Polartaucher

"Unter dem Packeis ist es wirklich magisch"

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Taucher im arktischen Eis. © picture alliance / Hinrich Bäsemann
Von Susanne von Schenck  · 08.01.2014
Ghislain Bardouts Leidenschaft ist das ewige Eis, oder besser: das, was darunter ist. Der Franzose taucht unter dem Packeis und vermisst dessen Dicke von unten. Diese eiskalte Welt hat ihn so beeindruckt, dass er darüber vor einigen Jahren einen Film drehte – unter Extrembedingungen.
Camp Barneo im April 2007. Der Himmel ist strahlend blau, die Temperatur liegt bei minus 20 Grad. Obwohl es bereits zehn Uhr abends ist, scheint die Sonne über der Eiswüste – Polarsommer.
Ghislain Bardout geht zu einem Eisloch. Der Student der Ingenieurswissenschaften, damals 27 Jahre alt, wird gleich mit zwei anderen Tauchern unter Wasser einen ferngesteuerten Roboter betreuen - Arbeiten unter Extrembedingungen.
Ghislain Bardout: "Die große Gefahr ist, ein mal unter Wasser, das Eisloch nicht mehr zu finden. Aber wir haben viele Sicherheitsvorkehrungen. Zum einen sind die Lichtverhältnisse hier sehr gut – man sieht das Loch gut von unten. Außerdem sind wir über den Roboter angeseilt und können über ihn wieder an die Oberfläche kommen."
Tauchen, nicht irgendwo, sondern direkt am Nordpol, unter dem Packeis. Für Ghislain Bardout, damals Teilnehmer einer deutsch-französischen Forschungsexpedition zur Eisdickenvermessung, geht da ein Traum in Erfüllung. Aufgewachsen im französischen Fernet Voltaire, nicht weit vom Genfer See entfernt, interessierte er sich schon als Jugendlicher für die Polarregionen.
"Seit ich als Fünfzehnjähriger mit dem Tauchen angefangen habe, hat es mich begeistert. Ich stellte mir viele Fragen: Was ist das Packeis, ist es dick, gibt es darunter Licht, Leben? Damals las ich auch immer Reportagen und Dokumentationen über Polar-expeditionen. Das fand ich total faszinierend."
2013, sechs Jahre später in Concarneau, einem Hafenstädtchen an der südbretonischen Küste. An der Kaimauer des Industriehafens liegt fest vertäut die „Why“, ein circa 20 Meter langer Zweimaster.
"Als wir es kauften, hieß das Schiff schon so, wir haben dann den Namen beibehalten. Why - warum? Es gibt viele Fragen zum Boot, zu den Polarregionen, zu unserer Expedition – das passt doch gut."
Ghislain Bardout ist groß, schlank, dunkelhaarig mit nachdenklichen Augen. Der inzwischen 33-Jährige hat seit wenigen Monaten sein eigenes Forschungsschiff, das allerdings noch zu großen Teilen der Bank gehört. Nun plant er eine eigene Tour - nach Grönland. Zwei Jahre soll sie dauern.
"Wir wohnen nicht weit von hier entfernt, dort am Waldrand. Aber wir haben jetzt das Haus verkauft. Alles, was wir haben, nehmen wir mit aufs Boot. Bald gibt nur noch das Boot."
"Die ersten zwei Wochen waren extrem"
Emanuelle ist Ghislains Frau. Sie ist Tiefseetaucherin. Die beiden haben sich bei einer Expedition kennengelernt. Vor eineinhalb Jahren kam ihr Sohn Robin zur Welt. Er wird ebenfalls mit nach Grönland reisen, genauso wie der Husky Kayak.
Der Hund hat Ghislain und Emanuelle schon auf ihrer letzten Expedition vor gut drei Jahren begleitet. Die führte sie, gemeinsam mit sechs anderen, ebenfalls in die Polarregion – zum Filmen unter dem Eis. „Deep sea under the pole“ heißt die Dokumentation: atemberaubende Bilder von einer bedrohten Unterwasserwelt, die damals kaum jemand kannte.
"Unter dem Packeis ist es wirklich magisch, die Sicht ist ist großartig, man sieht sehr, sehr weit, wenn es Licht gibt. Und man hat den Eindruck, das man ganz winzig in einem unendlichen Universum ist, ganz allein in einem riesigen Ozean unter einem Eisdach, die Bedingungen sind extrem. Es ist ein großes Privileg, etwas Einzigartiges. Ich habe so etwas nie wieder erlebt, es ist ein ganz großer Augenblick."
45 Tage bleibt das Team in der unwirtlichen Eis- und Schneewelt, legt große Entfernungen auf Skiern zurück, zieht schwere Schlitten, führt über fünfzig Tauchgänge durch. Emanuelle ist die einzige Frau:
"Ich hatte eine sehr intensive achtmonatige Vorbereitung, da war ich fit. Für mich lief es sehr gut. Was aber hart war, war die Kälte. Die ersten zwei Wochen waren extrem."
Nun steht mit der „Why“ eine neue Expedition an. Ende Januar wird in Richtung Grönland abgelegt. Mit dabei: ein internationales Forscherteam.
Vier Jahre haben Ghisalin Bardout und seine Frau für dieses Projekt gearbeitet: Sponsoren gesucht, das Team zusammengestellt, recherchiert, geplant, sich physich und psychisch auf die Tour vorbereitet. Das bedeutet auch: durchwachte Nächte, keine Wochenenden, keine Ferien, wenig Geld, kaum Privatleben. Aber, findet Ghislain Bardout:
"Im Moment kann ich mir nichts anderes vorstellen. Klar, es gibt schwierige Seiten. Aber alles in allem leben wir ein außergewöhnliches Leben. Das ist ein großes Glück. Und wir haben sehr viel Freiheit."