Polen wird in Europa zukünftig "eine beachtliche Rolle übernehmen"
Der polnische Publizist Adam Krzeminski hat den Ausgang der Wahlen in seinem Heimatland als gutes Zeichen für die deutsch-polnischen Beziehungen gewertet. Mit der Bestätigung der Regierung Tusk sei Polen in Europa angekommen, sagte Krzeminski.
Jan-Christoph Kitzler: Lange Zeit schien die Parlamentswahl in Polen eine klare Sache zu sein, denn immer hatte die Bürgerplattform, die Partei von Ministerpräsident Donald Tusk, einen satten Vorsprung in allen Umfragen. Bis zum Schluss: Da legten die Rechtskonservativen von Jaroslaw Kaczynski einen Endspurt hin, sodass am Ende seriöse Vorhersagen nicht mehr möglich waren. Jetzt aber gibt es Zahlen, die Wähler haben gesprochen, und nach denen wird Donald Tusk, der bisherige Ministerpräsident, im Amt bleiben. Seine Partei bekommt 37,5 Prozent der Stimmen, wird stärkste Kraft, und voraussichtlich kann er sogar seine Koalition mit der Bauernpartei fortsetzen.
Was bedeutet diese Wahl für Polen, was bedeutet sie für Europa? Das bespreche ich nun mit dem polnischen Journalisten, Publizisten und nicht zuletzt Deutschlandkenner Adam Krzeminski. Schönen guten Morgen.
Adam Krzeminski: Guten Morgen!
Kitzler: Herr Krzeminski, so wie die Zahlen aussehen, ist ja zum ersten Mal seit 1989 eine Regierung in Polen wiedergewählt worden. Ist Polen jetzt etwa normal geworden?
Krzeminski: Ich glaube, Polen war schon immer normal, auch unter den Kaczynskis, weil immerhin: Nur nach zwei Jahren ist seine Regierung abgewählt worden, damals 2007. Normal ist Polen insofern geworden natürlich, dass in einer Krisenzeit eine Regierung bestätigt wurde, was zeigt, dass das Vertrauen in die Regierung Tusk ziemlich groß in Polen ist. Nun muss man sagen, Polen hat die Krise ziemlich gut bis jetzt überstanden, hat immer noch die positiven Wachstumsraten. Auch der Handel mit Deutschland ist positiv, günstig für Polen. Also insofern ist es auch verständlich, warum Tusk bestätigt wurde.
Interessant ist, dass Kaczynski das Zentralpolen verloren hat, also zwei große Woiwodschaften. Man sieht auf der Karte, die heute veröffentlicht wurde, nach den Wahlen, dass das blaue Polen, das Polen der PiS-Partei, deutlich kleiner geworden ist.
Kitzler: Jaroslaw Kaczynski und die Rechtskonservativen haben es ja trotzdem am Ende noch mal spannend gemacht, sind ziemlich nah herangekommen, zumindest in den Umfragen. Bei uns in der Berichterstattung ist vor allem aufgefallen, dass er am Ende versucht hat, mit antideutschen Ressentiments zu punkten. Hat ihm das geholfen, oder hat ihm das am Ende vielleicht sogar das Genick gebrochen?
Krzeminski: Ich bin sicher, dass es ihm geschadet hat, weil er meiner Überzeungung nach schon 2005 glaubte, die Wahl gewonnen zu haben mit der antideutschen Karte, indem er Donald Tusk seinen Großvater vorsetzte, der 44 zur Wehrmacht eingezogen wurde. Meiner Meinung nach hat er nicht deswegen gewonnen, sondern weil Tusk sehr schwach in den letzten zwei Tagen aussah. Tusk hat viel gelernt und hat 2007 ganz klar gewonnen, indem er auch zu seiner kaschubischen Herkunft stand.
Diesmal war das ein Eigentor von Kaczynski, diese Schelte, unflätige Schelte gegenüber Angela Merkel, und alle Meinungsumfragen in Polen zeigen, dass das Vertrauen zu dem westlichen Nachbarn gestiegen ist. Selbst während der Zeit der großen Auseinandersetzungen um das Zentrum gegen Vertreibung haben die Polen das als eine nicht so relevante Krise angesehen. Also insofern haben sich die National-Konservativen mächtig verrechnet.
Kitzler: Heißt das am Ende auch, dass die Wahl von Donald Tusk ein gutes Zeichen ist für die deutsch-polnischen Beziehungen, für Polen in Europa?
Krzeminski: Das auf jeden Fall. Wir dürfen nicht vergessen: Polen hat jetzt die Präsidentschaft in der EU und es ist gut, dass eine Regierung, die besonnen und zuverlässig eine europäische Politik verfolgt, weiter bestätigt wurde. Also Polen ist angekommen in Europa und wird auch eine beachtliche Rolle übernehmen.
Kitzler: Der Wahlkampf von Jaroslaw Kaczynski, so konnte man hier lesen, der war zugeschnitten auf die Unzufriedenen in Polen. Sie haben ja schon gesagt, Donald Tusk hat das Land eigentlich ganz gut durch die Wirtschaftskrise gebracht. Die Zahlen sind sehr, sehr gut, Polen ist sehr dynamisch, viele junge, gut ausgebildete Menschen leben bei Ihnen. Warum gibt es trotzdem so viele Unzufriedene? 30 Prozent hat die Partei ja erreicht.
Krzeminski: Ach, das ist nicht viel. Wenn Sie Frankreich sich anschauen und Le Pen, der ständig 20 Prozent hat, oder wenn Sie Österreich mit Haider sich anschauen, wenn Sie nach Holland schauen, nach Dänemark, überall gibt es etwa 20 Prozent der rechten Populisten, die sich ständig zur Wahl melden. In Polen liegt die Unterstützung für die PiS bei 30 Prozent, aber diese Wählergruppe ist immer kleiner. Ich glaube, es ist interessant. Ich habe auch nicht geglaubt, dass PiS die Wahl gewinnen kann. Kein Institut hat die Führung der PiS vorausgesehen. Man hat zwar hingewiesen, dass die PiS immer wieder dazulegt, aber letztendlich zwei Tage vor der Wahl lag die PiS zehn Prozent hinter der PO zurück. Also die Wahl ist ziemlich klar entschieden worden.
Kitzler: Es gab ja auch ein neues Phänomen bei dieser Wahl, nämlich eine neue Protestpartei, die Ruchu Palikota – ich hoffe, ich spreche das richtig aus -, ...
Krzeminski: Ja, ja.
Kitzler: ... , die ganz auf Liberale und die antikatholische Karte gesetzt hat. Sie kommt immerhin aus dem Stand auf fast zehn Prozent. Ist das eine Eintagsfliege, oder wird diese Gruppierung die polnische Parteienlandschaft dauernd aufmischen?
Krzeminski: Das ist keine Eintagsfliege, das ist eine Abspaltung von der Bürgerplattform Donald Tusk. Es ist eine … diese Partei erinnert ein wenig an die Piratenpartei in Deutschland. Aber es kann sein, dass es vor allem ihr Verdienst ist, eine neue Sprache eingeführt zu haben. Sie ist nicht antikatholisch, sie ist eher antiklerikal, sie spricht … Palikot verstand es, eine klare antikonservative linke Sprache einzuführen, und es kann sein, dass seine Partei die künftige sozialdemokratische Strömung übernehmen will, während die alte postkommunistische Sozialdemokratie deutlich schwach geworden ist.
Kitzler: Polen nach der Wahl – so sieht es der Publizist Adam Krzeminski. Haben Sie vielen Dank für das Gespräch.
Krzeminski: Vielen Dank! Danke!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Was bedeutet diese Wahl für Polen, was bedeutet sie für Europa? Das bespreche ich nun mit dem polnischen Journalisten, Publizisten und nicht zuletzt Deutschlandkenner Adam Krzeminski. Schönen guten Morgen.
Adam Krzeminski: Guten Morgen!
Kitzler: Herr Krzeminski, so wie die Zahlen aussehen, ist ja zum ersten Mal seit 1989 eine Regierung in Polen wiedergewählt worden. Ist Polen jetzt etwa normal geworden?
Krzeminski: Ich glaube, Polen war schon immer normal, auch unter den Kaczynskis, weil immerhin: Nur nach zwei Jahren ist seine Regierung abgewählt worden, damals 2007. Normal ist Polen insofern geworden natürlich, dass in einer Krisenzeit eine Regierung bestätigt wurde, was zeigt, dass das Vertrauen in die Regierung Tusk ziemlich groß in Polen ist. Nun muss man sagen, Polen hat die Krise ziemlich gut bis jetzt überstanden, hat immer noch die positiven Wachstumsraten. Auch der Handel mit Deutschland ist positiv, günstig für Polen. Also insofern ist es auch verständlich, warum Tusk bestätigt wurde.
Interessant ist, dass Kaczynski das Zentralpolen verloren hat, also zwei große Woiwodschaften. Man sieht auf der Karte, die heute veröffentlicht wurde, nach den Wahlen, dass das blaue Polen, das Polen der PiS-Partei, deutlich kleiner geworden ist.
Kitzler: Jaroslaw Kaczynski und die Rechtskonservativen haben es ja trotzdem am Ende noch mal spannend gemacht, sind ziemlich nah herangekommen, zumindest in den Umfragen. Bei uns in der Berichterstattung ist vor allem aufgefallen, dass er am Ende versucht hat, mit antideutschen Ressentiments zu punkten. Hat ihm das geholfen, oder hat ihm das am Ende vielleicht sogar das Genick gebrochen?
Krzeminski: Ich bin sicher, dass es ihm geschadet hat, weil er meiner Überzeungung nach schon 2005 glaubte, die Wahl gewonnen zu haben mit der antideutschen Karte, indem er Donald Tusk seinen Großvater vorsetzte, der 44 zur Wehrmacht eingezogen wurde. Meiner Meinung nach hat er nicht deswegen gewonnen, sondern weil Tusk sehr schwach in den letzten zwei Tagen aussah. Tusk hat viel gelernt und hat 2007 ganz klar gewonnen, indem er auch zu seiner kaschubischen Herkunft stand.
Diesmal war das ein Eigentor von Kaczynski, diese Schelte, unflätige Schelte gegenüber Angela Merkel, und alle Meinungsumfragen in Polen zeigen, dass das Vertrauen zu dem westlichen Nachbarn gestiegen ist. Selbst während der Zeit der großen Auseinandersetzungen um das Zentrum gegen Vertreibung haben die Polen das als eine nicht so relevante Krise angesehen. Also insofern haben sich die National-Konservativen mächtig verrechnet.
Kitzler: Heißt das am Ende auch, dass die Wahl von Donald Tusk ein gutes Zeichen ist für die deutsch-polnischen Beziehungen, für Polen in Europa?
Krzeminski: Das auf jeden Fall. Wir dürfen nicht vergessen: Polen hat jetzt die Präsidentschaft in der EU und es ist gut, dass eine Regierung, die besonnen und zuverlässig eine europäische Politik verfolgt, weiter bestätigt wurde. Also Polen ist angekommen in Europa und wird auch eine beachtliche Rolle übernehmen.
Kitzler: Der Wahlkampf von Jaroslaw Kaczynski, so konnte man hier lesen, der war zugeschnitten auf die Unzufriedenen in Polen. Sie haben ja schon gesagt, Donald Tusk hat das Land eigentlich ganz gut durch die Wirtschaftskrise gebracht. Die Zahlen sind sehr, sehr gut, Polen ist sehr dynamisch, viele junge, gut ausgebildete Menschen leben bei Ihnen. Warum gibt es trotzdem so viele Unzufriedene? 30 Prozent hat die Partei ja erreicht.
Krzeminski: Ach, das ist nicht viel. Wenn Sie Frankreich sich anschauen und Le Pen, der ständig 20 Prozent hat, oder wenn Sie Österreich mit Haider sich anschauen, wenn Sie nach Holland schauen, nach Dänemark, überall gibt es etwa 20 Prozent der rechten Populisten, die sich ständig zur Wahl melden. In Polen liegt die Unterstützung für die PiS bei 30 Prozent, aber diese Wählergruppe ist immer kleiner. Ich glaube, es ist interessant. Ich habe auch nicht geglaubt, dass PiS die Wahl gewinnen kann. Kein Institut hat die Führung der PiS vorausgesehen. Man hat zwar hingewiesen, dass die PiS immer wieder dazulegt, aber letztendlich zwei Tage vor der Wahl lag die PiS zehn Prozent hinter der PO zurück. Also die Wahl ist ziemlich klar entschieden worden.
Kitzler: Es gab ja auch ein neues Phänomen bei dieser Wahl, nämlich eine neue Protestpartei, die Ruchu Palikota – ich hoffe, ich spreche das richtig aus -, ...
Krzeminski: Ja, ja.
Kitzler: ... , die ganz auf Liberale und die antikatholische Karte gesetzt hat. Sie kommt immerhin aus dem Stand auf fast zehn Prozent. Ist das eine Eintagsfliege, oder wird diese Gruppierung die polnische Parteienlandschaft dauernd aufmischen?
Krzeminski: Das ist keine Eintagsfliege, das ist eine Abspaltung von der Bürgerplattform Donald Tusk. Es ist eine … diese Partei erinnert ein wenig an die Piratenpartei in Deutschland. Aber es kann sein, dass es vor allem ihr Verdienst ist, eine neue Sprache eingeführt zu haben. Sie ist nicht antikatholisch, sie ist eher antiklerikal, sie spricht … Palikot verstand es, eine klare antikonservative linke Sprache einzuführen, und es kann sein, dass seine Partei die künftige sozialdemokratische Strömung übernehmen will, während die alte postkommunistische Sozialdemokratie deutlich schwach geworden ist.
Kitzler: Polen nach der Wahl – so sieht es der Publizist Adam Krzeminski. Haben Sie vielen Dank für das Gespräch.
Krzeminski: Vielen Dank! Danke!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.