Politologe: Parteien nicht auf Großspenden angewiesen
In der Debatte über ausbleibende Großspenden hat der Parteienforscher Gerd Langguth vor dem voreiligen Schluss gewarnt, den Parteien könnte das Geld ausgehen. Die Parteien finanzierten sich noch immer vorwiegend über Mitgliedsbeiträge.
Christopher Ricke: 2013 ist Wahljahr, das wird teuer für die Parteien: Veranstaltungen organisieren – am besten Großveranstaltungen –, Plakate drucken und kleben, Werbeagenturen bezahlen. Da reicht die Wahlkampfkostenerstattung, die offizielle Parteienfinanzierung, oft hinten und vorne nicht, und das alles auch noch in einer Zeit, in der die Parteien immer weniger Großspenden bekommen. Dass das so ist, geht aus Veröffentlichungen des Bundestagspräsidiums hervor, und bei den Parteispenden gibt es dann natürlich auch noch ganz unterschiedliche, nämlich die, die am reich gedeckten Tisch sitzen und die, die draußen vor der Tür stehen müssen. Relativ gut geht es CSU/CSU - SPD, FDP, Grüne und Linke werden zumindest bei den Großspenden nicht so sehr bedacht. Professor Gerd Langguth ist Parteienforscher, er saß selber in den 70er-Jahren für die CDU im Bundestag. Ich sprach mit ihm und frug: Herr Langguth, sind denn die Zeiten für die Parteien wirklich schlechter geworden?
Gerd Langguth: Herr Ricke, zweifelsohne sind die Zeiten schwieriger geworden. Die Großspenden allerdings, über die jetzt gesprochen wird, die sind ja nicht der ganze Teil der Wahrheit, denn nur die Großspenden müssen ja unmittelbar durch den Bundestagspräsidenten angezeigt werden, und da handelt es sich um Großspenden von 50.000 aufwärts, währenddessen ja in den Rechenschaftsberichten der Parteien alle Beträge über 10.000 bis 50.000 aufgeführt werden müssen. Also der eigentliche große Brocken sind nicht die Großspenden, über die jetzt zurzeit gesprochen wird, sondern es sind die kleineren Spenden zwischen 10.000, aber auch den unter 10.000, bis hin zu knapp dann 50.000.
Ricke: Diese unterschiedlichen Veröffentlichungsregeln nähren ja auch immer den Verdacht, dass gerne gestückelt wird, damit die Spende nicht sofort bekannt wird. Ist dieser Verdacht denn heute noch gerechtfertigt?
Langguth: Na ja, heute wird ja nicht gestückelt so ohne Weiteres. Ich habe hier jetzt die neueste Liste der Parteispenden über 50.000, die der Bundestagspräsident veröffentlicht hat. Da ist nichts von Stückelung dabei, da sind Beträge, zum Beispiel an eine kommunistische Splitterpartei, sogar von 115.000 dabei, ist aber nicht gesplittet, und auch an die FDP von 80.000 oder CSU 320.000 oder SPD 150.000. Das sind aber keine Stückelungen, sondern das sind Beträge, die in einem bestimmten Monat überwiesen wurden, und die dann auch gleichzeitig schon in einer Bundestagsdrucksache veröffentlicht wurden und jetzt in einer Gesamtdrucksache noch mal bekannt wurden.
Ricke: Die Linkspartei, die relativ wenig bekommt, gönnt es den anderen nicht. Die will am liebsten ein Verbot von Parteispenden und hat auch ein Argument: Der Schatzmeister sagt, wenn Unternehmen an Parteien spenden, entsteht immer der Eindruck, dass Politik einfach gekauft wird. Kann man dieses Argument entkräften?
Langguth: Das ist schwer zu entkräften, aber übrigens hat auch die Partei Die Linke schon mal im Jahre 2010 eine Großspende von 175.000 bekommen. Aber es ist klar, diejenigen, die spenden, die spenden natürlich an eine bestimmte Partei aus einer gewissen Grundsympathie, und da ist ja klar, dass die Partei Die Linke, die ja aus einer früheren kommunistischen Partei der ehemaligen DDR hervorgegangen ist, nicht über sonderlich viele Sympathien verfügt. Aber verboten ist natürlich, dass mit einer Spende ein ganz konkreter politischer Auftrag verbunden ist, also Motto: Wir spenden euch nur dann, wenn ihr dieses und jenes Gesetz bringt – das wäre verboten. So ist das mehr eine allgemeine Sympathie, die auch zum Teil aus einer Verantwortung gegenüber dem Parteienstaat kommt. Denn eins müssen wir natürlich sehen, ohne Parteien und ohne funktionierende Parteien kann natürlich auch unsere Demokratie nicht finanzieren [undeutlich, wahrscheinlich gemeint: "funktionieren" – Anm. der Online-Redaktion]. Allerdings finanzierten sich im Jahre 2007 die Parteien lediglich zu 15 Prozent aus Parteispenden, der große Anteil sind nach wie vor die Mitgliedsbeiträge der Parteimitglieder.
Ricke: Der Artikel 21 Grundgesetz regelt ja Partei wie Spende – Zitat –: "Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit." Und weiter: "Sie müssen über die Herkunft und Verwendung ihrer Mittel sowie über ihr Vermögen öffentlich Rechenschaft geben." Das ist ja soweit klar, aber wie ist es denn um die Bedeutung der Parteien selbst bestellt? Sind es denn inzwischen nicht eher die Lobbyisten, die Berater und die Experten, die Politik machen?
Langguth: Na ja, das wird jede Partei natürlich zurückweisen und wird sagen, wir machen eigene Entscheidungen, wir lassen uns sicherlich auch beraten mal von einzelnen Institutionen. Natürlich ist es auch so, dass die Lobby einen gewissen Einfluss hat. Nur muss man sehen, es gibt ja nicht die Lobby schlechthin, es gibt ja auch die Gewerkschaften, die ein Lobbyverband sind, die Arbeitgeberverbände, es sind immer mehr Nichtregierungsorganisationen, die Lobbyarbeit betreiben, und zum Teil konkurrieren die einzelnen Lobbyverbände miteinander. Also, es ist gar nicht so einfach nachzuweisen, dass wirklich ein ganz konkreter Einfluss einer bestimmten Richtung auf die Parteien vorgenommen wird, und es ist auch manches Mal auch fast ausgeschlossen, dass das nachweisbar ist.
Ricke: Vor ein paar Tagen erst hat der Allianz-Konzern, der zu den regelmäßigen großzügigen Parteispendern gehört, mehr Transparenz gefordert, will seine mittelgroßen Spenden gleich veröffentlicht sehen, sagt, wir brauchen mehr Transparenz. Was spricht denn eigentlich gegen Transparenz und vielleicht auch ein entsprechendes Gesetz im Wahljahr?
Langguth: Na ja, eine entsprechende Regelung gibt es ja. Wohlgemerkt, alle Spenden über 10.000 Euro müssen ja veröffentlicht werden im Rechenschaftsbericht der Parteien. Und es ist ja immer ganz spannend, dann die diversen Rechenschaftsberichte der Parteien nachzulesen, was dort drin steht, im Einzelnen. Und Allianz, nebenbei bemerkt, steht in dem neuesten Bericht über Parteispenden des Bundestagspräsidenten gar nicht drin, also er hat sich wohl schon offensichtlich zurückgezogen, wie man ja überhaupt sagen muss, es gibt weniger Großspenden, weil das natürlich auch so eine Art Parteien-Bashing gibt. Über die Parteien wird nicht gut geredet, auch manches Mal aus verständlichen Gründen, und da will sich natürlich schlecht eine Firma, eine große Firma mit einer bestimmten Partei identifizieren. Aber andererseits ist es so, was ich höre, ist, dass der normale Spendeneingang, also unterhalb der 50.000 Euro, dass der noch ganz gut bei den jedenfalls den traditionellen Parteien ist.
Ricke: Die Debatte über die Parteienfinanzierung im Wahljahr 2013 – Professor Gerd Langguth ist Parteienforscher. Vielen Dank, Herr Langguth!
Langguth: Danke auch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Gerd Langguth: Herr Ricke, zweifelsohne sind die Zeiten schwieriger geworden. Die Großspenden allerdings, über die jetzt gesprochen wird, die sind ja nicht der ganze Teil der Wahrheit, denn nur die Großspenden müssen ja unmittelbar durch den Bundestagspräsidenten angezeigt werden, und da handelt es sich um Großspenden von 50.000 aufwärts, währenddessen ja in den Rechenschaftsberichten der Parteien alle Beträge über 10.000 bis 50.000 aufgeführt werden müssen. Also der eigentliche große Brocken sind nicht die Großspenden, über die jetzt zurzeit gesprochen wird, sondern es sind die kleineren Spenden zwischen 10.000, aber auch den unter 10.000, bis hin zu knapp dann 50.000.
Ricke: Diese unterschiedlichen Veröffentlichungsregeln nähren ja auch immer den Verdacht, dass gerne gestückelt wird, damit die Spende nicht sofort bekannt wird. Ist dieser Verdacht denn heute noch gerechtfertigt?
Langguth: Na ja, heute wird ja nicht gestückelt so ohne Weiteres. Ich habe hier jetzt die neueste Liste der Parteispenden über 50.000, die der Bundestagspräsident veröffentlicht hat. Da ist nichts von Stückelung dabei, da sind Beträge, zum Beispiel an eine kommunistische Splitterpartei, sogar von 115.000 dabei, ist aber nicht gesplittet, und auch an die FDP von 80.000 oder CSU 320.000 oder SPD 150.000. Das sind aber keine Stückelungen, sondern das sind Beträge, die in einem bestimmten Monat überwiesen wurden, und die dann auch gleichzeitig schon in einer Bundestagsdrucksache veröffentlicht wurden und jetzt in einer Gesamtdrucksache noch mal bekannt wurden.
Ricke: Die Linkspartei, die relativ wenig bekommt, gönnt es den anderen nicht. Die will am liebsten ein Verbot von Parteispenden und hat auch ein Argument: Der Schatzmeister sagt, wenn Unternehmen an Parteien spenden, entsteht immer der Eindruck, dass Politik einfach gekauft wird. Kann man dieses Argument entkräften?
Langguth: Das ist schwer zu entkräften, aber übrigens hat auch die Partei Die Linke schon mal im Jahre 2010 eine Großspende von 175.000 bekommen. Aber es ist klar, diejenigen, die spenden, die spenden natürlich an eine bestimmte Partei aus einer gewissen Grundsympathie, und da ist ja klar, dass die Partei Die Linke, die ja aus einer früheren kommunistischen Partei der ehemaligen DDR hervorgegangen ist, nicht über sonderlich viele Sympathien verfügt. Aber verboten ist natürlich, dass mit einer Spende ein ganz konkreter politischer Auftrag verbunden ist, also Motto: Wir spenden euch nur dann, wenn ihr dieses und jenes Gesetz bringt – das wäre verboten. So ist das mehr eine allgemeine Sympathie, die auch zum Teil aus einer Verantwortung gegenüber dem Parteienstaat kommt. Denn eins müssen wir natürlich sehen, ohne Parteien und ohne funktionierende Parteien kann natürlich auch unsere Demokratie nicht finanzieren [undeutlich, wahrscheinlich gemeint: "funktionieren" – Anm. der Online-Redaktion]. Allerdings finanzierten sich im Jahre 2007 die Parteien lediglich zu 15 Prozent aus Parteispenden, der große Anteil sind nach wie vor die Mitgliedsbeiträge der Parteimitglieder.
Ricke: Der Artikel 21 Grundgesetz regelt ja Partei wie Spende – Zitat –: "Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit." Und weiter: "Sie müssen über die Herkunft und Verwendung ihrer Mittel sowie über ihr Vermögen öffentlich Rechenschaft geben." Das ist ja soweit klar, aber wie ist es denn um die Bedeutung der Parteien selbst bestellt? Sind es denn inzwischen nicht eher die Lobbyisten, die Berater und die Experten, die Politik machen?
Langguth: Na ja, das wird jede Partei natürlich zurückweisen und wird sagen, wir machen eigene Entscheidungen, wir lassen uns sicherlich auch beraten mal von einzelnen Institutionen. Natürlich ist es auch so, dass die Lobby einen gewissen Einfluss hat. Nur muss man sehen, es gibt ja nicht die Lobby schlechthin, es gibt ja auch die Gewerkschaften, die ein Lobbyverband sind, die Arbeitgeberverbände, es sind immer mehr Nichtregierungsorganisationen, die Lobbyarbeit betreiben, und zum Teil konkurrieren die einzelnen Lobbyverbände miteinander. Also, es ist gar nicht so einfach nachzuweisen, dass wirklich ein ganz konkreter Einfluss einer bestimmten Richtung auf die Parteien vorgenommen wird, und es ist auch manches Mal auch fast ausgeschlossen, dass das nachweisbar ist.
Ricke: Vor ein paar Tagen erst hat der Allianz-Konzern, der zu den regelmäßigen großzügigen Parteispendern gehört, mehr Transparenz gefordert, will seine mittelgroßen Spenden gleich veröffentlicht sehen, sagt, wir brauchen mehr Transparenz. Was spricht denn eigentlich gegen Transparenz und vielleicht auch ein entsprechendes Gesetz im Wahljahr?
Langguth: Na ja, eine entsprechende Regelung gibt es ja. Wohlgemerkt, alle Spenden über 10.000 Euro müssen ja veröffentlicht werden im Rechenschaftsbericht der Parteien. Und es ist ja immer ganz spannend, dann die diversen Rechenschaftsberichte der Parteien nachzulesen, was dort drin steht, im Einzelnen. Und Allianz, nebenbei bemerkt, steht in dem neuesten Bericht über Parteispenden des Bundestagspräsidenten gar nicht drin, also er hat sich wohl schon offensichtlich zurückgezogen, wie man ja überhaupt sagen muss, es gibt weniger Großspenden, weil das natürlich auch so eine Art Parteien-Bashing gibt. Über die Parteien wird nicht gut geredet, auch manches Mal aus verständlichen Gründen, und da will sich natürlich schlecht eine Firma, eine große Firma mit einer bestimmten Partei identifizieren. Aber andererseits ist es so, was ich höre, ist, dass der normale Spendeneingang, also unterhalb der 50.000 Euro, dass der noch ganz gut bei den jedenfalls den traditionellen Parteien ist.
Ricke: Die Debatte über die Parteienfinanzierung im Wahljahr 2013 – Professor Gerd Langguth ist Parteienforscher. Vielen Dank, Herr Langguth!
Langguth: Danke auch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.