Poetry Slam

Absolute Beginner

Die Bremer Studentin und Schauspielerin Julia Engelmann beim Poetry Slam im Mai 2013 an der Universität Bielefeld. Mit ihrem Aufruf, das Leben besser zu nutzen, hat sie einen Internet-Hit gelandet. Das YouTube-Video wurde bis zum 20.01.2013 etwa 2,5 Millionen Mal angesehen.
Die Bremer Studentin Julia Engelmann - hier beim Poetry-Slam an der Universität Bielefeld - erlangte 2013 einen Internet-Hit. © picture alliance / dpa / Foto: Campus TV/Universität Bielefeld
Von Almut Schnerring und Sascha Verlan · 11.07.2014
Poetry-Slam, dieser Dichterwettstreit vor Publikum, erfreut sich seit Jahren immer größerer Beliebtheit. Auch immer mehr Schüler finden daran gefallen. In Bochum und Stuttgart konnte der Nachwuchs erste Erfahrungen sammeln.
Sebastian: "Meine sehr verehrten Damen und Herren, herzlich willkommen zum Poetry-Slam hier im 'Theater Unten' in Bochum."
Nikita Gorbunow: "Wir sind heute hier, um einen Poetry-Slam stattfinden zu lassen und zwar nicht irgendeinen Poetry-Slam, nein, den U20-Poetry Slam hier in Stuttgart."
Seit gut zehn Jahren gibt es U20-Slams im deutschsprachigen Raum, zuerst in Darmstadt, dann in Stuttgart und in der Schweiz. Poetry-Slams, literarische Bühnenwettkämpfe also, bei denen Jugendliche bis zum Alter von einschließlich 20 Jahren um die Gunst des Publikums streiten.
Sebastian: "Ihr seid diejenigen, die entscheiden, wer beim Poetry-Slam gewinnt."
Hilfestellung von erfahrenen Slam-Poeten
Und da man die Jugendlichen nicht unvorbereitet auf die große Bühne schicken will, werden diese U20-Slams oft durch Workshops von erfahrenen Slam-Poeten und Poetinnen vorbereitet und begleitet. Zwei solche Workshops mit anschließenden Poetry-Slams fanden Anfang des Jahres in Stuttgart und am Schauspielhaus Bochum statt.
Harry Kienzler: "Und jetzt sind wir bereit, in den Wettbewerb einzusteigen."
Sebastian: "Als erstes der Mann, der sich so selbstlos für die erste Startposition beworben hatte, der jetzt hier vor euch ins kalte Wasser springt beziehungsweise an dieses noch etwas kühle Mikrofon."
Gorbunow: "Jetzt müsst ihr eure Konzentration zusammen nehmen und alle positive Energie, die in euren Herzen schlummert, auf diese Bühne schicken, denn wir legen los im Wettbewerb, jetzt geht 's für die Teilnehmer und Teilnehmerinnen um alles, also bitte: respektiert das, würdigt das entsprechend."
Gorbunow: "Überraschend war heute, dass die Mädchen so rough waren, dass die heute ganz viele Schimpfwörter in den Mund genommen haben, das hab ich so als Trend noch nicht kommen sehen."
Nikita Gorbunow ist Bühnenkünstler und lebt in Stuttgart. Er organisiert und leitet seit vielen Jahren Schreibwerkstätten und Poetry-Slam-Workshops für Jugendliche an Theatern und Kulturzentren… und vor allem an Schulen:
Gorbunow:"Und so kriegt man eben auch die Leute, die sich nicht für Bücher interessieren, die keinen Bock auf Schreiben haben. Es passiert ja auch in 'nem Workshop am meisten bei denen, die einfach keine Lust haben, die sagen, Texte find ich scheiße, wer isch der Typ, oder bei denen, die sagen, Texte, des find ich schwul, so, da passiert am meisten, weil die sich ja nicht dagegen wehren können gegen die Erfahrung, etwas zu schreiben, die können sich nicht dagegen wehren einfach."
Der Stuttgarter U-20-Slams und die vorbereitenden Workshops werden organisiert und veranstaltet vom Verein 'ausdrucksreich e.V.', in dem Nikita Gorbunow mit Harry Kienzler und Matthias Gronemeyer zusammen arbeitet.
"Ich bin eher Quatschfeministin"
Sandra Steinert ist aus Heidelberg angereist, um am 10. U20-Slam in Stuttgart teilzunehmen. In ihrem Text greift sie eine Idee auf, die Beyonce vor ein paar Jahren mit großem Erfolg in den Hitparaden platzierte, 'If I were a Boy', wie wäre es, ein Junge zu sein. Das von Sandra Steinert gezeichnete Männerbild ist nicht wirklich sympathisch, und doch wird deutlich, welche Privilegien Männer genießen und beanspruchen, als Feministin sieht sie sich trotzdem nicht.
"Das Problem ist, dass der Begriff so 'n bisschen verschrien ist, und ich mich nicht als diese Art von Feministin sehe, von denen es heutzutage irgendwie nur hauptsächlich Frauen gibt, die in jeder Kleinigkeit Sexismus sehen und Unterdrückung, das finde ich nicht, weißt du, wie ich 's meine. Ja, ich bin, keine Ahnung, ich bin vielleicht Wortfeministin oder in meinen Texten bin ich feministisch, aber eigentlich so im Leben mach ich hauptsächlich Quatsch und sonst irgendwas nicht, ich bin eher Quatschfeministin oder Quatschmacherin, ich weiß es nicht."
Sandra: "Ich finde einfach, dass es langsam Zeit wird, auch an die Männer zu denken, weil Männer unterliegen auch so 'nem extremen Rollenbild, auch das, was mein Text zeigt, dieses extrem Harte und ja nicht nur nicht weich sein, und das ist ja auch irgendwie 'ne Unterdrückung von der Persönlichkeit."
Harry Kienzler: "Ich kann sehen, dass Ihr da auf dem Handy spielt, das ist wirklich sehr respektlos, ja, macht 's bitte woanders."
Gorbunow:"Lisa Ehmer von Startplatz eins setzt sich ja im Grunde damit auseinander: wie geht 's mir als Mädchen damit, dass lauter Leute auf Youtube Bitches aufzählen und vor Benz-Autos stehen, die sagt: hey ja, ich geb euch jetzt mal Tipps, wie man auch so 'n Gangster wird, und macht sich da drüber lustig."
Lisa: "Ich will halt zeigen, dass es lächerlich ist, aber dass man einfach tolerant sein sollte, die Leute zu lassen, aber dass die Leute, die so lächerlich dann im Endeffekt sind, sich darüber im Klaren werden, wie sie auf andere vielleicht auch mal wirken, dass es, wie gesagt, lächerlich ist."
Eine zierliche junge Frau vor einem erstaunten Publikum
Lisa steht fast schüchtern auf der Bühne, das Mikrofon hängt zu hoch, ihre Stimme wirkt brüchig, sie räuspert sich. Ist es Aufregung und Unerfahrenheit? Oder ist es Kalkül? Eine zierliche junge Frau erklärt da einem erstaunten Publikum, wie man am besten zum echt harten Kerl wird, und entlarvt gekonnt die Posen der bekannt-berüchtigten Gangster-Rapper.
Lisa: "Mir ist aufgefallen, dass viele Leute, die ich kenne, einfach dieses Schubladendenken haben und dadurch sagen, du bist so, und du bist so. Und ich mag das einfach überhaupt nicht, weil wenn mir was gefällt, dann mach ich das, und wenn mir etwas nicht gefällt, dann mach ich 's nicht, dass ich jetzt Hip-Hop hör, heißt nicht, dass ich automatisch einen Minirock tragen muss oder so hohe Nike-Absatzschuhe oder irgendwelche Glitzersachen, ich mag halt das Lied. Aber auf der anderen Seite, wenn ich irgendwelche Klassiklieder höre, ich nicht im Frack in die Schule lauf und nur mit dem Finger oben mein Glas austrinke, irgendwie so, ich finde, dass man einfach dieses Schubladendenken und dieses Klischee, das mag ich einfach gar nicht."
Sebastian: "Riesenapplaus für Anja."
Anja: "In der Schule meinten die auch immer, ja, schreib doch noch mal 'n Rap, und dann war ich eigentlich immer voll grimmig, ich schreib keine Raps, ich bin kein Rapper, ja!"
Anja hat einen Poetry-Slam-Workshop von Sebastian-23 besucht und im 'Theater Unten' im Schauspielhaus Bochum zum ersten Mal an einen Poetry-Slam teilgenommen:
Anja: "Wenn ich irgendwann mal 'n Anfang gefunden habe, dann hab ich irgendwie 'n bestimmten Rhythmus im Kopf und dann versuch ich, die Wörter oder die Verse so zu finden, dass die sich diesem Rhythmus anpassen können. Und dann form ich das so und freu mich dann auch ganz toll, wenn ich dann 'n Reim, also 'n Wort gefunden hab, was sich reimt und dem anpasst und den Witz rüberbringt."
Anja hat sich erst kurz vor der Veranstaltung entschieden, doch noch am Slam teilzunehmen. Ihren Text hat sie nicht ausgedruckt, sie liest ihn vom Display ihres Smartphones ab.
Sebastian: "Es gibt einen ganz konkreten Grund aus meiner persönlichen Biografie, warum ich mich da sehr gerne engagiere und sehr viele Workshops an Schulen und auch im Freizeitbereich gebe, denn als ich zur Schule gegangen bin, gab es das noch nicht, und ich hab das sehr schmerzlich vermisst."
Sebastian-23 ist Buchautor, Slam-Poet und Comedian aus Bochum. Mit seinen Mitstreitern von WortLautRuhr organisiert und prägt er die Poetry-Slam-Szene im Ruhrgebiet.
Sebastian: "Ich hab im Deutschunterricht immer schon Gedichte geschrieben, und das hat aber gefühlt niemanden interessiert. Grade im schulischen Umfeld war das dann so, ja, hmhm, so ja, okay, geh doch mal zur Schülerzeitung damit, vielleicht wollen die das irgendwie haben. Und das fand ich sehr schade."
Instrumente und andere Hilfsmittel sind tabu
Lino hat schon reichlich Bühnenerfahrung, allerdings als Musiker, und da hat er dann immer seine Gitarre dabei. Bei Poetry-Slams sind Instrumente und andere Hilfsmittel aber nicht erlaubt, weil sie vom reinen Text ablenken könnten. Um das Vertrauen zu finden, sich ganz auf das gesprochene Wort zu verlassen, hat Lino den Workshop bei Sebastian-23 im Schauspielhaus Bochum besucht, Ende April war das und zwei Tage später standen seine Abiturprüfungen an.
Lino: "Ja, das fängt übermorgen an mit Deutsch, ja, und warum mich alle fragen, warum ich jetzt hier bin, aber ich seh das so, dass das Abitur jetzt nicht wirklich das Wichtigste ist in meinem Leben, und ich da jetzt vielleicht mit 'ner schlechteren Note dadurch, nicht durch den Slam-Workshop, um Gottes Willen, aber auch durch meine vielleicht 'n bisschen lockere Haltung im Gegensatz zu anderen durchkomme, aber dann komm ich da halt durch mit der Konsequenz, dass ich am Ende dazu stehe und dann sage, ja, dann hatt' ich halt Sachen zu tun, die mir mehr Spaß und mehr gebracht haben, und und vielleicht wird 's dann dementsprechend auch aussehen, aber dann weiß ich wenigstens, dass ich dahinter stehe, vielleicht nicht mehr in zehn Jahren, aber jetzt tue ich das."
Sebastian: "Ich finde es sehr wichtig, dass man im Umgang mit der Sprache, beim Erlernen der Sprache und beim Vertiefen der Kenntnisse einer Sprache auch die kreativen Potenziale ausnutzt und einen ganz anderen Zugang auch schafft. Das gilt dann natürlich insbesondere im schulischen Kontext, wenn man da nur von vorne bedröhnt wird von Seiten der Lehrer und nur einen Text nach dem andern um die Ohren geballert kriegt und Interpretationen leisten soll, da geht etwas verloren, nämlich der eigene direkte Zugang zur Sprache."
Lino: "Weil ja die ganze Kreativität untergraben wird, indem man sagt, ja, ihr kriegt jetzt 'n Lückentext und schreibt ihn dann zu Ende. Und das ist ja schön, dass da jetzt die Wörter fehlen, aber wir haben ja auch konkrete Aufgaben bekommen, aber wir konnten da kreativ mit umgehen, also zum Beispiel: schreib mal 'n Text über 'n verwirrten Elch oder so. Und das macht ja Spaß, und nicht irgendwie, es macht keinen Spaß, irgendwie Lücken bei 'nem Goethe-Gedicht auszufüllen. Man kann 's lustig versuchen, aber dann wird man komisch angekuckt von den Lehrern."
Sebastian: "Das mag jetzt der eine oder andere Lehrer hören und sich denken, was erzählt der denn da, ich mache das doch in meinem Unterricht, es ist erfreulicherweise so, dass es gerade in den letzten Jahrzehnten, in den letzten 10, 15 Jahren einen wachsenden Anteil von Lehrern gibt, die das eben auch machen, die das erkennen, dass nicht nur das kreative Schreiben, dass auch Poetry-Slam-Texte etwas sind, mit dem Jugendliche schneller einen Kontakt finden, mit dem sie sich besser identifizieren können als mit klassischen Texte und dass das ein sehr guter Einstieg ist in die Arbeit mit Texten. Insofern glaube ich, hoffe ich, dass da ein Wandel grade stattfindet."
"Ich bin die einzige, die überhaupt so was macht"
Anja: "Leider überhaupt gar nicht, also ich bin echt so in der Stufe, also in der Stufe sind wir so 80 Leute, und ich bin so die einzige, die überhaupt so was macht und so, deswegen fanden die, das sei doch total cool oder waren davon begeistert, weil irgendwie wird so was gar nicht gemacht, und das find ich voll schade, weil ich hab daran auch total Spaß, mit Sprache zu experimentieren, so kreatives Schreiben nennt man das ja, es gibt das sogar an einigen Schulen als Fach richtig, hab ich gehört, und bei uns gar nicht so was und ja … ja … und deswegen kam das jetzt bei meinen Mitschülern, wenn ich mal so was irgendwie gemacht hab, immer ganz gut an, glaub ich."
Lino: "Ich kann mir auch Goethe durchlesen und dann daran sagen, ja, ich verstehe, wie ich mit Texten umgehen soll, das ist ja eigentlich nur 'ne Adaptionssache auf, ja, wie gehe ich an Texte ran, aber ich hätte mir mehr so was gewünscht in den zwei Jahren Leistungskurs, so was wie hier, so 'n bisschen neuer, es ist nicht, noch nicht mal am Rande drangekommen, Slam-Poetry, ja, es ist einfach, allgemein Kunstformen, die jetzt grade neu sind und von uns neu entdeckt werden, von uns jungen Leuten, wie das immer so schön von den Lehrern gesagt wird, das ist einfach nicht existent, weil der Lehrplan immer noch von alten, festgefahrenen Angestellten des Bildungsministeriums anscheinend gemacht wird."
Kathi: "Ich bin auch so 'n Streber, also manchmal und lese Goethe oder so was, macht mir halt sehr Spaß, ja, bin ich manchmal komisch."
Kathi kommt aus Herne, sie ist 16 Jahre alt und musste sich erst einmal überwinden, überhaupt am Poetry-Slam-Workshop von Sebastian-23 teilzunehmen.
Kathi: "Also ich lerne jetzt nicht so viel, aber ich lese so Sachen, die Streber lesen, deswegen. Ja, ich hab auch nicht so viele Freunde, die da mitgehen zu Poetry-Slams. Also ich hab Freunde, aber die interessiert das nicht, aber so ist das, ich kämpfe für meinen Traum… und irgendwann land ich dann mal in der Gasse… nein, das war jetzt ein Scherz, aber…"
Sebastian: "Kathi ist ja heute zum ersten Mal bei einem Slam aufgetreten, nachdem sie eben in dem Workshop war, und hat dafür einen sehr beeindruckenden Text hingelegt, der vor allen Dingen sich von den anderen Texten, ja, wie ich finde, positiv unterschieden hat, dadurch dass er nicht irgendwie so eine Schiene bediente, die man vielleicht auf die eine oder andere Art und Weise auf dem Poetry-Slam schon gehört hat."
Kathi: "Ich kann damit jetzt bei meinen Freunden nicht prahlen, es ist eher so ein, ähh, ehh, Tiefsinn, ähh, so. Ja, das nervt auch andere Menschen, kenn ich auch, ich versteh das auch selber, ich war jetzt die einzige, obwohl da war auch noch eine, und das kommt natürlich anders an und das ist halt nicht so was Flockiges, Leichtes."
Geil, wenn jemand aufblüht
Gorbunow: "Ich find 's immer geil, wenn ich sehe, dass jemand aufblüht, dass er über sich selbst hinauswächst und dafür veranstalten wir das auch, dass die Leute einfach sich selber flashen, boah, wie geil war das denn, wie krass, die Leute haben mich gefeiert für das, was ich gemacht hab, das ist 'ne total gute Erfahrung. Da lohnt sich 's auch, irgendwie zweihundert Zuschauer in einen Saal zu karren, um die geht 's ja gar nicht."
Kathi: "Am Ende kam noch eine Frau auf mich zu und meinte, ihr hat es sehr gefallen, und ich soll weitermachen, und ich glaub, ich will jetzt nicht die Masse ansprechen, aber für mich ist es viel mehr, ich will Sachen nicht abtun jetzt, aber wenn eine Frau auf mich zukommt, dann weiß ich, ich hab da was gemacht, als wenn ich irgendwas Witziges und sie nur unterhalten hab, dann gehen sie zwei Tage danach weg und haben es vergessen, aber das vielleicht nicht, und das bleibt vielleicht haften. Und das ist mir egal, wenn ich die Masse nicht anspreche, aber wenn ich für Einzelne wirklich was mache und bewege."
Gorbunow: "Bei 'ner echten Show ist ja auch so der Punkt, bei echten Slam-Poeten geht 's nur ums Publikum, der einzelne Mensch auf der Bühne, egal, kann keine Ahnung, kann sonst was für 'n Arsch sein, ist ja wurscht, Hauptsache die Leute sind unterhalten. Ist auch wurscht, wer gewinnt, es geht um die Show, die Menschen verdienen einen schönen Abend. Hier ist es umgedreht, beim U20-Slam geht es um den einzelnen Poeten, um die einzelne Poetin, die sollen Erfolg spüren."
Kathi: "Auch wenn ich irgendwann mal mit Hartz IV aufstocken möchte, aber es ist halt mein Traum, und den möchte ich machen. Kann auch sein, dass ich erst 16 bin und es daran liegt, aber ich hoffe, das bleibt mir, ist mir ganz wichtig."
Sebastian: "Man muss ja sagen, dass beim Poetry-Slam und jetzt nicht nur im Nachwuchsbereich sondern generell eigentlich viele Leute auf der Bühne sind, die jetzt vielleicht nicht schon immer mit einem große Selbstbewusstsein durch die Gegend laufen, viele sind vielleicht eher so 'ner Nerdschiene zuzuordnen, weil sie sich viel mit Sprache auseinander setzen, weil sie viel schreiben und das ist natürlich, was sich nicht unbedingt im Mainstream bewegt, das gilt nicht nur für die Medien, sondern genauso auf dem Schulhof und das merkt man vielen da auf den ersten Blick gar nicht an, was da für ein Potenzial vorhanden ist, weil sie ja, das eher so für sich ihre Gedichte schreiben, aber dann in so 'nem Workshop, wenn man dann nach und nach sieht, was die Leute eigentlich drauf haben, ist es natürlich besonders erfreulich."
Kathi bezeichnet sich selbst als Romanschreiberin. Die kurze Form, der direkte Kontakt mit dem Publikum, die Situation, dass alles Aufmerksamkeit im Raum auf sie gerichtet ist, sind neu für sie. Und doch entwickelt sie mit ihrer leisen, zurückhaltenden Art eine erstaunliche Bühnenpräsenz.
Kathi: "Ja, ich will mich jetzt mal trauen im Leben… ich war immer früher die in der hinteren Reihe saß, und jetzt will ich mal in der vorderen sitzen."
Jakob: "Also es macht einfach unglaublich Spaß, vor allem, du kannst dich komplett exaltieren und so 'n bisschen die Sau rauslassen, hohe Stimmen, tiefe Stimmen, betonen, Überbetonung, und es macht einfach unglaublich viel Spaß auch. Dann auch die Resonanz vom Publikum, Lachen, dann merkt man auch, wenn ein Text Freude bereitet, bereitet 's einem ja auch sehr viel Freude."
Erfolg vor großem Publikum
Jakob hat einen Poetry-Slam-Workshop an seiner Schule teilgenommen. Und er hat seine Sache so gut gemacht, dass ihn Nikita Gorbunow gleich zum 10. Stuttgarter U20-Slam eingeladen hat, weil er das Vertrauen hatte, dass Jakob auch vor einem großen Publikum mit 200, 300 Leuten bestehen würde mit seinem 'Rotkäppchen'-Text.
Jakob: "Mir ging 's halt darum, ich wollte was machen, was den Leuten gefällt, was nicht zu kompliziert ist, wo man nicht so erst mal so nachdenken muss, was meint er damit, so dass es einfach klar strukturiert ist und ich mein, es gibt genügend ernsthafte Texte, auch genügend zynische Texte, die kann man ja dann schön als Bücher rausbringen, ich find, für 'ne Slam-Bühne muss es irgendwas sein, was Spaß macht, vor allem soll das ja eben nichts Trauriges sein oder so was die Leute bedrückt, weil es soll ja auch Freude machen, deswegen dacht ich mir, so was, was Lustiges einfach."
Gorbunow: "Er hat toll performt, der Text hat alle angesprochen durch 'n Thema, das alle kennen, und er hat 's cool aufbereitet und die Jokes saßen und er hatte selbst richtig Spaß auf der Bühne. Ich hab das Stück dreimal hören dürfen, einmal beim Workshop, einmal bei der Präsentation in der Schule und einmal jetzt heute, und es war jedes Mal eine Steigerung, man hat gemerkt, dass er den Sieg will, dass er sich das holt. Und so funktioniert 's, also beim Poetry-Slam gewinnen immer die, die das Publikum gewinnen sehen will, nicht der allerbeste Künstler, nicht der schönste Künstler, nicht der abgefahrenste, sondern der, den alle für den Gewinner halten. Und das hat er heute einfach gerissen durch seine Energie. Und es ist auch 'n Superstück."
Jakob hat gleich seinen ersten Poetry-Slam gewonnen. Er war der Dichter auf der Bühne, den das Publikum gewinnen sehen wollte, der alle begeistert hat. Für ihn geht die Reise nun weiter, im September wird der U20-Slam-Meister oder die U20-Slam-Meisterin von Baden-Württemberg gekürt, der oder die dann zum U20-National-Slam nach Berlin reisen wird.
Jakob: "Ich weiß nicht, ich hab nicht so richtig damit gerechnet. Ich bin jetzt eigentlich hierher gegangen mit dem Gedanken, da sind Leute, die haben wahrscheinlich schon 50 Slams gemacht, und dass ich jetzt einfach versuch, möglichst viel Spaß zu haben und zu unterhalten, und dass ich dann gewinn, das war eine große Überraschung, ja."
Absolute Beginner. U20-Slams erzählen vom Erwachsenwerden. Von Almut Schnerring und Sascha Verlan. Mit Anja, Kathi, Lisa und Sandra, Lino und Jakob, die an den U20-Slam-Workshops von Nikita Gorbunow und Sebastian 23 teilgenommen haben und dann ihre ersten Erfahrungen auf der Slam-Bühne gemacht haben.
Die deutschsprachigen Poetry-Slam-Meisterschaften der Poeten unter 20 Jahren finden vom 24. bis 27. September in Berlin statt. Weitere Infos dazu auf der Homepage.
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