Polemiken gegen mediale Zumutungen

Die Bücher der meisten Journalisten sind überflüssig. Zumindest, wenn sie aus dem Feld der Kultur kommen. Meist sind es mehr oder minder gut getarnte Sammlungen von Texten, die als Artikel schon einmal anderswo erschienen sind. Und die nun noch einmal zwischen zwei Buchdeckel geklemmt werden, um der Eitelkeit des Autoren Genüge zu tun und Zeichen seiner Macht zu werden. Diese Texte, ruft ein solches Buch, sind so wichtig, dass sie noch einmal erscheinen müssen. Nicht nur das schnelllebige Medium der Zeitung, auch die Ewigkeit des Buchs hat Anspruch auf diese Gedanken.
Dass dies für den Berliner Autoren Wiglaf Droste nicht gilt, hat auch damit zu tun, dass er kein Journalist ist, auch wenn die meisten der Texte, die er nun in dem Band "Will denn in China gar kein Sack Reis mehr umfallen?" gesammelt hat, zuerst in einer Zeitung, einer Zeitschrift oder im Radio erschienen sind. Vor allem aber machen die Texte gar kein Hehl daraus, dass ihnen an der Ewigkeit so gar nichts liegt. Im Gegenteil. Mit großer Freude wirft Droste sich immer wieder ins Tagesgeschäft, wenn es ihm um irgendetwas geht dann um das große Wegräumen der alltäglichen medialen Zumutungen. Und denen muss man sich Aussetzen. Jeden Tag aufs neue.

Sei es der "Klassenkampfkasper" Wolf Biermann, dessen Tun Droste mit niemals nachlassender Abneigung begleitet. Sei es die "Gesellschaft für deutsche Sprache" und ihr "Wort des Jahres". Sei es Johannes B. Kerner. Meist spießt Droste das falsche Denken auf, weil es sich in einer falschen Formulierung zeigt. Das Weltgerichtartige dieser Polemiken macht zweifellos einen großen Teil ihres Charmes aus. Diese Texte leben von der Anmaßung des Autors - wie sollte, wer Gott spielt, gerecht sein?

Da verzeiht man Droste sogar die Pietätlosigkeit eines Nachrufs zu Lebzeiten, wenn er so brillant ist wie sein "Grabgebinde für Marcel Reich-Ranicki": "Er war ein Elefant im Paul-Celan-Laden, der mit dem Kanon auf Spatzen schoss".

Tatsächlich übersieht man wegen Drostes Ruf als Polemiker aber leicht, dass bestimmt die Hälfte aller Text aus "Will denn in China gar kein Sack Reis umfallen?" gar niemandem übelwollen. Es sind Besprechungen, Hommagen oder Liebeserklärungen. Interessanterweise über viele Musiker.

Johnny Cash, Jerry Lee Lewis, Tom Petty - die großen alten Männer der amerikanischen Rock'n'Roll und Countrytradition haben es Droste angetan.
Weniger weil sie für eine bestimmte Tradition stehen, eher weil er in ihnen eine bestimmte Wahrhaftigkeit des Erzählens sieht. Jeder, der Wiglaf Droste und seine Band einmal hat auftreten sehen, weiß, dass er dies auch in einem Stück wie "Back For Good" von "Take That" finden kann, das er gerne und häufig spielt.

Wer sich äußert, sollte etwas zu sagen haben. Und wer etwas zu sagen hat, sollte sich überlegen, wie er dies zu tun gedenkt. Darauf läuft es bei Droste hinaus. In Abneigung wie Zuneigung glaubt er eben an die Macht des geschriebenen, gesungenen und gesprochenen Wortes. Und wenn er über den Schriftsteller James Krüss schreibt, er habe "als Schriftsteller erreicht, was er wollte: er hat Leser, in denen er lebt. Das ist ein großes Glück", dann ist das etwas, was auch für ihn gilt.

Rezensiert von Tobias Rapp

Wiglaf Droste: "Will denn in China gar kein Sack Reis umfallen?"
Edition Tiamat, Berlin 2007
264 Seiten, 16 Euro