Polit-TV bei Wein und Zigaretten

Von Michael Meyer · 21.03.2013
35 Jahre lang lud Werner Höfer in der ARD sonntags zum Internationalen Frühschoppen. Er wollte Leute an Politik heranzuführen, die sich im Grunde nicht dafür interessierten. 1987 musste der Journalist wegen eines von ihm 1943 verfassten umstrittenen Artikels abtreten.
"Guten Tag, meine Damen und Herren, hier ist wieder der internationale Frühschoppen mit sechs Journalisten aus fünf Ländern." Werner Höfer: "Die Wiedersehensfreude ist unter den Weihnachtsfreuden der reinsten und wahrsten eine, so freue ich mich denn über ein Wiedersehen mit Freunden aus früheren Zeiten ..." (O-Ton Internationaler Frühschoppen)

Wenn Werner Höfer sonntags zum politischen Frühschoppen lud, dann war klar: Es geht um die große, harte Politik - und das bei Wein und Zigaretten.

"Hier geht es inzwischen zu wie in einer polnischen Kneipe, wo schwarzgebrannter Wodka gereicht wird" / "Das ist genauso wie in einer deutschen Kneipe, wo Branntwein bzw. Bier getrunken wird." (O-Ton Internationaler Frühschoppen)

So mancher der ausländischen Journalisten verlor ob der weinseligen Stimmung und des Zigarettenqualms schon mal den roten Faden - wie sowieso allgemein zu bemerken war: Höfer redete von allen Gästen am meisten. Auch wenn die Sendung aus heutiger Sicht altbacken und bieder wirkt: Höfer ist anzurechnen, dass er einen internationalen Blick auf Deutschland ins deutsche Fernsehen brachte. Keine Kleinigkeit im bleiern-konservativen Adenauer-Deutschland der 50er- und 60er-Jahre.

Nicht allen passte das, erinnerte sich der damalige Redakteur Manfred Jenke:

"Das heißt, dass Höfer Ausländer über deutsche Themen freimütig reden ließ, das haben noch in den 60er- bis in die 70er-Jahre hinein manche Leute als Anregung zur Nestbeschmutzung empfunden."

Der Internationale Frühschoppen zielte darauf ab, Leute an Politik heranzuführen, die sich im Grunde nicht dafür interessieren. Selbst in den bewegten 68er-Zeiten legte Höfer jedoch Wert darauf, dass man versöhnlich auseinandergeht:

"Sollten sich nicht Günter Grass und Axel Springer und alles was dazwischen liegt, sich auf dieses liberal-aufklärerische Toleranzedikt einigen können? Wär das nicht eine Möglichkeit?" / "Darauf trinke ich!"

Die Ironie der Geschichte wollte es, dass ausgerechnet Rudolf Augsteins "Spiegel", der selbst oft zu Gast in der Sendung war, Höfers Karriere beenden sollte. Das Magazin hatte einen Artikel von 1943 ausgegraben, in dem Höfer die Hinrichtung eines Komponisten begrüßt hatte – nur weil der Zweifel äußerte, ob der Krieg noch zu gewinnen sei. Höfers Sender, der WDR, feuerte ihn wenig später, was Höfer zähneknirschend akzeptierte.

Gegen den "Spiegel" und den Begriff "Schreibtischtäter" prozessierte er jedoch, was Höfer damals in einem Deutschlandfunk-Interview erläuterte:

"Ich war ganz bestimmt kein Mörder, kein Haar ist durch mein Zutun irgendjemandem gekrümmt worden, und ich kann nicht auf mir sitzen lassen, dass ich ein Schreibtischtäter bin."
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