Politik mit Popeln
Ausgerechnet in der beschaulichen Kurstadt: Die jüngste Ausstellung der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden befasst sich mit künstlerischen Strategien, den Schwachen der Gesellschaft eine Stimme in der Öffentlichkeit zu verschaffen.
Eine Mauer aus Bauschutt, hüfthoch und 25 Meter lang, zieht sich diagonal durch den großen Ausstellungssaal der Baden-Badener Kunsthalle. Die tonnenschweren Steine stammen aus dem Abbruch eines leeren Hauses aus Ciudad Juárez, jener berüchtigten Millionenstadt im Norden Mexikos, in der Mord und Totschlag, Drogenkrieg, Ausbeutung und Entführung viele Bewohner derart zur Verzweiflung treiben, dass sie ihre Häuser verlassen. Ganze Viertel stehen mittlerweile leer in dieser Geisterstadt.
Die mexikanische Künstlerin Teresa Margolles hat ein solches Haus gekauft und abgerissen, das Material zu Trümmern zermahlen und hier als Mauer, als trostloses Mahnmal in den Raum gestellt. "Das Versprechen" heißt das Werk.
"Jedes Steinchen dieses Hauses steht für Illusionen, für nicht erfüllte Versprechen. Wenn du ein Haus baust, dann versprechen sie dir: Das ist dein Heim, da wachsen Deine Kinder auf. Und am Ende musst du es verlassen, weil sie deine Tochter ermordet oder weil sie deine Familie entführt haben."
Es sind drastische Botschaften und starke Bilder, die sich in dieser Schau vermitteln. In einem Raum kann man Syrern quasi beim Sterben zusehen – der Bürgerkrieg als Daumenkino. Die bosnische Videokünstlerin Maja Bajeviæ projiziert politische Slogans auf eine Nebelwand, wo sich die Phrasen buchstäblich in Luft auflösen.
Die mexikanische Künstlerin Teresa Margolles hat ein solches Haus gekauft und abgerissen, das Material zu Trümmern zermahlen und hier als Mauer, als trostloses Mahnmal in den Raum gestellt. "Das Versprechen" heißt das Werk.
"Jedes Steinchen dieses Hauses steht für Illusionen, für nicht erfüllte Versprechen. Wenn du ein Haus baust, dann versprechen sie dir: Das ist dein Heim, da wachsen Deine Kinder auf. Und am Ende musst du es verlassen, weil sie deine Tochter ermordet oder weil sie deine Familie entführt haben."
Es sind drastische Botschaften und starke Bilder, die sich in dieser Schau vermitteln. In einem Raum kann man Syrern quasi beim Sterben zusehen – der Bürgerkrieg als Daumenkino. Die bosnische Videokünstlerin Maja Bajeviæ projiziert politische Slogans auf eine Nebelwand, wo sich die Phrasen buchstäblich in Luft auflösen.
Kontrastprogramm zur Wellness-Kunst
Und vor dem Eingang der Kunsthalle parkt ein VW-Bus, mit dem die Künstlerin Silke Wagner einst gegen die Verwicklung der Lufthansa in die Abschiebepraxis von Asylbewerbern demonstrierte. Die Beschriftung "Lufttransa Deportation Class" auf dem Fahrzeug erinnert an das offizielle Firmenlogo und ermöglichte es, mit dem Bus bis auf das Rollfeld des Frankfurter Flughafens zu gelangen.
Und während nebenan der Sammler Frieder Burda sein schickes Museum wie einen Wellness-Tempel mit Wohlfühl-Kunst für die Massen bespielt, setzt Kunsthallenchef Johan Holten auf ein Kontrastprogramm.
"Kann Kunst noch irgendwie Funktionen haben? Dem noch mal auf den Grund zu gehen, ganz gegenwärtig, explizit nicht auf unseren eigenen deutschen oder europäischen Kontext begrenzt, sondern in einem viel globaleren Maßstab etwas sichtbar zu machen, was sonst nicht sichtbar gemacht worden wäre."
Es ist die Frage nach der Macht von Bildern, sagt Holten. Und die ist beachtlich: In Kriegen gibt es bekanntlich auch einen Kampf um Bilder.
"Wir wissen es, wenn wir über Weltpolitik sprechen: Wenn es keine Bilder gibt, wenn es keine Vorstellung davon gibt, wie etwas aussieht, dann taucht es nicht auf."
Der ägyptische Künstler Alaa Awad zum Beispiel, dessen in Kairo entstandene Wandbilder durch die Weltpresse gingen, hat in der Kunsthalle ein figurenreiches Wandgemälde geschaffen, mit dem er seine politische Botschaft in den Kunstraum rettet. Denn aus dem Straßenbild von Kairo, sagt er, sind seine Protestbilder längst verschwunden.
"Die sind alle übermalt. Es gibt in Kairo noch eine oder zwei. Während des Mursi-Regimes wurde vieles übermalt in der Mohamed-Mahmut-Straße und am Tahrir-Platz. Manche wurden von den Muslimbrüdern zerstört, manche auch mit anderen Graffiti übermalt."
Und während nebenan der Sammler Frieder Burda sein schickes Museum wie einen Wellness-Tempel mit Wohlfühl-Kunst für die Massen bespielt, setzt Kunsthallenchef Johan Holten auf ein Kontrastprogramm.
"Kann Kunst noch irgendwie Funktionen haben? Dem noch mal auf den Grund zu gehen, ganz gegenwärtig, explizit nicht auf unseren eigenen deutschen oder europäischen Kontext begrenzt, sondern in einem viel globaleren Maßstab etwas sichtbar zu machen, was sonst nicht sichtbar gemacht worden wäre."
Es ist die Frage nach der Macht von Bildern, sagt Holten. Und die ist beachtlich: In Kriegen gibt es bekanntlich auch einen Kampf um Bilder.
"Wir wissen es, wenn wir über Weltpolitik sprechen: Wenn es keine Bilder gibt, wenn es keine Vorstellung davon gibt, wie etwas aussieht, dann taucht es nicht auf."
Der ägyptische Künstler Alaa Awad zum Beispiel, dessen in Kairo entstandene Wandbilder durch die Weltpresse gingen, hat in der Kunsthalle ein figurenreiches Wandgemälde geschaffen, mit dem er seine politische Botschaft in den Kunstraum rettet. Denn aus dem Straßenbild von Kairo, sagt er, sind seine Protestbilder längst verschwunden.
"Die sind alle übermalt. Es gibt in Kairo noch eine oder zwei. Während des Mursi-Regimes wurde vieles übermalt in der Mohamed-Mahmut-Straße und am Tahrir-Platz. Manche wurden von den Muslimbrüdern zerstört, manche auch mit anderen Graffiti übermalt."
Ein Bernsteinzimmer aus Nasensekret
Was bleibt, ist die Symbolkraft solcher Bilder. Zum politischen Symbol geworden ist bekanntlich auch das legendäre Bernsteinzimmer, mit dessen Rekonstruktion in Form einer die Wände füllenden Fototapete sich der Künstler Christoph Faulhaber einen geschmacklich grenzwertigen Schabernack leistet.
Man merkt es nicht, wenn man’s nicht weiß, aber das honiggelbe Material seiner Rekonstruktion besteht keineswegs aus kostbar versteinertem Harz, sondern aus getrocknetem Nasensekret, vulgo: aus Popeln. Und mit Verlaub: Mitten im Raum in einer vergoldeten Vitrine liegt wie als Beweis auf roten Samt gebettet ein handgroß geklumpter Riesenpopel.
Hausherr Johan Holten hat offenbar keine Angst davor, dass er uns mit solchen Tabubrüchen den Appetit verdirbt. Sogar dem Kunsthallen-Café hat er ein politisch korrektes Design verpasst: die Speisekarte auf Nachhaltigkeit getrimmt, die klobigen Holzmöbel stammen aus einer Werkstatt der Lebenshilfe und in den Regalen stehen Einmachgläser mit fermentierten Feldfrüchten.
Alles in allem ein mutiger Versuch, Kunst nicht als Lifestyle-Produkt, sondern als Lebensmittel zu begreifen, und zwar für alle. Ob es ihm damit gelingt, seinem Haus neue Gesellschaftsgruppen zu erschließen, ist die Frage.
Baden-Baden, sagt Holten, sei zwar die Stadt mit der höchsten Millionärsdichte im Bundesland, doch gemessen an der Bevölkerung auch die mit den meisten Hartz-IV-Empfängern. Darüber darf man ruhig einmal nachdenken.
Die Ausstellung "Macht der Machtlosen" ist in der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden bis zum 9. Februar 2014 zu sehen.
Man merkt es nicht, wenn man’s nicht weiß, aber das honiggelbe Material seiner Rekonstruktion besteht keineswegs aus kostbar versteinertem Harz, sondern aus getrocknetem Nasensekret, vulgo: aus Popeln. Und mit Verlaub: Mitten im Raum in einer vergoldeten Vitrine liegt wie als Beweis auf roten Samt gebettet ein handgroß geklumpter Riesenpopel.
Hausherr Johan Holten hat offenbar keine Angst davor, dass er uns mit solchen Tabubrüchen den Appetit verdirbt. Sogar dem Kunsthallen-Café hat er ein politisch korrektes Design verpasst: die Speisekarte auf Nachhaltigkeit getrimmt, die klobigen Holzmöbel stammen aus einer Werkstatt der Lebenshilfe und in den Regalen stehen Einmachgläser mit fermentierten Feldfrüchten.
Alles in allem ein mutiger Versuch, Kunst nicht als Lifestyle-Produkt, sondern als Lebensmittel zu begreifen, und zwar für alle. Ob es ihm damit gelingt, seinem Haus neue Gesellschaftsgruppen zu erschließen, ist die Frage.
Baden-Baden, sagt Holten, sei zwar die Stadt mit der höchsten Millionärsdichte im Bundesland, doch gemessen an der Bevölkerung auch die mit den meisten Hartz-IV-Empfängern. Darüber darf man ruhig einmal nachdenken.
Die Ausstellung "Macht der Machtlosen" ist in der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden bis zum 9. Februar 2014 zu sehen.