Pöttering: Briten sollen Kompromiss zustimmen
Der Vorsitzende der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und europäischer Demokraten im Europäischen Parlament, Hans-Gert Pöttering, hat die britische EU-Ratspräsidentschaft aufgefordert, in der mittelfristigen Finanzplanung einem Kompromiss zuzustimmen. Inzwischen sehe es so aus, als seien die Briten daran nicht interessiert, sagte Pöttering am Dienstag in Deutschlandradio Kultur.
Kolkmann: Zum Interview in Deutschlandradio Kultur begrüße ich nun Hans-Gert Pöttering, den Fraktionsvorsitzenden der christdemokratischen EVP im Europaparlament. Schönen guten Morgen.
Pöttering: Guten Morgen, Frau Kolkmann.
Kolkamann:Herr Pöttering, nun ist zu hören seitens der britischen Ratspräsidentschaft, dass es überhaupt keinen Kompromiss geben soll, sondern etwas ganz Neues. Trifft einen das manchmal ein bisschen in den Magen, so als Europapolitiker?
Pöttering: Ja bisher hat die britische Präsidentschaft immer gesagt, sie würde sich bemühen, im Dezember einen Kompromiss zu erreichen. Und ich fordere die britische Präsidentschaft auf, dabei zu bleiben. Denn wir brauchen die mittelfristige Finanzplanung der Europäischen Union, also einen Finanzrahmen für die Jahre 2007 bis 2013, und da darf man die Anstrengungen nicht nachlassen.
Kolkmann: Ist das schon fast ein Affront der Briten gegenüber Europa?
Pöttering: Also die Briten sehen wohl ein, dass es ganz schwierig ist, zu einem Kompromiss zu kommen. Aber es waren ja die Briten, die einen Kompromiss verhindert haben im Juni unter Luxemburger Präsidentschaft. Und Tony Blair, der britische Premierminister, der jetzt der Präsident der Europäischen Union ist für ein halbes Jahr, hat immer den Eindruck erweckt, dass die Briten alles tun werden, um zu einem Kompromiss zu kommen. Insofern, wenn jetzt diese Anstrengungen der Briten nicht aufrechterhalten würden, dann wäre es schon ein ziemlicher Schlag für die Europäische Union, das muss man sagen. Aber deswegen geht Europa nicht unter. Aber wir fordern die Briten auf, alles zu tun, doch noch zu einem Kompromiss zu kommen.
Kolkmann: Nun gibt es ja politische Kreise, vor allen Dingen in Brüssel, die sagen: Die britische Ratspräsidentschaft ist eine Katastrophe. Wie sieht man das seitens des Europaparlaments?
Pöttering: Also bisher war die britische Präsidentschaft nicht besonders erfolgreich. Der Außenminister Großbritanniens, Jack Straw, der in der vergangen Woche in Straßburg vor dem Europäischen Parlament berichtet hat, hat gesagt, ja es sei schon ein großer Erfolg, dass jetzt die Verhandlungen über den Beitritt mit der Türkei, mit Kroatien begonnen haben. Und das war eigentlich das Eingeständnis, dass nicht sehr viel erreicht ist, weil ja gerade über den möglichen Beitritt der Türkei es sehr unterschiedliche Positionen gibt. Unsere Fraktion ist zu einem großen Teil – wie auch CDU/CSU – dagegen. Wir wollen eine privilegierte Partnerschaft. Und deswegen kann man den Beginn der Verhandlungen nicht als einen großen Erfolg darstellen.
Kolkmann: Also kein großer Erfolg der britischen Ratspräsidentschaft. Ein Jahr ist nun auch der Kommissionspräsident Barroso im Amt. Frage, wie seine Erfolgsbilanz aussieht? Auch ihm wird vorgeworfen, dass er viele zentrale europäische Probleme nicht gerade einer Lösung entgegengebracht hat.
Pöttering: Ja nun muss man natürlich sehen, dass der Präsident der Europäischen Kommission, jetzt also José Manuel Barroso, den schwierigsten Job der Welt hat. Er ist der Präsident einer Kommission mit 25 Kommissaren, die er sich nicht aussuchen kann – die werden von den 25 Ländern der Europäischen Union bestimmt – und das heißt: Er hat eine Regierung, mit der er irgendwie klarkommen muss – obwohl der Ausdruck "Regierung" natürlich nicht ganz richtig ist: Es ist auch ein Exekutivorgan, die Kommission, sie macht auch Vorschläge für die Gesetzgebung, aber das Zustandekommen der Kommission liegt nicht in seiner Hand, sondern bei den nationalen Regierungen. Und deswegen war der Start auch sehr schwierig. Aber ich glaube schon, dass Barroso jetzt mit seiner Kommission alles in allem den richtigen Weg gefunden hat. Seine Hauptaufgabe sieht er darin, Arbeitsplätze zu schaffen oder – sagen wir – die Rahmenbedingungen mit zu ermöglichen, dass ein Umfeld für eine positive Atmosphäre in der Wirtschaft geschaffen wird. Und das finde ich schon sehr gut. Weniger Gesetzgebung, weniger Bürokratie, mehr Berücksichtigung des Subsidiaritätsprinzips, das heißt, dass nicht Europa alle Themen an sich reißen sollte, sondern wir wirklich überlegen: Was muss national gemacht werden, was muss aber auch europäisch gemacht werden? Dieser Kurs ist insgesamt richtig.
Kolkmann: Haben Sie das Gefühl, dass da seitens der Brüsseler Kommission durchaus für Europa schon mehr Dynamik verliehen worden ist?
Pöttering: Also ich glaube schon, dass Barroso und sein Team der Kommission, dass sie sich Mühe geben, jetzt einen richtigen Kurs zu finden. Und ein Jahr ist ja keine sehr lange Zeit. Wenn Sie berücksichtigen: Es liegt da immer die Sommerpause dazwischen, die Weihnachtspause – ein Jahr geht sehr schnell herum. Und ich glaube, dass die Kommission jetzt diese vier Jahre, die sie noch vor sich hat – das Ganze entspricht ja auch der fünfjährigen Wahlperiode des Europäischen Parlamentes –, dass die Kommission jetzt irgendwie doch ihren Weg gefunden hat. Und wir als Fraktion der Europäischen Volkspartei, also der Christdemokraten, unterstützen grundsätzlich die Kommission auf ihrem Weg, für Europa etwas zu leisten und die europäische Einigung, die dringend notwendig ist, zu fördern und weiterzukommen.
Kolkmann: Das große Desaster auf europäischer Ebene war ja neben dem Scheitern der Finanzplanung vor allen Dingen die gescheiterten Referenden über die EU-Verfassung in Frankreich und den Niederlanden. Nun hat Barroso einen "Plan D" erarbeitet, er heißt "Dialog, Demokratie, Debatte". Das klingt so, als wolle er der Verfassung wieder neuen Schub geben. Auf der anderen Seite ist zu hören – aus den so genannten politischen Kreisen –, dass man innerhalb der Kommission die Verfassung schon für tot erklärt habe.
Pöttering: Also wir haben ja gerade jetzt in diesen Tagen den Kongress der Sozialisten in Frankreich erlebt und die Sozialisten haben sich nach den Informationen, die ich gerade vor ganz wenigen Stunden bekommen habe, wohl darauf geeinigt, um die Geschlossenheit der Sozialisten in Frankreich zu wahren, dass sie nicht an der Verfassung festhalten wollen. Und dieses muss natürlich sehr scharf kritisiert werden. Und da sind wir dann auch gleich bei der Kommission: Wir brauchen die Hauptelemente der Verfassung, mit dem Werteteil der Verfassung. Erstmalig haben es die Europäer geschafft, gemeinsame Werte aufzuschreiben, sich darauf zu verständigen. Und wir brauchen auch eine Verbesserung des Entscheidungssystems der Europäischen Union. Und deswegen dürfen die Prinzipien der Verfassung, die wesentliche Substanz der Verfassung, das darf nicht aufgegeben werden. Und es ist eine wichtige Aufgabe der Kommission – wie natürlich auch des Europäischen Parlamentes, des Ministerrates –, jetzt darüber nachzudenken, wie wir die wesentlichen Inhalte der Verfassung – wenn es denn nicht die ganze Verfassung ist –, wie wir aber die wesentlichen Inhalte der Verfassung in geltendes Recht und damit in die politische Wirklichkeit überführen können. Und da sehe ich auch eine Hauptaufgabe der Kommission, dieses zu tun. Eine Aufgabe des Kommissionspräsidenten, aber der gesamten Kommission.
Pöttering: Guten Morgen, Frau Kolkmann.
Kolkamann:Herr Pöttering, nun ist zu hören seitens der britischen Ratspräsidentschaft, dass es überhaupt keinen Kompromiss geben soll, sondern etwas ganz Neues. Trifft einen das manchmal ein bisschen in den Magen, so als Europapolitiker?
Pöttering: Ja bisher hat die britische Präsidentschaft immer gesagt, sie würde sich bemühen, im Dezember einen Kompromiss zu erreichen. Und ich fordere die britische Präsidentschaft auf, dabei zu bleiben. Denn wir brauchen die mittelfristige Finanzplanung der Europäischen Union, also einen Finanzrahmen für die Jahre 2007 bis 2013, und da darf man die Anstrengungen nicht nachlassen.
Kolkmann: Ist das schon fast ein Affront der Briten gegenüber Europa?
Pöttering: Also die Briten sehen wohl ein, dass es ganz schwierig ist, zu einem Kompromiss zu kommen. Aber es waren ja die Briten, die einen Kompromiss verhindert haben im Juni unter Luxemburger Präsidentschaft. Und Tony Blair, der britische Premierminister, der jetzt der Präsident der Europäischen Union ist für ein halbes Jahr, hat immer den Eindruck erweckt, dass die Briten alles tun werden, um zu einem Kompromiss zu kommen. Insofern, wenn jetzt diese Anstrengungen der Briten nicht aufrechterhalten würden, dann wäre es schon ein ziemlicher Schlag für die Europäische Union, das muss man sagen. Aber deswegen geht Europa nicht unter. Aber wir fordern die Briten auf, alles zu tun, doch noch zu einem Kompromiss zu kommen.
Kolkmann: Nun gibt es ja politische Kreise, vor allen Dingen in Brüssel, die sagen: Die britische Ratspräsidentschaft ist eine Katastrophe. Wie sieht man das seitens des Europaparlaments?
Pöttering: Also bisher war die britische Präsidentschaft nicht besonders erfolgreich. Der Außenminister Großbritanniens, Jack Straw, der in der vergangen Woche in Straßburg vor dem Europäischen Parlament berichtet hat, hat gesagt, ja es sei schon ein großer Erfolg, dass jetzt die Verhandlungen über den Beitritt mit der Türkei, mit Kroatien begonnen haben. Und das war eigentlich das Eingeständnis, dass nicht sehr viel erreicht ist, weil ja gerade über den möglichen Beitritt der Türkei es sehr unterschiedliche Positionen gibt. Unsere Fraktion ist zu einem großen Teil – wie auch CDU/CSU – dagegen. Wir wollen eine privilegierte Partnerschaft. Und deswegen kann man den Beginn der Verhandlungen nicht als einen großen Erfolg darstellen.
Kolkmann: Also kein großer Erfolg der britischen Ratspräsidentschaft. Ein Jahr ist nun auch der Kommissionspräsident Barroso im Amt. Frage, wie seine Erfolgsbilanz aussieht? Auch ihm wird vorgeworfen, dass er viele zentrale europäische Probleme nicht gerade einer Lösung entgegengebracht hat.
Pöttering: Ja nun muss man natürlich sehen, dass der Präsident der Europäischen Kommission, jetzt also José Manuel Barroso, den schwierigsten Job der Welt hat. Er ist der Präsident einer Kommission mit 25 Kommissaren, die er sich nicht aussuchen kann – die werden von den 25 Ländern der Europäischen Union bestimmt – und das heißt: Er hat eine Regierung, mit der er irgendwie klarkommen muss – obwohl der Ausdruck "Regierung" natürlich nicht ganz richtig ist: Es ist auch ein Exekutivorgan, die Kommission, sie macht auch Vorschläge für die Gesetzgebung, aber das Zustandekommen der Kommission liegt nicht in seiner Hand, sondern bei den nationalen Regierungen. Und deswegen war der Start auch sehr schwierig. Aber ich glaube schon, dass Barroso jetzt mit seiner Kommission alles in allem den richtigen Weg gefunden hat. Seine Hauptaufgabe sieht er darin, Arbeitsplätze zu schaffen oder – sagen wir – die Rahmenbedingungen mit zu ermöglichen, dass ein Umfeld für eine positive Atmosphäre in der Wirtschaft geschaffen wird. Und das finde ich schon sehr gut. Weniger Gesetzgebung, weniger Bürokratie, mehr Berücksichtigung des Subsidiaritätsprinzips, das heißt, dass nicht Europa alle Themen an sich reißen sollte, sondern wir wirklich überlegen: Was muss national gemacht werden, was muss aber auch europäisch gemacht werden? Dieser Kurs ist insgesamt richtig.
Kolkmann: Haben Sie das Gefühl, dass da seitens der Brüsseler Kommission durchaus für Europa schon mehr Dynamik verliehen worden ist?
Pöttering: Also ich glaube schon, dass Barroso und sein Team der Kommission, dass sie sich Mühe geben, jetzt einen richtigen Kurs zu finden. Und ein Jahr ist ja keine sehr lange Zeit. Wenn Sie berücksichtigen: Es liegt da immer die Sommerpause dazwischen, die Weihnachtspause – ein Jahr geht sehr schnell herum. Und ich glaube, dass die Kommission jetzt diese vier Jahre, die sie noch vor sich hat – das Ganze entspricht ja auch der fünfjährigen Wahlperiode des Europäischen Parlamentes –, dass die Kommission jetzt irgendwie doch ihren Weg gefunden hat. Und wir als Fraktion der Europäischen Volkspartei, also der Christdemokraten, unterstützen grundsätzlich die Kommission auf ihrem Weg, für Europa etwas zu leisten und die europäische Einigung, die dringend notwendig ist, zu fördern und weiterzukommen.
Kolkmann: Das große Desaster auf europäischer Ebene war ja neben dem Scheitern der Finanzplanung vor allen Dingen die gescheiterten Referenden über die EU-Verfassung in Frankreich und den Niederlanden. Nun hat Barroso einen "Plan D" erarbeitet, er heißt "Dialog, Demokratie, Debatte". Das klingt so, als wolle er der Verfassung wieder neuen Schub geben. Auf der anderen Seite ist zu hören – aus den so genannten politischen Kreisen –, dass man innerhalb der Kommission die Verfassung schon für tot erklärt habe.
Pöttering: Also wir haben ja gerade jetzt in diesen Tagen den Kongress der Sozialisten in Frankreich erlebt und die Sozialisten haben sich nach den Informationen, die ich gerade vor ganz wenigen Stunden bekommen habe, wohl darauf geeinigt, um die Geschlossenheit der Sozialisten in Frankreich zu wahren, dass sie nicht an der Verfassung festhalten wollen. Und dieses muss natürlich sehr scharf kritisiert werden. Und da sind wir dann auch gleich bei der Kommission: Wir brauchen die Hauptelemente der Verfassung, mit dem Werteteil der Verfassung. Erstmalig haben es die Europäer geschafft, gemeinsame Werte aufzuschreiben, sich darauf zu verständigen. Und wir brauchen auch eine Verbesserung des Entscheidungssystems der Europäischen Union. Und deswegen dürfen die Prinzipien der Verfassung, die wesentliche Substanz der Verfassung, das darf nicht aufgegeben werden. Und es ist eine wichtige Aufgabe der Kommission – wie natürlich auch des Europäischen Parlamentes, des Ministerrates –, jetzt darüber nachzudenken, wie wir die wesentlichen Inhalte der Verfassung – wenn es denn nicht die ganze Verfassung ist –, wie wir aber die wesentlichen Inhalte der Verfassung in geltendes Recht und damit in die politische Wirklichkeit überführen können. Und da sehe ich auch eine Hauptaufgabe der Kommission, dieses zu tun. Eine Aufgabe des Kommissionspräsidenten, aber der gesamten Kommission.