Poetry Clips
Poetry Slams sind seit Mitte der 90er Jahre in deutschen Großstädten in Mode gekommen: Gedichte und Geschichten live erzählt, in Clubs oder Kneipen, auf der Bühne, im Wettstreit um die Gunst des Publikums. Junge Dichter auf ihren ersten Schritten, Meister des Genres: jeder der sich traut. Auf der Buchmesse in Leipzig wird nun eine DVD vorgestellt, die einen Einblick gibt in diese besondere Szene und noch mehr sein will: Poetry Clips, ein neues Literaturformat.
Wolf Hogekamp: "Drogen"
"Morgens kann man unmöglich in Ruhe Drogen nehmen, weil dann klingelt's an der Tür und da sind denn Leute, die behaupten, sie beschäftigen sich mit deinen Schulden. "
Wolf Hogekamp, er steht am Bahnsteig.
Wolf Hogekamp: "Drogen"
"Abends kann man unmöglich in Ruhe Drogen nehmen, dann klingelt's wieder an der Tür und da stehen dann deine Freunde und die sind wie immer, maßlos"."
Großstadtlyrik im Musik-Clip-Format, nicht länger als 5 Minuten, wie ein guter Popsong. Wolf Hogekamp war einer der ersten Slam-Poeten in Deutschland, Anfang der 90er Jahre. Er organisierte die ersten Poetry-Slams, Wettbewerbe in Clubs. Und hat nun auch dieses neue Lyrik-Format mit entwickelt. Poetry Clips.
Wolf Hogekamp: "Drogen"Nachmittags kann man unmöglich in Ruhe Drogen nehmen, weil wenn du bei Aldi in der Schlange stehst, und Drogen nimmst, - so funktioniert das nicht!"
Die Clips sind rauh, schnell geschnitten, in Farbe oder schwarzweiß, die Aufnahmen zum Teil visuell bearbeitet. Die Tonqualität: auch rauh, ganz bewußt als Stilmittel:
Jan Off: "In den Städten"
"In den Städten, wo sich die einen hinter Stahl und Glas verschanzen und die anderen Whiskas lutschen, in diesen Städten wird der Krieg beginnen."
Viele der Poeten leben in Berlin, sind in der Poetry-Szene bekannt. Die Grenze zum Kabarett ist fließend. Sebastian Krämer ein solcher Grenzgänger. Der deutsche Poetry-Slam-Champion 2003 würde Bonn angreifen:
Sebastian Krämer: "Bonn"
"Bonn hat heute immer noch die größte Bundeskanzlerdichte in der Republik, zumindest auf dem Friedhof, Bonn ist so was von daneben, so was abgelegtes, so was von Vergangenheit, und eben deshalb würd ich Bonn angreifen, Bonn ist das perfekte Angriffsziel."
Die Spoken-Word-Szene scheint eine Männerdomäne, zumindest auf dieser DVD. Nur zwei PoetInnen sind vertreten:
Tanja Dückers: "Die Stadt klimpert ihr Uhrwerk, Absätze klappern ihr Stakkato über Gulli-Rändern, Papierkörbe wiederkäuen Liebesgedichte."
Tanja Dückers, "Geheime Botschaften". Sie spricht in die Kamera, vor einem seltsamen rosa Schrank.
Tanja Dückers: "In den Mülltonnen der zweiten Hinterhöfe warten abgenagte Lutscherstile, unter Fischgräten, Kartoffelresten und alten Socken."
"We gonna start tonight a poetry reading"
Bob Holman, einer der Urväter des Poetry Slams aus den USA.
Eine Ehrenbekundung, visuell nicht besonders ausgefallen, aber seine besondere Präsenz ist zu spüren, auch über den Bildschirm. Das ist auch die Intention der Macher, Poetry Clips sollen die verschiedenen Facetten der Spoken-Word-Dichtung transportieren, also nicht nur den Text, wie bei einem Buch, sondern auch die Stimme, die Intonation, die Mimik und Gestik. Gleichzeitig sollen die Clips mehr sein als abgefilmte Lesungen - und sind es dann oft doch nicht, die Bilder, die visuelle Ebene, ist nicht immer sonderlich überraschend.
Toby Tiger: "Der Scheiß"
"Du musst Dir das so vorstellen, ich reise quasi mit Lichtgeschwindigkeit, wie der Lichterschein durch den Raum und überwinde die Zeit. Die Rhymes sind die Überschallflieger, die Beats der Treibstoff und alles ist flow."
Auf dem Sofa, Chips essend und Ice-Tee trinkend, in der U-Bahn, im Auto – in einer Mischung aus Werbe– und Heimkino-Super8-Film-Ästhetik.
Kristoffer Freudel: "Fahrend"
"Küsschen hier, Foto da, Küsschen hier, Foto da und ich würde ganz nebenbei noch zwei bis drei Trends setzen, zwei bis drei Trends setzen, alle würden wissen wollen, wie, oh mein Gott wie, hat er das gemacht?"
Selbstverliebte Inszenierungen von Poeten, die, so scheint es manchmal, nicht besonders viel zu erzählen haben. Das sind die Clips, die man sich nicht öfters anschauen will – und auch nicht muss, schließlich kann man die Stücke einzeln ansteuern.
Aber es gibt auch Stücke, die im Kopf hängen bleiben, meist die kurzen. Wahre Momente. Und die Wortakrobatik:
Bas Böttcher: "Sind die plugins installiert und pincodes generiert, mit shockwave komprimiert, werden midi-sounds minimiert, lad diesen Track mit dem dritten MPEG und wirf dich weg mit hitec."
Wirf Dich weg mit hitec – ein schöner Satz. Poetry Clips – auch wenn nicht alle überzeugen, ein interessantes Experiment.
Service:
Die DVD "Poetry Clips", 100 Minuten, etwas für Liebhaber des Ausgefallenen, mit crossmedialem Anspruch: erhältlich im Buch- und im Tonträgerhandel. Oder im Internet unter www.poetry-clips.net, dort kann man sich die Clips auch anschauen.
"Morgens kann man unmöglich in Ruhe Drogen nehmen, weil dann klingelt's an der Tür und da sind denn Leute, die behaupten, sie beschäftigen sich mit deinen Schulden. "
Wolf Hogekamp, er steht am Bahnsteig.
Wolf Hogekamp: "Drogen"
"Abends kann man unmöglich in Ruhe Drogen nehmen, dann klingelt's wieder an der Tür und da stehen dann deine Freunde und die sind wie immer, maßlos"."
Großstadtlyrik im Musik-Clip-Format, nicht länger als 5 Minuten, wie ein guter Popsong. Wolf Hogekamp war einer der ersten Slam-Poeten in Deutschland, Anfang der 90er Jahre. Er organisierte die ersten Poetry-Slams, Wettbewerbe in Clubs. Und hat nun auch dieses neue Lyrik-Format mit entwickelt. Poetry Clips.
Wolf Hogekamp: "Drogen"Nachmittags kann man unmöglich in Ruhe Drogen nehmen, weil wenn du bei Aldi in der Schlange stehst, und Drogen nimmst, - so funktioniert das nicht!"
Die Clips sind rauh, schnell geschnitten, in Farbe oder schwarzweiß, die Aufnahmen zum Teil visuell bearbeitet. Die Tonqualität: auch rauh, ganz bewußt als Stilmittel:
Jan Off: "In den Städten"
"In den Städten, wo sich die einen hinter Stahl und Glas verschanzen und die anderen Whiskas lutschen, in diesen Städten wird der Krieg beginnen."
Viele der Poeten leben in Berlin, sind in der Poetry-Szene bekannt. Die Grenze zum Kabarett ist fließend. Sebastian Krämer ein solcher Grenzgänger. Der deutsche Poetry-Slam-Champion 2003 würde Bonn angreifen:
Sebastian Krämer: "Bonn"
"Bonn hat heute immer noch die größte Bundeskanzlerdichte in der Republik, zumindest auf dem Friedhof, Bonn ist so was von daneben, so was abgelegtes, so was von Vergangenheit, und eben deshalb würd ich Bonn angreifen, Bonn ist das perfekte Angriffsziel."
Die Spoken-Word-Szene scheint eine Männerdomäne, zumindest auf dieser DVD. Nur zwei PoetInnen sind vertreten:
Tanja Dückers: "Die Stadt klimpert ihr Uhrwerk, Absätze klappern ihr Stakkato über Gulli-Rändern, Papierkörbe wiederkäuen Liebesgedichte."
Tanja Dückers, "Geheime Botschaften". Sie spricht in die Kamera, vor einem seltsamen rosa Schrank.
Tanja Dückers: "In den Mülltonnen der zweiten Hinterhöfe warten abgenagte Lutscherstile, unter Fischgräten, Kartoffelresten und alten Socken."
"We gonna start tonight a poetry reading"
Bob Holman, einer der Urväter des Poetry Slams aus den USA.
Eine Ehrenbekundung, visuell nicht besonders ausgefallen, aber seine besondere Präsenz ist zu spüren, auch über den Bildschirm. Das ist auch die Intention der Macher, Poetry Clips sollen die verschiedenen Facetten der Spoken-Word-Dichtung transportieren, also nicht nur den Text, wie bei einem Buch, sondern auch die Stimme, die Intonation, die Mimik und Gestik. Gleichzeitig sollen die Clips mehr sein als abgefilmte Lesungen - und sind es dann oft doch nicht, die Bilder, die visuelle Ebene, ist nicht immer sonderlich überraschend.
Toby Tiger: "Der Scheiß"
"Du musst Dir das so vorstellen, ich reise quasi mit Lichtgeschwindigkeit, wie der Lichterschein durch den Raum und überwinde die Zeit. Die Rhymes sind die Überschallflieger, die Beats der Treibstoff und alles ist flow."
Auf dem Sofa, Chips essend und Ice-Tee trinkend, in der U-Bahn, im Auto – in einer Mischung aus Werbe– und Heimkino-Super8-Film-Ästhetik.
Kristoffer Freudel: "Fahrend"
"Küsschen hier, Foto da, Küsschen hier, Foto da und ich würde ganz nebenbei noch zwei bis drei Trends setzen, zwei bis drei Trends setzen, alle würden wissen wollen, wie, oh mein Gott wie, hat er das gemacht?"
Selbstverliebte Inszenierungen von Poeten, die, so scheint es manchmal, nicht besonders viel zu erzählen haben. Das sind die Clips, die man sich nicht öfters anschauen will – und auch nicht muss, schließlich kann man die Stücke einzeln ansteuern.
Aber es gibt auch Stücke, die im Kopf hängen bleiben, meist die kurzen. Wahre Momente. Und die Wortakrobatik:
Bas Böttcher: "Sind die plugins installiert und pincodes generiert, mit shockwave komprimiert, werden midi-sounds minimiert, lad diesen Track mit dem dritten MPEG und wirf dich weg mit hitec."
Wirf Dich weg mit hitec – ein schöner Satz. Poetry Clips – auch wenn nicht alle überzeugen, ein interessantes Experiment.
Service:
Die DVD "Poetry Clips", 100 Minuten, etwas für Liebhaber des Ausgefallenen, mit crossmedialem Anspruch: erhältlich im Buch- und im Tonträgerhandel. Oder im Internet unter www.poetry-clips.net, dort kann man sich die Clips auch anschauen.