Polens größtes Rockfestival in Kostrzyn

Ein Dorn im Auge der PiS-Regierung

August 4, 2017 - Wroclaw, Poland - Woodstock Festival is the largest music festival in Poland. Every year Kostrzyn attracts about 200 thousand people to play with the password love, friendship and music. Kostrzyn, Poland. Wroclaw Poland PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxONLY - ZUMAk137 20170804_zap_k137_006 Copyright: xKrzysztofxKaniewskix August 4 2017 Wroclaw Poland Woodstock Festival IS The Largest Music Festival in Poland Every Year Kostrzyn attracts About 200 Thousand Celebrities to Play With The Password Love friendship and Music Kostrzyn
Besucher des polnischen Rockfestivals in Kostrzyn (Küstrin). © imago stock&people/Krzysztof Kaniewski
Von Florian Kellermann · 02.08.2018
Ein Wochenende lang Inbegriff fröhlicher, friedlicher Rebellion gegen die nationalkonservative Regierung: Polens größtes Rockfestival Pol'and'Rock in Kostrzyn zieht hunderttausende Fans an. Sehr zum Missfallen regierungstreuer Medien.
Der Gründer des Festivals Jerzy Owsiak zitierte zum Auftakt am Nachmittag ein Lied. Die polnische Kultband "Kult" hatte es 1988 herausgebracht. "Mein Körper ist durch Mauern geteilt", heißt es dort. Ein Protestlied gegen die Teilung Berlins, gegen die Teilung Europas. Die Besucher, die den Text mitsprachen, verstanden: Heute war er auf ihr Heimatland Polen gemünzt.
"Meine Lieben, teilen wir uns nicht, seien wir einig", rief Jerzy Owsiak in die Menge.

Das Festival will das weltoffene Polen vertreten

Damit hob er den politischen Kontext des Festivals noch einmal hervor. Owsiak sieht sich als Vertreter eines liberalen, weltoffenen Polen - und ist deshalb eine Hassfigur für die rechtskonservative Regierung. Schon im Vorfeld kritisierte er die in seinen Augen übertrieben hohen Sicherheitsauflagen:
"Der lokale Polizeikommandant hat die Beurteilung abgegeben, dass das Festival eine Veranstaltung mit erhöhtem Risiko sei. Uns allen ist klar: Seine Hand hat das unterschrieben, aber die Entscheidung darüber ist einige hundert Kilometer weiter östlich gefallen, in Warschau. Zum dritten Mal ist unser Festival nun so eingestuft worden."
Zum dritten Mal - genau so lange ist die Partei PiS an der Regierung.
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Musikvergnügen und politisches Statement zugleich: Besucher beim Festival im Jahr 2017© imago stock&people
Deren Vertreter geben immer wieder zu verstehen, dass sie von Owsiak und dem Festival wenig halten. Die PiS-Abgeordnete Krystyna Pawlowicz bezeichnete die Veranstaltung als "satanistisch", obwohl dort immer wieder auch katholische Geistliche eingeladen sind - vom liberalen Flügel der Kirche. Wie im vergangenen Jahr der Dominikaner-Pater Pawel Guzynski:
"Das ist eine Veranstaltung mit erhöhtem Risiko - aber mit Risiko für die Regierung. Sie ist beunruhigt, wenn sie nicht alles unter ihrer Kontrolle hat, wenn sie die Köpfe und Herzen der Teilnehmer nicht überprüfen kann. Klar, ich bin dort nicht über Rasen gegangen, sondern über zerbeulte Bierdosen. Aber zeigt mir mal ein anderes Musikfestival auf der Welt, das gleichzeitig so viel Wert auf Bildung legt."

Es wird nicht nur gerockt - es wird auch diskutiert

Tatsächlich finden neben den Konzerten auch Diskussionen statt, mit Prominenten und Intellektuellen. Allerdings sind auch sie meist regierungskritisch. In diesem Jahr kommen unter anderem Generäle der Armee, deren Karrieren unter der PiS-Regierung ein jähes Ende fanden. Und das Topmodel Anja Rubik. Sie engagierte sich in Polen für den sogenannten Schwarzen Protest: eine Bewegung, die sich gegen die geplante Verschärfung des Abtreibungsrechts richtete.
Die Berichterstattung der öffentlichen Medien, die unter dem Einfluss der PiS stehen, ist dementsprechend negativ. Im vergangenen Jahr kritisierte der Fernsehsender TVP, dass auch Oppositionspolitiker beim Festival erschienen. Der Journalist einer regierungsnahen Zeitschrift kam zu Wort:
"Jeder, der schon mal Rockmusik gehört hat, der in der Revolte war gegen die Politik, blickt mit Abscheu auf das, was die Veranstalter machen. Es ist abscheulich, den Geist der Revolte, der in der Rockmusik steckt, mit dem Sumpf der Parteipolitik zu verknüpfen."

Owsiak organisiert auch Spendenaktionen

Ähnlich kritisch begleiten die öffentlichen Medien das zweite große Projekt von Jerzy Owsiak: Er organisiert jeden Winter die größte polnische Spendenaktion. Mehrere tausend Freiwillige sammeln, das Geld geht vor allem an öffentliche Krankenhäuser, für moderne medizinische Geräte.
Das Festival dürfte wieder Hunderttausende anziehen. Der bekannteste Name in diesem Jahr: Judas Priest.
Aber auch Nachwuchstalente aus der internationalen Hard Rock-Szene werden zu hören sein, sagt Jerzy Owsiak:
"Ich lade alle sehr herzlich zu Counterfeit an, am Samstag. Sie sind im vergangenen Jahr noch auf unserer kleinen Bühne aufgetreten und haben dort den Publikumspreis gewonnen. Diesmal kommen sie auf die große Bühne. Ihr Kontakt mit dem Publikum ist phänomenal. Wir haben Frank Carter und, in der Nacht auf Sonntag, In Flames - sie wollten unbedingt dabei sein."
Ein Besuch in Kostrzyn am Freitag oder Samstag ist also zugleich ein Musikvergnügen - und ein politisches Statement.
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