro vorsieht. Dabei wäre der Plan eine echte Chance, die Union politisch weiter zu einen, meint der Politologe Michael Koß.
Die Coronakrise wird die Länder der EU in eine Rezession stürzen - da ist man sich weitgehend einig. Wie Europa die aber schultern soll, darüber wird gerade heftig gestritten. Kanzlerin Merkel und Frankreichs Präsident Macron wollen, dass die EU Finanzhilfen in Höhe von 500 Milliarden Euro zur Verfügung stellt - wogegen allen voran Österreich, aber auch die Niederlande, Dänemark, Schweden nun jedoch protestieren.

Kanzler Kurz getrieben von Populisten

Dass sich Österreichs Kanzler Sebastian Kurz in der Debatte als Sprachrohr der Sparer auftritt, kommt für den Politologen Michael Koß wenig überraschend. "Ich glaube, er ist wie die drei anderen Regierungschefs getrieben von heimischen Populisten." Mehr noch als die anderen habe er es sich zur Aufgabe gemacht, "dem Affen höchstpersönlich Zucker zu geben und das Ressentiment gegen 'Geld für andere', gegen Solidarität noch stärker zu bedienen".

Besondere Maßnahmen für besondere Zeiten

Dass die Kanzlerin beim Thema Finanzhilfen eine Kehrtwende gemacht habe, kann Koß hingegen nachvollziehen. Bei der Coronakrise handele es sich um eine besondere Situation, die anderen Herausforderungen wie der ökonomischen Disparität des Euro oder der anhaltenden Migrationsbewegung hinzukomme. "Es ist ja nicht so, als wäre bei den beiden anderen Krisen jetzt alles auf Standby." Insofern bräuchten besonderen Zeiten besondere Maßnahmen, sagte Koß mit Blick auf den Merkel-Macron-Plan: "Ich sehe auch das jetzt tatsächlich für die politische Union, die man bei einer gemeinsamen Währung braucht."

Verbreitung der Pandemie war nicht vorhersehbar

Bei der Eurokrise habe man sich darauf berufen können, dass die ökonomische Fehlentwicklung selbst verschuldet sei, so Koß. Des gelte aber nicht für die Verbreitung einer Pandemie. "Italien wurde nun mal als erstes getroffen - aber bestimmt nicht, weil die eine direkte Zugverbindung nach Wuhan hatten oder so." Es handele sich um äußere Umstände, die nicht gesteuert und auch anderso hätten passieren können. "Ischgl hätte auch in Bayern liegen können - und vor dem Hintergrund denke ich, dass das auch zu rechtfertigen ist."
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