Polen und die Kohleindustrie

"Die polnische Wirtschaft basiert auf Kohlestrom"

Braunkohle-Kraftwerk in Polen
Braunkohle-Kraftwerk in Polen © picture alliance / CTK / Radek Petrasek
Von Florian Kellermann · 03.09.2015
Polen bezieht mehr als 80 Prozent seines Stroms aus Braun- und Steinkohlekraftwerken. Die meisten Politiker - auch der neue Präsident Andrzej Duda - finden das nicht weiter schlimm. Die Kraftwerke vorzeitig zu schließen, betrachtet er als "staatsschädigend".
Auf diesen Rekord sind die meisten Polen nicht stolz: In Belchatow, südlich von Lodsch, steht das weltweit größte Braunkohlekraftwerk. 13 Blocks laufen hier rund um die Uhr. Sie liefern knapp 20 Prozent des in Polen produzierten Stroms. Die Regierung betrachtet das Kraftwerk keineswegs als Auslaufmodell. Erst vor vier Jahren ging der jüngste Block ans Netz.
Die Zahlen insgesamt sind noch eindeutiger: Die Braun- und Steinkohlekraftwerke zusammen liefern weit über 80 Prozent des polnischen Stroms, mit zehn Prozent weit abgeschlagen folgen Windkraftwerke.
Die meisten polnischen Politiker finden das gar nicht schlimm, auch nicht der neue Präsident Andrzej Duda.
"Ich bin generell dagegen, dass Kohlebergwerke geschlossen werden. Es sei denn, die Vorhaben sind vollkommen erschöpft. Alles andere würde ich als staatschädigende Politik betrachten. Die polnische Wirtschaft basiert auf dem Kohlestrom. Wir müssen diese Wirtschaft modernisieren, aber wir dürfen ihr nicht die Zufuhr von Rohstoffen abschneiden, und das ist bei uns eben die Kohle."
Polnische Experten erklären, der Kohlestrom sei heute viel sauberer als früher, dank der eigebauten Filter. Die Filter können allerdings nicht den hohen Ausstoß von Kohlendioxyd verhindern, der beim Verbrennen von Kohle entsteht. Deshalb tritt Polen regelmäßig auf die Bremse, wenn sich die Europäische Union neue Klimaziele stecken will, wenn sie den Ausstoß von Treibhausgasen weiter einschränken möchte. Präsident Duda hat versprochen, dass er hier noch entschiedener auftreten möchte als sein Vorgänger und als die Regierung.
Und was ist mit alternativen Energiequellen? Zu teuer, sagen polnische Politiker, das könne sich ihr Land noch nicht leisten.
Umweltpolitik für die meisten zweitrangig
Urszula Stefanowicz von der Umweltorganisation "Klima-Koalition" sieht das anders.
"Unserer Ansicht nach wären zum Beispiel Offshore-Windparks in der Ostsee sinnvoll. Auch wenn die Bedingungen dort nicht ganz so günstig sind wie in der Nordsee, vom Wind und vom Küstenverlauf her. Aber dazu gibt es bisher gar keine Projekte."
Für die meisten Polen gilt Umweltweltpolitik als zweitranging. Keine der großen Parteien profiliert sich bei Wahlen mit Umwelt-Themen, eine Debatte findet praktisch nicht statt.
So ist es zu erklären, dass die Regierung jahrelang die Arbeit an einem neuen Gesetz über alternative Energien vor sich her schob. Im Frühjahr wurde es endlich verabschiedet. Der wichtigste Fortschritt sollte die Unterstützung für Kleinstproduzenten sein – für Solarzellen auf dem Dach oder kleine Windanlagen, sagt Anna Ogniewska von Greenpeace.
"Das Gesetz war ein erster, kleiner Schritt in die richtige Richtung. Kleinstproduzenten können ihren Strom zu einem festen Preis ins Stromnetz einspeisen. So sollten sie eine Garantie bekommen, dass sie bei ihrer Investitionnicht draufzahlen. Leider hat die Regierung schon im Mai eine Überarbeitung des Gesetzes vorgenommen. Heute sind solche kleine Anlagen wieder nicht mehr in jedem Fall rentabel."
Das Gesetz spielte schon in seiner ursprünglichen Form vor allem den großen Energiekonzerne in die Hände und schonte die Kohlekraftwerke. So fördert es weiterhin die Verbrennung von Kohle als alternative Energieerzeugung, wenn ihr ein kleiner Anteil an Biomasse beigemischt wird.
Als grüne Energie stellten verschiedene polnische Regierung in den vergangenen Jahren auch die Atomkraft dar, weil bei ihr keine Treibhausgase entstehen. Die Regierung beschloss den Bau eines ersten Atomkraftwerks westlich von Danzig. Eigentlich sollte es 2020 ans Netz gehen. Doch die Vorbereitungen stocken, die staatlich kontrollierte Energie-Gesellschaft PGE geht inzwischen von einer Verzögerung um zehn Jahre aus.
Damit verhindert das Atom-Projekt weiterhin Pläne, die rasch die Energieversorgung verbessern könnten. Strom-Ausfälle wie zuletzt im Juli und im August dürften deshalb zunehmen.
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