Pöttering: Blair soll sich zur europäischen Einigung bekennen
Von der Rede des britischen Premierministers Tony Blair vor dem Europaparlament erhofft sich der Vorsitzende der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament, Hans-Gert Pöttering, eine "europäische Rede". Er erwarte von Tony Blair, dass er seinen Beitrag leiste, wieder Vertrauen zu schaffen, und dass er sich zur europäischen Einigung bekenne, sagte Poettering.
Ostermann: Am Telefon von Deutschlandradio Kultur begrüße ich den Fraktionschef der EVP, der Europäischen Volkspartei, Hans-Gert Pöttering. Guten Morgen, Herr Pöttering.
Pöttering: Guten Morgen, Herr Ostermann.
Ostermann: Teilen Sie die Skepsis vieler, dass mit Tony Blair der zur Zeit falsche Mann die Ratspräsidentschaft übernimmt?
Pöttering: Ich glaube, wir kommen in der schwierigen Situation, in der wir jetzt sind, in der Europäischen Union nicht weiter, wenn wir Schuldzuweisungen machen. Wir haben gestern Jean-Claude Juncker für sein großes Engagement unsere Achtung, unsere Anerkennung ausgesprochen, aber ohne, jedenfalls was unsere Fraktion angeht, Schuldzuweisungen anderen gegenüber vorzunehmen. Wir erwarten heute vom britischen Premierminister, der ab 1. Juli dann der Präsident des Europäischen Rates sein wird, dass er seinen Beitrag leistet, Vertrauen wieder zu schaffen. Denn wir brauchen Vertrauen zwischen den Staats- und Regierungschefs, damit wir die Sachfragen lösen können. Wir erwarten auch von Tony Blair, dass er eine europäische Rede hält, sich nicht nur auf den Markt konzentriert, was wichtig ist, sondern auch sagt, dass er sich zur europäischen Einigung bekennt. Wenn das heute geschieht, dann glaube ich, kann dies eine Präsidentschaft werden, die durchaus erfolgreich sein kann.
Ostermann: Welches Problem wiegt für sie derzeit schwerer: Die ungeklärten Fragen des Haushaltes oder die Verfassung?
Pöttering: Die Summe der beiden Dinge ist natürlich das, was wir so enttäuschend finden an der Entwicklung der Europäischen Union gegenwärtig. Wenn man die Elemente für sich nimmt, ist sicher die Abstimmung in Frankreich, die Abstimmung in den Niederlanden, die zu einem Nein zur Verfassung geführt haben, das, was mehr enttäuschen muss. Wir müssen alle Anstrengungen darauf verwenden, dass die beiden ersten Teile der Verfassung, wo es um die Werte geht und um die Entscheidungsprozesse innerhalb der Europäischen Union und auch um die Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen Europäischer Union und den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, wir müssen alle Anstrengungen darauf verwenden, dass das rechtliche und damit politische Wirklichkeit werden kann. In einem solchen Sinne darf die Verfassung nicht passé sein, sondern wir müssen eine Methode entwickeln, dass wir diese beiden wichtigen Teile der Verfassung, die ja die Antwort sind auf viele ungelöste Probleme, auch der Demokratie, der Offenheit der Gremien, die entscheiden, das sind ja richtige Antworten, das müssen wir sehen, dass wir das in die politische Wirklichkeit überführen. Da sollte auch Tony Blair sich klar erklären.
Ostermann: "Klar erklären" bedeutet was? Denn die Briten haben sich ja diesbezüglich noch nicht geäußert, wann sie beispielsweise über die Verfassung abstimmen wollen. Könnte das ein Zeichen sein, das Sie erwarten und erhoffen?
Pöttering: Ich glaube, es ist jetzt nicht das Entscheidende, dass der britische Premierminister sagt, er wird ein Referendum machen. Das würde ja zunächst auch einmal aus britischer Sicht bedeuten, dass das Nein der Franzosen und der Niederländer aufgehoben wird, sondern wir müssen nach einer Methode suchen, wie wir diese beiden ersten Teile der Verfassung, von denen ich sprach, unsere Werte in der Europäischen Union und die Verbesserung der Entscheidungsprozesse, wie wir das in einem schlankeren Vertrag Wirklichkeit werden lassen. Deswegen können wir nicht einfach sagen, die Verfassung ist tot oder sie ist passé, sie ist nicht mehr da. Nein, diese Kernelemente müssen wir in die Wirklichkeit überführen und wenn Tony Blair sich zu einer starken Europäischen Union bekennt, die das auch beinhaltet, dann würde er ein wirklich europäisches Signal geben. Ich erwarte von ihm, dass er klar sagt, dass auch seine Regierung nicht einfach nur eine europäische Freihandelszone will, denn das wäre nicht unser Europa. Wir wollen ein offenes Europa, ein Europa des Binnenmarktes selbstverständlich, aber wir wollen auch eine starke, handlungsfähige Europäische Union. Wenn er da ein Signal gibt, dann kann seine Präsidentschaft ein Erfolg werden.
Ostermann: Beim Haushalt deuten die Briten Bewegung an. Blair sprach von Anomalie, was den Rabatt betrifft. Auch der Schwede Persson spricht sich für eine Senkung der Agrarausgaben aus. Muss sich Paris jetzt nicht bewegen?
Pöttering: Alle müssen ihren Beitrag leisten, damit man zu Kompromissen kommt. Der Briten-Rabatt ist natürlich nicht mehr zeitgemäß. Der Briten-Rabatt ist ja in den 80er Jahren entstanden, weil Großbritannien relativ viel in den europäischen Haushalt hineinzahlt und im Hinblick auf die Agrarpolitik relativ wenig zurückbekommt. - Dadurch dieser große Unterschied zu dem, was sie zahlen und zu dem, was sie zurückbekommen. Also hat das was mit der Agrarpolitik zu tun. Aber man darf jetzt auch nicht den Fehler machen, dass man die Agrarpolitik diffamiert, sie ist die einzige Politik, die die Europäer gemeinsam machen. Sicherlich muss es auch dort Korrekturen und Reformen geben, aber man darf sie nicht grundsätzlich diffamieren, weil der ländliche Raum für uns alle sehr bedeutend ist. Wenn man von der Reform der Agrarpolitik spricht, dann muss man sich Einzelbereiche anschauen, wir dürfen auch nicht überregulieren. Vor allen Dingen müssen wir auch darüber nachdenken, ob es nicht denkbar ist, dass wir im Bereich der Agrarpolitik kofinanzieren, das heißt, dass die Nationalstaaten einen Teil der Leistungen erbringen, das heißt, das würde dazu führen, dass man nach Brüssel weniger Geld abführt und das wäre auch dann ein Beitrag im Sinne der Lösung der Probleme des Briten-Rabatts. Das sind schwierige Fragen, aber wichtig ist, Herr Ostermann, dass wir zu einer Einigung kommen bei den Finanzfragen. Es geht ja um den Zeitraum 2007 bis 2013. Wir brauchen diese Finanzplanung, weil nämlich die mitteleuropäischen Länder, die Polen, die Tschechen, die Ungarn, die Esten, die Litauer, die Slowenen jetzt diese Finanzplanung brauchen, damit sie ihre marode Wirtschaft, die ja 50 Jahre Kommunismus überwinden muss, damit sie diese marode Wirtschaft reformieren können.
Pöttering: Guten Morgen, Herr Ostermann.
Ostermann: Teilen Sie die Skepsis vieler, dass mit Tony Blair der zur Zeit falsche Mann die Ratspräsidentschaft übernimmt?
Pöttering: Ich glaube, wir kommen in der schwierigen Situation, in der wir jetzt sind, in der Europäischen Union nicht weiter, wenn wir Schuldzuweisungen machen. Wir haben gestern Jean-Claude Juncker für sein großes Engagement unsere Achtung, unsere Anerkennung ausgesprochen, aber ohne, jedenfalls was unsere Fraktion angeht, Schuldzuweisungen anderen gegenüber vorzunehmen. Wir erwarten heute vom britischen Premierminister, der ab 1. Juli dann der Präsident des Europäischen Rates sein wird, dass er seinen Beitrag leistet, Vertrauen wieder zu schaffen. Denn wir brauchen Vertrauen zwischen den Staats- und Regierungschefs, damit wir die Sachfragen lösen können. Wir erwarten auch von Tony Blair, dass er eine europäische Rede hält, sich nicht nur auf den Markt konzentriert, was wichtig ist, sondern auch sagt, dass er sich zur europäischen Einigung bekennt. Wenn das heute geschieht, dann glaube ich, kann dies eine Präsidentschaft werden, die durchaus erfolgreich sein kann.
Ostermann: Welches Problem wiegt für sie derzeit schwerer: Die ungeklärten Fragen des Haushaltes oder die Verfassung?
Pöttering: Die Summe der beiden Dinge ist natürlich das, was wir so enttäuschend finden an der Entwicklung der Europäischen Union gegenwärtig. Wenn man die Elemente für sich nimmt, ist sicher die Abstimmung in Frankreich, die Abstimmung in den Niederlanden, die zu einem Nein zur Verfassung geführt haben, das, was mehr enttäuschen muss. Wir müssen alle Anstrengungen darauf verwenden, dass die beiden ersten Teile der Verfassung, wo es um die Werte geht und um die Entscheidungsprozesse innerhalb der Europäischen Union und auch um die Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen Europäischer Union und den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, wir müssen alle Anstrengungen darauf verwenden, dass das rechtliche und damit politische Wirklichkeit werden kann. In einem solchen Sinne darf die Verfassung nicht passé sein, sondern wir müssen eine Methode entwickeln, dass wir diese beiden wichtigen Teile der Verfassung, die ja die Antwort sind auf viele ungelöste Probleme, auch der Demokratie, der Offenheit der Gremien, die entscheiden, das sind ja richtige Antworten, das müssen wir sehen, dass wir das in die politische Wirklichkeit überführen. Da sollte auch Tony Blair sich klar erklären.
Ostermann: "Klar erklären" bedeutet was? Denn die Briten haben sich ja diesbezüglich noch nicht geäußert, wann sie beispielsweise über die Verfassung abstimmen wollen. Könnte das ein Zeichen sein, das Sie erwarten und erhoffen?
Pöttering: Ich glaube, es ist jetzt nicht das Entscheidende, dass der britische Premierminister sagt, er wird ein Referendum machen. Das würde ja zunächst auch einmal aus britischer Sicht bedeuten, dass das Nein der Franzosen und der Niederländer aufgehoben wird, sondern wir müssen nach einer Methode suchen, wie wir diese beiden ersten Teile der Verfassung, von denen ich sprach, unsere Werte in der Europäischen Union und die Verbesserung der Entscheidungsprozesse, wie wir das in einem schlankeren Vertrag Wirklichkeit werden lassen. Deswegen können wir nicht einfach sagen, die Verfassung ist tot oder sie ist passé, sie ist nicht mehr da. Nein, diese Kernelemente müssen wir in die Wirklichkeit überführen und wenn Tony Blair sich zu einer starken Europäischen Union bekennt, die das auch beinhaltet, dann würde er ein wirklich europäisches Signal geben. Ich erwarte von ihm, dass er klar sagt, dass auch seine Regierung nicht einfach nur eine europäische Freihandelszone will, denn das wäre nicht unser Europa. Wir wollen ein offenes Europa, ein Europa des Binnenmarktes selbstverständlich, aber wir wollen auch eine starke, handlungsfähige Europäische Union. Wenn er da ein Signal gibt, dann kann seine Präsidentschaft ein Erfolg werden.
Ostermann: Beim Haushalt deuten die Briten Bewegung an. Blair sprach von Anomalie, was den Rabatt betrifft. Auch der Schwede Persson spricht sich für eine Senkung der Agrarausgaben aus. Muss sich Paris jetzt nicht bewegen?
Pöttering: Alle müssen ihren Beitrag leisten, damit man zu Kompromissen kommt. Der Briten-Rabatt ist natürlich nicht mehr zeitgemäß. Der Briten-Rabatt ist ja in den 80er Jahren entstanden, weil Großbritannien relativ viel in den europäischen Haushalt hineinzahlt und im Hinblick auf die Agrarpolitik relativ wenig zurückbekommt. - Dadurch dieser große Unterschied zu dem, was sie zahlen und zu dem, was sie zurückbekommen. Also hat das was mit der Agrarpolitik zu tun. Aber man darf jetzt auch nicht den Fehler machen, dass man die Agrarpolitik diffamiert, sie ist die einzige Politik, die die Europäer gemeinsam machen. Sicherlich muss es auch dort Korrekturen und Reformen geben, aber man darf sie nicht grundsätzlich diffamieren, weil der ländliche Raum für uns alle sehr bedeutend ist. Wenn man von der Reform der Agrarpolitik spricht, dann muss man sich Einzelbereiche anschauen, wir dürfen auch nicht überregulieren. Vor allen Dingen müssen wir auch darüber nachdenken, ob es nicht denkbar ist, dass wir im Bereich der Agrarpolitik kofinanzieren, das heißt, dass die Nationalstaaten einen Teil der Leistungen erbringen, das heißt, das würde dazu führen, dass man nach Brüssel weniger Geld abführt und das wäre auch dann ein Beitrag im Sinne der Lösung der Probleme des Briten-Rabatts. Das sind schwierige Fragen, aber wichtig ist, Herr Ostermann, dass wir zu einer Einigung kommen bei den Finanzfragen. Es geht ja um den Zeitraum 2007 bis 2013. Wir brauchen diese Finanzplanung, weil nämlich die mitteleuropäischen Länder, die Polen, die Tschechen, die Ungarn, die Esten, die Litauer, die Slowenen jetzt diese Finanzplanung brauchen, damit sie ihre marode Wirtschaft, die ja 50 Jahre Kommunismus überwinden muss, damit sie diese marode Wirtschaft reformieren können.