Politikwissenschaftler Göler: Die EU-Kommission hat nicht zu viele Beamte

Gabi Wuttke im Gespräch mit Daniel Göler |
23.000 Menschen arbeiten bei der Europäischen Kommission in Brüssel. Nach Ansicht von Daniel Göler, Professor für Europäische Politik an der Universität Passau, hat die EU-Kommission entgegen einem gängigen Vorurteil aber nicht zu viele Mitarbeiter.
Gabi Wuttke: Wieder Zeit der schönen Bergkulisse für die CSU in Wildbad Kreuth. In Bayern und im Bund wird bekanntlich im September gewählt. Erklärt sich damit, weshalb die CSU, die auf Sicht unterwegs ist, dem EU-Apparat auf der heute beginnenden Klausurtagung weiter vor den Bug fahren will oder ist ein gezieltes Manöver im Namen des Populismus am Werk? Nicht unbedingt, mein Daniel Göler, Professor für Europäische Politik an der Universität Passau, jetzt am Telefon – einen schönen guten Morgen!

Daniel Göler: Schönen guten Morgen, Frau Wuttke!

Wuttke: Warum können Sie der Forderung der CSU durchaus etwas abgewinnen, die Zahl der EU-Kommissare zu verringern?

Göler: Die Forderung, die Anzahl der EU-Kommissare zu verringern, ist ja eine Forderung, die auf europäischer Ebene schon seit, ja, gut 15 Jahren diskutiert wird. Und es ist eine Forderung, die ja ursprünglich auch im Lissaboner Vertrag verankert wurde. Das heißt, sämtliche Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union hatten sich eigentlich 2004 schon mal auf das Ziel der Verkleinerung der EU-Kommission verständigt. Übrigens auch rot-grün hat im Europäischen Verfassungskonvent damals eine solche Verkleinerung massiv befürwortet und unterstützt, die das jetzt heftig kritisieren.

Der Grund hierfür liegt schlicht und einfach darin, dass eine EU-Kommission mit jetzt 27 Kommissaren, bald, nach dem Beitritt Kroatiens, 28, einfach zu groß ist, dass man die Ressorts nicht mehr sinnvoll zuschneiden kann. Die Kommissare sind ja praktisch die Entsprechung auf europäischer Ebene der Ministerien, und wir haben in Deutschland ja auch keine Bundesregierung mit 27 Ministerien. Es gibt also einen sehr breiten Konsens eigentlich darüber, dass die Kommission zu groß ist und dass man im Hinblick auf ihre Effizienz eine Verkleinerung der Europäischen Kommission anstreben sollte.

Wuttke: Aber es ist trotzdem nicht einfach, nun zu sagen, wir reduzieren, so wie die CSU es vorschlägt, von 27 auf 12 Kommissare. Das geht so einfach nicht.

Göler: Na ja, die Frage ist einfach, was eine angemessene Größe ist. Wir hatten ja vor den Erweiterungsrunden auch schon mal deutlich kleinere Kommissionen gehabt. Ursprünglich hatte die Europäische Kommission mal neun Kommissare gehabt. In der EU der zwölf Mitgliedsstaaten waren es 15 Kommissare gewesen, und die CSU fordert ja jetzt zwölf plus Kommissionspräsidenten und Hohen Vertreter, also 14 Kommissare. Das ist eine Größenordnung, wie wir sie vor den großen Erweiterungen, der Osterweiterung, der EFTA-Erweiterung hatten und die damals auch durchaus praktikabel war. Heute haben wir in der Tat das Problem, dass sie die Ressorts gar nicht mehr sinnvoll zuschneiden können und, ja, mittlerweile Kommissare haben mit einer relativ geringen materiellen Zuständigkeit.

Und, wie gesagt, das ist eine Forderung, die jetzt auch nicht neu von der CSU aufgeworfen wurde. Das ist europäisch eigentlich Konsens gewesen. Es wurde auch im Lissaboner Vertrag verankert. Und der einzige Grund, warum wir heute noch das Prinzip "Ein Kommissar pro Land" haben, ist, dass die Iren in einer Volksabstimmung den Lissaboner Vertrag ja in einer ersten Runde abgelehnt hatten, und die Beibehaltung des Prinzips "Ein Kommissar pro Land" ist lediglich ein Zugeständnis an die Iren gewesen, das so richtig eigentlich niemand damals auch auf Ebene der Staats- und Regierungschefs haben wollte. Und auch das Europäische Parlament hat sich immer wieder für eine Verkleinerung der Kommission ausgesprochen.

Wuttke: Neu ist aber, dass die CSU das Ganze als eine Sparmaßnahme zu verkaufen versucht. Ist das dann also doch Populismus?

Göler: Na ja, nicht nur. Also, in dem Papier argumentiert sie auch sehr stark natürlich mit der Effizienz der Kommission. Es wird ja nicht nur gefordert, die Kommission zu verkleinern, um Geld zu sparen, sondern es wird explizit darauf verwiesen, dass dies auch die Effizienz und Wirksamkeit der Europäischen Kommission stärken würde. Die Sparmaßnahmen, die damit verbunden wären, wären relativ gering, denn mit der Verringerung der Anzahl der Kommissare verringern wir ja nicht unbedingt die Anzahl der Generaldirektion und der EU-Beamten.

Wuttke: Immer beliebt, nicht nur am Stammtisch: die EU habe zu viele Beamte und die bohrten sich auch noch sehr gut bezahlt in der Nase. Auch darum wird es in Wildbad Kreuth heute gehen. Da sagen Sie dann doch entschieden Nein. Warum?

Göler: Hier würde ich noch mal differenzieren. Es sind ja zwei Aspekte: Das eine ist die Anzahl der Beamten und das andere ist die Besoldung der Beamten. Was die Bezahlung der Beamten angeht, ist es so, dass die europäischen Beamten in der Tat sehr gut bezahlt werden. Nimmt man die steuerliche Sonderstellung der Beamten in Brüssel hinzu, verdient ein europäischer Beamter zum Teil mehr als das Doppelte als ein entsprechender Beamter in einem deutschen Ministerium. Und da muss man sich in der Tat fragen, ob das angemessen ist, auch gerade in Zeiten der Krise, wo die EU ja den öffentlichen Diensten in den Krisenländern erhebliche Einsparungen abverlangt.

Also hier wäre in der Tat die Frage, ob es nicht sinnvoll wäre, auch hier ein Zeichen zu setzen, zumal diese EU-Beamten ja auch aus griechischen, portugiesischen und spanischen Steuergeldern bezahlt werden. Das andere ist die Frage der Größe der EU-Kommission. Hier ist es schon so eine weit verbreitete Stereotype, dass der Beamtenapparat zu aufgebläht sei. Schaut man sich die Zahlen mal im Detail an, ist die EU nicht wirklich so überausgestattet mit Beamten. In Brüssel arbeiten bei der Kommission knapp 23.000 EU-Beamte …

Wuttke: Wozu braucht man so viele?

Göler: Na ja, die EU hat ja allumfassende Zuständigkeiten in allen Bereichen. Wenn Sie sich mal zum Vergleich anschauen, die Bundesregierung inklusive nachgelagerter Behörden hat, das hat eine kleine Anfrage der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen noch mal im letzten Jahr festgestellt, 270.000 Angestellte. Also wenn Sie sich hier die Verhältnisse anschauen, ist es wirklich nicht so wahnsinnig viel, was die Europäische Kommission hier an Personalausstattung hat. Umgekehrt wird es bisweilen sogar eher als Problem angesehen, dass die Europäische Union zu wenig eigene Ressourcen hat und deshalb sehr häufig auch bei Gesetzesvorschlägen auf externen Sachverstand angewiesen ist.

Ich meine, natürlich kann man in der Tat noch mal schauen, es wird die eine oder andere Generaldirektion geben, die vielleicht etwas üppiger ausgestattet ist, die andere wird durchaus eher Personalprobleme haben. Aber insgesamt, wenn Sie mal vergleichen, die administrativen Ressourcen, die die Kommission hat mit den administrativen Ressourcen nationaler Regierungen, kann man hier nicht wirklich von einer Überausstattung sprechen. Was natürlich nicht von der Frage befreit, ob es angesichts der Krise sinnvoll ist, auch ein gewisses Zeichen nach außen zu setzen. Und hier hat die Kommission ja bereits selbst auch schon Vorschläge zu einer moderaten Reduzierung des Personals vorgelegt. Aber insgesamt haben wir nicht das Problem, dass wir dort einen überbordenden Beamtenapparat haben.

Wuttke: Die EU, ihr Beamtenapparat und die Arbeit der Kommissare. Dazu Daniel Göler, Professor für Europäische Politik in Passau. Vielen Dank und schönen Tag!

Göler: Danke schön!


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