Politikwissenschaftlerin Edda Müller

"Immer wieder ist die Demokratie in Gefahr"

Die Politikwissenschaftlerin Edda Müller.
Die Politikwissenschaftlerin Edda Müller. © Dominik Butzmann
Moderation: Matthias Hanselmann · 09.06.2017
Wenige kennen die Mechanismen der deutschen Politik so gut wie die Politikwissenschaftlerin Edda Müller von der Antikorruptionsorganisation Transparency International. Wir sprechen mit ihr über den deutschen Politikbetrieb.
Wenige kennen die Mechanismen der deutschen Politik so gut wie die Politikwissenschaftlerin Edda Müller von der Antikorruptionsorganisation "Transparency International Deutschland e.V.". Wir haben mit ihr über ihre Erfahrungen im deutschen Politikbetrieb gesprochen.
Edda Müller kennt den politischen Betrieb bestens – an vorderster Front, aber auch hinter den Kulissen: Sie war Ministerin, hochrangige Verwaltungsfachfrau und Chefin von Interessensverbänden. Seit sieben Jahren leitet sie die Antikorruptionsorganisation "Transparency International Deutschland e.V.". Bekannt wird sie als oberste Verbraucherschützerin: Vor fast 40 Jahren initiiert sie mit dem Blauen Umweltengel das erste Produktlabel in Deutschland. Und als Ministerialbeamtin im Bundesumweltministerium ist sie maßgeblich daran beteiligt, dass die Bundesregierung schon 1990 eine Reduzierung des Kohlenstoffdioxid-Ausstoßes beschließt.
Diese Regelung zu einem frühen Zeitpunkt angeschoben zu haben, erfüllt sie weiterhin mit Stolz. Politik sei auf "Gelegenheitsfenster" angewiesen:
"Es öffnet sich plötzlich - häufig aufgrund von Katastrophen oder von anderen Bedingungen - die Möglichkeit, ein Ziel, das man politisch vorhat, jetzt und heute umzusetzen. Und dann muss man vorbereitet sein."
Schon als junge Frau lernt sie auf dramatische Weise, was es heißt, nicht in einer Demokratie leben zu dürfen. Sie ist zehn Jahre alt, als ihre Familie 1952 aus der DDR nach West-Berlin flieht. Am Otto Suhr Institut der Freien Universität in Berlin studiert sie schließlich Politikwissenschaft und arbeitet gleichzeitig als Fluchthelferin. Da Spitzel sie verraten, wird sie 1963 verhaftet und muss als 21-jährige ein Jahr lang in einem DDR-Frauengefängnis verbringen.
"Ich habe immer wieder das Gefühl, dass man die Verpflichtung hat, demokratische Rahmenbedingungen zu schaffen. Weil die menschliche Natur ist leider so, dass man immer wieder damit rechnen muss, dass Menschen irgendwelchen Scharlatanen hinterher laufen. Demokratie ist immer wieder gefährdet."
Aktuell sieht sie erneut Gefahren für die Demokratie. Müller meint, Politiker würden sich zunehmend zurücknehmen und ihren Steuerungsanspruch mehr oder weniger aufgegeben. Stattdessen bemühten sie sich, mit den Mächtigen und Starken möglichst auf einer Linie zu sein. So sei die Frage, auf wen die Bundeskanzlerin höre, wenn es um die Autopolitik gehe. Politiker würden auch häufiger verächtlich gemacht. Außerdem gebe es inzwischen zu wenig Quereinsteiger in der Politik:
"Wir haben auch zunehmend durch den Rekrutierungsprozess innerhalb der Parteien, Menschen die im Wesentlichen Apparatschiks sind, die versuchen möglichst taktisch geschickt weiter zu kommen. Dabei gibt es immer noch sehr viele integre Menschen in der Politik."
Ihr Appell lautet deshalb: "Wir brauchen eine Initiative, dass immer mehr Menschen, die sich über Politik aufregen, auch dort hineingehen und ändern wollen."

Edda Müller ist zu Gast bei "Im Gespräch" mit Matthias Hanselmann: am 9. Juni 2017, 9.05 – 10 Uhr.

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