Politologe über Österreich nach "Ibiza"

"Strache ist bundespolitisch kein Faktor mehr"

05:45 Minuten
Heinz Christian Strache (FPÖ) während einer Pressekonferenz zur Zukunft der Koalition nach dem Veröffentlichen des "Ibiza - Videos" am Samstag, 18. Mai 2019 im Bundeskanzleramt in Wien.
Heinz-Christian Strache nach Veröffentlichung des Videos, das seine politische Karriere vorerst beendete. © picture alliance/APA/Helmut Fohringer
Peter Filzmaier im Gespräch mit Miriam Rossius · 17.05.2020
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Vor einem Jahr brachte ein heimlich aufgezeichnetes Video auf Ibiza den FPÖ-Politiker Heinz-Christian Strache und damit die österreichische Regierung zu Fall. Was hat sich seither politisch bei unseren Nachbar verändert?
Im Mai 2019 sorgte die Ibiza-Affäre um den damaligen FPÖ-Chef und Vizekanzler Heinz-Christian Strache in Österreich für Aufruhr. Ein im Hintergrund aufgezeichnetes Video zeigt Strache im Gespräch mit einer angeblichen russischen Oligarchen-Nichte, mit der der Politiker ins Geschäft zu kommen versuchte: Parteispenden gegen Einfluss. Das kostete Strache seine Ämter und hatte einen Parteiausschluss zur Folge. Es war auch das Ende der österreichischen Regierungskoalition aus ÖVP und FPÖ - die rechtspopulistische FPÖ flog nach Neuwahlen aus der Regierung, die Wählerzustimmung rutschte in den Keller.
Aber "Ibiza" ist noch nicht vorbei: In knapp drei Wochen kommt der Skandal um undurchsichtige Parteispenden in Österreich vor einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Nicht nur der frühere Vizekanzler muss dann erscheinen, sondern auch Bundeskanzler Kurz.

"Die FPÖ ist kaum mehr regierungsfähig"

Welche Auswirkungen hat "Ibiza" auf die österreichische Politik? Wird die FPÖ wieder bundespolitisch mitspielen und hat der Skandal die politische Kultur bereits nachhaltig verändert?
Peter Filzmaier, Professor für Demokratiestudien und Politikforschung an der Donau-Universität Krems, beantwortet beide Fragen klar mit "Nein": Die FPÖ habe so viel an Zuspruch verloren, dass sie "kaum mehr regierungsfähig" sei.
Prof. Peter Filzmaier, Politikwissenschafter .
Prof. Peter Filzmaier © picture alliance/APA/ Hans Punz
Strache, der eigentlich angekündigt hatte, sich aus der Politik zurückzuziehen, sehe zwar nun mit der neu gegründeten Partei Team HC Strache während der Coronakrise eine Chance für sich und melde sich als Hüter der Verfassung und des Rechts zu Wort.
Aber, so Filzmaier: "Das ist nicht nur sprachlich, sondern auch inhaltlich absurd. Er hat natürlich so bessere Wahlchancen, weil er auf die sogenannten Coronaverlierer hoffen kann." Also, auf jene, die sich finanziell durch die Pandemie besonders gebeutelt und benachteiligt sehen.

Keine Besserung der politischen Kultur in Sicht

"Nur sollte man zum jetzigen Zeitpunkt die Kirche im Dorf lassen", sagt der Politikwissenschaftler weiter. Strache kandidiere derzeit nur für die Wiener Regionalwahl im Herbst – und sei "bundespolitisch kein Faktor. Es gibt kein einziges Szenario, dass er die Mehrheitsverhältnisse und damit die Regierungsbildung in der Bundeshauptstadt beeinflusst."
Hinsichtlich eines Wandels der politischen Kultur hin zu mehr Transparenz und Ehrlichkeit zeigt sich Filzmaier alles andere als optimistisch: Von der von allen Parteien angekündigten Transparenzoffensive sei kaum etwas zu spüren. Jede Partei sei sehr kritisch, was das Verhalten der politischen Gegner anbelange – nur in Bezug auf sich selbst werde kaum über Fehler reflektiert, kritisiert Filzmaier.
Auch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hätten alle Skandale in der letzten Zeit wenig anhaben können – und vermutlich werde sich dies nach Kurz' Erscheinen beim Untersuchungsausschuss auch nicht ändern.
(mkn)
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