Politisch Unkorrektes über Frauen

Vor zwei jahren starb die Publizistin und Feministin Katharina Rutschky, die in den 70er-Jahren mit ihrem Buch über „Schwarze Pädagogik“ berühmt wurde. Der Wagenbach-Verlag hat nun eine Auswahl ihrer nach wie vor höchst aktuellen Essays unter dem programmatischen Titel „Im Gegenteil!“ versammelt.
Dieses Buch ist eine Einladung zum Denken. Eine Aufforderung, sich nicht aus Bequemlichkeit an Opfer-Diskurse anzukuscheln, sondern in jeder Lebensfrage eigensinnig Haltung zu beziehen: Die Publizistin Katharina Rutschky, die diese „politisch unkorrekten Ansichten über Frauen“ hartnäckig und souverän geäußert hat, starb im Januar 2010 im Alter von 68 Jahren. Jetzt hat der Berliner Wagenbach-Verlag eine Auswahl ihrer nach wie vor höchst aktuellen Essays und Zeitungsartikel unter dem programmatischen Buchtitel „Im Gegenteil!“ versammelt.

1941 als Tochter eines Schlossers und einer Hausfrau in Berlin geboren, gehörte Katharina Rutschky zur ersten Generation von Frauen aus bildungsfernem Milieu, die studierten. Sie war eine engagierte 68erin, die die Errungenschaften der Studentenbewegung lebenslänglich verteidigte. Ihre Arbeit stand im Zeichen von Emanzipation und Streitlust: Sie prägte den Begriff der „Schwarzen Pädagogik“, sie polemisierte nach Kräften gegen Alice Schwarzer und machte sich nicht nur in der Frauenbewegung jede Menge Feinde, als sie Anfang der 90er den „Missbrauch mit dem Missbrauch“ anprangerte. Mit ihrer zutiefst liberalen, dem Mainstream oft querstehenden Denkweise kritisierte sie Rechts wie Links überall dort, wo der Staat auf den Opferschutzplan gerufen und letztlich die Abgabe von (Selbst-) Verantwortung eingefordert wurde.

„Im Gegenteil“ ist nun eine ausgesprochen anregende und unterhaltsame, stilistisch geschliffene und oft provokante Einführung in diese Geisteshaltung. Ob Rutschky über Mode „als Mittel sozialer Pazifizierung“ schreibt oder über den Natur-Nachteil des Menstruierens, zum 40. Geburtstag der Pille oder zum 500. der Luther-Hausfrau Katharina von Bora: Zuverlässig darf man sich über unorthodoxe Perspektiven und überraschende Argumente freuen. Und sie hängen nie im abstrakten Raum, sondern werden erfreulich konkret, gern auch an der Person der Autorin festgemacht, etwa, wenn Katharina Rutschky der Gastgeberin nicht reflexhaft beim Abräumen zur Hand geht, sondern sich dazu zwingt, sitzenzubleiben:"Ein weiblicher Odysseus, der den Lockungen der Sirenen, welche Liebe und Beliebtheit versprachen, im Dienste höherer Aufgaben (Emanzipation) widersteht.“

In einem der Schlüsseltexte des Bandes, „Viel Lärm um fast nichts“, positioniert Rutschky sich jenseits eines manischen Alleskönnertums, den Bestsellerautorinnen von Hera Lind bis Ute Erhardt vertreten, aber auch der Gendertheorien à la Judith Butler, die jede biologische Differenz verleugnen. Beides gehört für Rutschky in den Bereich des Tagträumens und Wunschdenkens. Tatsächlich ist ihr Feminismus, gepaart mit ihrem „hartgesottenen Talent zum Einzelgängertum“, viel anstrengender: zur Kritik an den Herrschaftsverhältnissen gehört bei ihr auch die Selbstkritik und Selbsterziehung der Unterdrückten. Für sie selbst galt: „Eher denken und sich streiten, auch auf die Gefahr hin, nicht gemocht zu werden.“

Besprochen von Eva Behrendt

Katharina Rutschky: Im Gegenteil. Politisch unkorrekte Ansichten über Frauen
Wagenbach
143 Seiten, 10,90 Euro