Poesie-Festival in Köln

Klarheit durch Worte

"Brain Poetry" heißt ein literarisches Kunstprojekt, mit dem ein Besucher am 07.10.2014 im Pavillon des Gastlandes Finnland auf der Buchmesse in Frankfurt am Mai nur mit seinen Gehirnströmen ein Gedicht erzeugt.
Hier entsteht ein Gedicht: Im besten Fall lassen uns die Worte das nicht in Vernunftbegriffen Fassbare verstehen © dpa / Boris Roessler
Günter Blamberger im Gespräch mit Anke Schäfer und Christopher Ricke · 26.01.2015
"Ich erleuchte mich durch Unermessliches" ist das Motto der "poetica", eines neuen Festivals für Weltliteratur in Köln. Fünf Tage lang geht es um Poesie und die Macht der Dichtung. Wo diese aufhört und endet, erläutert der Literaturwissenschaftler Günter Blamberger.
Die Macht für alle vorauszudenken, habe Dichtung sicherlich nicht, sagte der Literaturwissenschaftler Günter Blamberger anlässlich der "poetica" im Deutschlandradio Kultur. Der Einzelne könne ihr aber mit dem "Sensationenchaos des Alltags" für einen Moment eine klare Form abgewinnen. Verbindliche Worte böten Orientierung. Gedichte ließen das Unermessliche denken, das nicht in Vernunftbegriffen Fassbare.
"Gerade das Gedicht in dieser kurzen prägnanten Aussageform – wo man sozusagen in einem Moment das Ganze blitzartig fassen muss – kann gewissermaßen einen Riss in der Zeit bilden (...) und auf den Grund der Sprache und des Daseins gehen, wie man das in den seriellen oder narrativen Erzählungen (...) nie in gleicher Weise erreichen kann", sagte Blamberger, der die "poetica" organisiert hat.
Das Wort kann jederzeit in Erinnerung gerufen werden
Politisch betrachtet, habe das Wort nicht die Macht, die herrschenden Verhältnisse zu ändern. Selbst Pablo Neruda, der vor Hunderttausend Zuhörern seine Gedichte las, habe an den Verhältnissen letztlich nichts geändert, sagte Blamberger. Das Wort sei immer gefährdet und unterdrückbar, als Gegenmacht, die jederzeit in Erinnerung gerufen werden könne, aber trotzdem wichtig.
Die Poesie an der Macht kann auch Unheil anrichten
Eine Veranstaltung während der "poetica" zeigt zudem, dass es auch falsch sein kann, "wenn die Poesie selber an die Macht kommt". Der Exilant und russische Dichter Joseph Brodsky habe 1991 die Ukraine in einem Gedicht verspottet und verunglimpft, so Blamberger. Dieses Gedicht spiele bis heute in der Auseinandersetzung zwischen Russland und der Ukraine eine große Rolle.
Die "poetica" bildet den Auftakt für eine von der Universität Köln und der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung gemeinsam geplanten Veranstaltungsreihe mit jährlich wechselnden Themen.
Der Autor und Verleger Michael Krüger hat als Kurator renommierte Lyriker und Lyrikerinnen aus aller Welt nach Köln eingeladen: Yeşim Ağaoğlu aus der Türkei, Jürgen Becker und Marcel Beyer aus Deutschland, John Burnside aus Großbritannien, Lars Gustafsson aus Schweden, Ranjit Hoskoté aus Indien, Yang Lian aus China, Aleš Šteger aus Slowenien, Pia Tafdrup aus Dänemark und Adam Zagajewski aus Polen.
Der Faszinations- und Beunruhigungswert ihrer Gedichte soll an den unterschiedlichsten Orten in Köln sicht- und spürbar werden: in der Universität, der Stadtbibliothek, im Literaturhaus, beim Deutschlandfunk, im Belgischen Haus und im Schauspiel Köln.
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