Politischer Ikonograf

Von Volkhard App · 22.02.2011
Welche Entwicklung! Erst malte er Furcht einflößende Nachtgestalten: Erhängte, Verstümmelte, ans Kreuz Geschlagene – Gespenster aus traumatischer Kriegszeit, und brachte dann ab Mitte der sechziger Jahre Mao Tse Tung und Lenin in oft leuchtenden Farben auf seine Leinwände. Was im Ganzen so seltsam erscheint wie die Biografie dieses Eugen Schönebeck.
Dekorationsmaler hatte er gelernt und in Ostberlin an der Fachschule für Angewandte Kunst studiert. 1955 folgte der Westen mit der Hochschule für Bildende Künste. Georg Baselitz wurde sein Freund, gemeinsam veranstaltete man 1961 in einem abbruchreifen Haus eine erste gemeinsame Ausstellung und verfasste wortgewaltige Bekenntnisse zum Außenseitertum. Doch das Bündnis der beiden zerbrach. Um 1967 beendete Schönebeck seine Malerlaufbahn, schlug sich bald mit Jobs durch, während Baselitz langfristig zum "Malerfürsten" heranreifen sollte. Das Verstummen Schönebecks gehört längst zu dessen Mythos, aber verständlich ist es bei einem derart leidenschaftlichen Künstler nicht. Max Hollein, Direktor der Schirn:

"Schönebeck hat in den zehn Jahren, in denen er geschaffen hat, sicherlich ein ganz bedeutendes und wichtiges Werk hervorgebracht. Er hat darin viel gesagt, auf der anderen Seite aber auch Zwänge verspürt, einen gewissen Druck von der Kunstszene, weiterzumachen und in eine bestimmte Richtung zu gehen. Deshalb bedeutet es für ihn auch eine gewisse Freiheit, zwar Künstler zu bleiben, aber nicht mehr Maler sein zu müssen."

Warum Schönebeck in den sechziger Jahren bei uns als Störenfried erscheinen musste, wird in der großartigen Frankfurter Ausstellung spürbar: in einer Zeit, in der die Kunstöffentlichkeit auf weitgehende Abstraktion setzte, musste sein Bekenntnis zur Gegenständlichkeit befremden.

Und die gefolterten Körper griffen eine saturierte Gesellschaft an, die zu großen Teilen noch immer glaubte, die Schuld der NS- und Kriegsbarbarei verdrängen zu können. Wer wollte dieses Inferno der Gewalt auf den Leinwänden Schönebecks denn wirklich sehen?

Hollein: "Er zeigt die Fragilität des menschlichen Daseins mit extrem verstörenden, aggressiven Bildern."

Von 1964 an glänzte Schönebeck mit verändertem Stil als Porträtmaler. Und ließ sich von einem Foto der Illustrierten "Stern" zu seinem berühmten Mao-Gemälde inspirieren. Der Große Vorsitzende hält eine Rose zwischen den Fingern, dabei weist der Arm nach rechts, der Kopf nach links. Und wie so oft ist die durchaus plakative Figur aus unterschiedlichen Farbflächen zusammengesetzt. Die Verwandlung der Fotovorlage zeigt die ganze Klasse dieses Malers. Noch andere östliche "Helden" traten auf: Lenin mehrfach, Jewtuschenko, Pasternak und Leo Trotzki.

Besonders eindrucksvoll ist Majakowski als zentrale Figur: streng und entschlossen schaut er, hat seine Arme hinter dem gedrungen wirkenden Körper verschränkt. Sein Hemd leuchtet gelb, die Hose ist grün, der Bildhintergrund überrascht mit einem Rosé.

Auch in seinem zeichnerischen Werk sind Mao und Lenin vertreten, sowie Rosa Luxemburg und Ho Chi Minh. Schönebeck wurde zum unerschrockenen politischen Ikonografen, noch bevor eine breitere linke Öffentlichkeit ihre Identifikationsfiguren ausrief und Popartisten wie Warhol ihren eigenen Mao kreierten.

Offen bleibt in manchen Darstellungen, ob Schönebeck wirklich glaubte, "Helden" gefunden zu haben – oder ob es sich bei den Politgestalten schon aus seiner damaligen Sicht um tragische Figuren handelte.

Kuratorin Pamela Kort: "Die haben mehrere Aspekte. Es sind Identifikationsbilder für ihn. Das heißt, er sympathisiert mit ihrem politischen und künstlerischen Engagement. Daher würde ich diese Figuren nicht als tragisch bezeichnen. Eher schon stehen sie für Individuen, die ihre eigene Position durchgesetzt haben, ob es sich um einen Künstler oder Diktator handelt. Er hat das respektiert."

Als sich 1992 die Tore der hannoverschen Kestnergesellschaft zu einer ersten Retrospektive öffneten, war Schönebecks Bedeutung nicht jedem klar. Gezeigt wurden damals neben vielen Arbeiten auf Papier rund 20 Gemälde. In Frankfurt hat man nun fast alle Leinwände zusammengetragen, die erhalten geblieben sind. Anderes existiert nur noch auf Fotos.

Hollein: "Man muss feststellen, dass Schönebeck ein Künstler ist, der nicht nur mit seiner Zeit hart ins Gericht gegangen ist, sondern auch mit sich selber, mit seiner Kunst. Das Gesamtwerk im Gemäldebereich umfasst deswegen - nicht nur, weil er mit zehn Jahren nur für eine kurze Zeit gemalt hat, sondern auch, weil viele Werke wieder zerstört wurden oder unvollendet geblieben sind - rund 30 Arbeiten. Die aber sind aus unserer Sicht phänomenal."

Auf Pressekonferenzen erscheint ein Mann wie der zum "großen Verweigerer" erklärte Schönebeck nicht. Aber diese Schau hat er in ihrem Entstehen intensiv begleitet. Gern wüsste man, welches Bild die Veranstalter von ihm gewonnen haben. Wirkt er resignativ – oder arbeitet er als Künstler womöglich insgeheim weiter?

Kort: "Schönebeck ist alles andere als resigniert oder verbittert. Der ist glücklich mit seinem Leben. Und seine Haltung bewundere ich sehr, dass Künstler zu sein etwas anderes bedeutet als Maler zu sein."



Frankfurter Schirn: Eugen Schönebeck 1957 - 1967