Politisches Erdbeben in Entenhausen

Eine Glosse von Klaus Pokatzky |
Dass eine Frau das mächtigste Amt im Staate anstrebt, ist nicht nur in der Bundesrepublik ein Novum, sondern auch in Entenhausen: Daisy Duck will Bürgermeisterin werden und strebt eine Koalition mit Gustav Gans an, der gerade im Radio sein Coming-Out hatte. Das gefällt Donald natürlich gar nicht.
Aus dem Tagebuch des Dagobert von Knackstedt:

Entenhausen, 24. Mai 2005.

Liebes Tagebuch.

Heute besuchte mich Daisy Duck, mit der ich weitläufig verwandt bin – sie ist eine Großnichte meiner Cousine Dorette von Knackstedt und ich kenne sie von Entenbeinen an. Daisy strebt in die Politik und bat mich um Rat. Sie überlegt, ob sie für das Amt der Bürgermeisterin von Entenhausen kandidieren solle – was es in der gesamten Geschichte Entenhausens noch nie gab, weil alle Bürgermeister stets Männer waren.

Ich weiß noch nicht, was ich Daisy raten soll. Sie ist zupackend wie ein Panzerknacker, selbstbewusst wie Gustav Gans und herrisch wie Dagobert Duck. Und natürlich ist die Emanzipation auch in Entenhausen kein Fremdwort mehr: Oma Duck, vor der selbst Onkel Dagobert ins Zittern kommt – und das will wirklich etwas heißen – war die erste Frauenrechtlerin in Entenhausen, um Entenhausen und um Entenhausen herum.

Selbst das Outing von Gustav Gans ist erfreulich tolerant aufgenommen worden – Eingeweihte ahnten ja immer schon, dass er sich mehr zu Enterichen wie Donald hingezogen fühlte und weniger zu Daisy, die er immer zu umwerben schien, zum großen Grolle Donalds, der nach Gustavs Outing in Radio Entenhausen zunächst von einer enormen seelischen Last befreit erschien. Mit Gustav möchte Daisy, so verriet sie mir heute, eine Koalition eingehen, sollte sie zur Bürgermeisterin gewählt werden; sie will ihm dann den Posten des stellvertretenden Bürgermeisters und des Stadtrates für das Unterhaltungswesen anbieten.

Auch scheint die Finanzierung ihres Wahlkampfes gesichert: Onkel Dagobert soll tatsächlich zehn Taler – man stelle sich das einmal vor – zehn Taler als Wahlkampfunterstützung in Aussicht gestellt haben, wenn dafür der Stadtpark von Entenhausen in Dagobert-Duck-Park umbenannt wird. Auf seine alten Tage wird Dagobert offenbar etwas leichtsinnig im Umgang mit seinen Quadrillonen – oder er hat endlich entdeckt, was Marketing bedeutet.

Daisys Wahlkampfmanager soll natürlich Donald werden, was mich etwas sorgt, da er ja bekanntermaßen logistisch eher etwas unterentwickelt ist. Zum Team gehören natürlich die Neffen Tick, Trick und Track, die die Wahlplakate kleben sollen - wobei Donalds anfängliche Euphorie nach Gustavs Outing mehr und mehr in Besorgnis umzuschlagen scheint, dass dieser sich den drei jungen Enterichen unziemlich nähern könnte.

Ich sehe hier einen ersten Keim der Zwietracht in einer gemeinsamen Werbekampagne von Daisy Duck und Gustav Gans und möchte auch nicht verhehlen, dass ich einer Bürgermeisterin Daisy Duck mit mehr als gemischten Gefühlen entgegensehe.

Natürlich wirkt sie nach außen hin etwas femininer, seitdem Daniel Düsentrieb ihr für die Frisur das neue Bombastic-Buff-Federnspray entwickelt hat, das aus ihrer Betonfrisur eine locker fallende gemacht und dafür gesorgt hat, dass ihr niemand mehr nachruft: Die Frisur, die aus Quakenbrück kam. Nein: meine Sorge ist eine andere. Es ist die Sorge vor den investigativen Reportern des Entenhausener Tageblatts, die in Daisys Vergangenheit herumschnüffeln und vielleicht schlummernde Geheimnisse ermitteln könnten.

Ihre Großtante, meine Cousine Dorette von Knackstedt, hat das größte Geheimnis ja leider – oder gottlob – mit ins Grab genommen: Cousine Dorette von Knackstedt, die bei Daisys Geburt die Hebamme spielen musste; jener Geburt, bei der Daisys Mutter Dolphine ihr Leben verlor. Meine Cousine Dorette von Knackstedt, die einzige, die Daisy von Kindesentenbeinen kennt, wollte mir auf ihrem Totenbett noch etwas anvertrauen, konnte aber nur noch als letzte Frage hauchen: Ist Daisy wirklich ein Entenfräulein – oder doch ein Erpel?