Politologe über "Aufstehen"-Bewegung

"Protest nicht den Rechtspopulisten auf der Straße überlassen"

Die Linken-Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht.
Sahra Wagenknecht stellt mit Ludger Volmer und Simone Lange (v.r.) die "Aufstehen"-Bewegung vor. © pa/dpa/AP/Sohn
Wolfgang Merkel im Gespräch mit Nicole Dittmer · 04.09.2018
Für Wolfgang Merkel stimmt vieles an der Analyse der linken Sammlungsbewegung "Aufstehen": "Wir sind in vielen Belangen kein gerechtes Land", sagt der Politologe. Die Parteien seien zu statisch gegenüber der Herausforderung Globalisierung.
"Es soll ein Angebot sein, endlich in die Debatte wieder mehr Dynamik hineinzubringen", meint der Politikwissenschaftler vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung nach dem Start der Bewegung mit der Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht, der SPD-Politikerin Simone Lange und dem früheren Grünen-Chef Ludger Volmer. Es gehe darum, den Protest nicht den Rechtspopulisten auf der Straße zu überlassen, sondern selbst konkrete Vorstellungen zu formulieren.

"Repräsentationslücken, die aufgebrochen sind"

"Wir sehen Repräsentationslücken, die aufgebrochen sind. Die haben die Rechtspopulisten gefüllt", sagt Merkel. Wenn eine Bewegung Erfolg haben wolle, dann müsse sie die Diskurse verändern.
Politikwissenschaftler Prof. Dr. Wolfgang Merkel
Der Politikwissenschaftler Wolfgang Merkel© Deutschlandradio / Manfred Hilling
"Dann darf sie die Debatte nicht maßgeblich nur um die Migrationsfrage kreisen lassen, sondern muss Vorschläge machen, wie die Globalisierung auch sozial gestaltet werden kann, wie Einwanderung sozial gestaltet werden kann. All das, was die gängigen Parteien ganz offensichtlich nicht hinreichend abgedeckt haben. Sonst hätten wir nicht eine permanent erstarkende AfD", sagt der Politologe.

"Aufstehen"-Bewegung als "Orchestrierung von oben"

Sahra Wagenknecht an der Spitze der "Aufstehen"-Bewegung ist für den Politologen eine "charismatische Figur" mit einer "intellektuellen Brillanz". "Das Problem sehe ich nur, dass Bewegungen eigentlich die Idee haben, von unten gegründet zu werden. Und hier haben wir doch eine Orchestrierung von oben." Da müsse nachgebessert werden.
Die Zukunft sieht Merkel nicht in einer "Superpartei" mit allen linken Strömungen. "Ich glaube, dass die drei Parteien, die wir jetzt großzügig zur Linken gezählt haben, als autonome, als unabhängige Parteien weiter bestehen müssen. Aber warum nicht eine Art von Bewegung, die neue Ideen ins Spiel bringt, die sich um die Nahtstellen, Kooperationsmöglichkeiten dieser drei Parteien kümmert. Die sich darum kümmert, dass diese nicht nur eigensüchtig und gegeneinander Stimmen gewinnen wollen, die neue Ideen in die Debatten hineinbringt." Daran werde man diese Bewegung messen müssen. "Wenn sie das nicht schafft, wird sie keinen Erfolg haben."
(mhn)
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