Polit-Krimi aus der Antike

In seinem Buch "Titan" gelingt es dem Schriftsteller Robert Harris nicht nur, das Leben des römischen Konsuls Cicero wie einen spannenden Krimi zu erzählen - er schafft es auch, dem historischen Stoff treu zu bleiben.
Auf ein Jahr wurde Cicero zum Konsul der römischen Republik gewählt, er, der homo novus, dem weder ein großes Vermögen noch eine einflussreiche Familie den Weg geebnet haben. Durch taktisches Geschick, vor allem aber kraft des Wortes ist es ihm gelungen, das höchste Amt im Staate zu erlangen. So endet Robert Harris’ Roman "Imperium". Und wer geglaubt hat, nun würde alles einfacher, die Kämpfe und Intrigen überschaubarer, den belehrt "Titan", der gerade erschienene Anschlussband, schnell eines Besseren. Jetzt nämlich wird es erst so richtig ungemütlich zwischen Marsfeld, Kapitol und Circus Maximus.

Mit wenigen, dafür umso kräftigeren Strichen lässt Robert Harris, geboren 1957 im englischen Nottingham, das antike Rom vor den Augen des Lesers auferstehen, die Villen der Senatoren ebenso wie die Kloaken, denen die gedungenen Mörder entsteigen. Auch seine Figuren versteht Harris mit leichter Hand anschaulich zu machen: den eiskalten Cäsar, den Säufer Hybrida, den brutalen Pompeius. Und natürlich Cicero selbst, die Hauptfigur des Romans. Seine Ambivalenz arbeitet Harris in "Titan" besonders hervor, seine Gewitztheit ebenso wie seinen Hang zu Größenwahn und Depression.

Durch einen genialen Kniff gelingt es Harris, ganz nah an Cicero heranzuzoomen: Als Erzählerinstanz dient Tiro, jahrzehntelang Ciceros Privatsekretär und nachweislich Verfasser einer verschollenen Cicero-Biografie. Indem Harris diesen Tiro nun zum Erzähler macht, erscheinen die Zusammenhänge überaus plausibel. Tiro ist zugleich Sklave Ciceros, und wird darum selbst bei Geheimgesprächen lediglich als Inventar wahrgenommen. Man darf also Mäuschen sein.

Großes Geschick beweist Harris auch im Umgang mit dem umfangreichen Stoff: Mal rafft er, mal entfaltet er bestimmte Situationen, wie Ciceros erstes Zusammentreffen mit Pompeius, in ihrer ganzen Pracht. So entsteht ein Rhythmus, der den Leser nicht nur bei der Stange hält, sondern ihn immer wieder auch mitreißt: Unter Ciceros Konsulat verschärfen sich die Kämpfe um die Republik, ein Anschlag auf sein Leben wird geplant, ein Angriff schließlich auf die Stadt Rom. Cicero stellt sich all dem entgegen, und manchmal scheint es, als würde er die Situation noch zusätzlich verschärfen, um dadurch seinen eigenen Spielraum zu erweitern. Am Ende seines Konsulats wird der gewiefte Taktiker zum "Vater des Vaterlands" ausgerufen, der Ruhm aber steigt ihm zu Kopf, vernebelt sein sonst so klares Urteilsvermögen.

Harris gelingt es nicht nur, das Leben Ciceros wie einen spannenden Krimi zu erzählen, er schafft es auch, dem historischen Stoff treu zu bleiben. Nicht dass es genau so war, behauptet der Autor, dass es aber sehr wohl alles so gewesen sein könnte. Tatsächlich ist "Titan" hervorragend recherchiert, ohne jemals von Lesefrüchten überladen zu wirken. Im Gegenteil: Ciceros Reden, die Harris auszugsweise einbaut, möchte man sofort wieder im Ganzen lesen. So steht am Ende ein Sieg auf jeden Fall fest: Der der Unterhaltungsliteratur über den Lateinunterricht.

Besprochen von Tobias Lehmkuhl

Robert Harris: Titan
Übersetzt von Wolfgang Müller
Heyne Verlag, München 2009
544 Seiten, 21,95 Euro