Poesie des scheinbar Banalen
Elsie ist das vielleicht hässlichste Mädchen der Welt, deshalb meidet sie Menschen. Als sie zufällig dem Ex-Sträfling Stanley begegnet und ihm später hilft unterzutauchen, ändert sich ihrer beider Leben. Ein Roman ohne rührseliges Happy End, der aber eine leise Ahnung vom stillen Glück im Kleinen liefert.
Elsie hat viel für Schönheit übrig. Sie ist stolz auf ihre hübsche kleine Wohnung, ihre Unabhängigkeit, die sie sich mit Putzjobs im Krankenhaus wahrt, und sie besucht gern die prachtvollen Gärten des britischen National Trust, soweit sie sich das leisten kann. Aber dank der finanziellen Unterstützung ihrer wohlhabenden Mutter gönnt sie sich diesen Luxus hin und wieder. Ansonsten meidet Elsie die Menschen, denn sie ist hässlich, vielleicht das hässlichste Mädchen der Welt. Daher verkneift sie sich in der Öffentlichkeit jede Gemütsregung, weil ihr Gesicht dann endgültig zur Fratze wird.
Am Anfang von "Eine zufällige Begegnung", dem zweiten Roman des englischen Schriftsteller Charles Chadwick, ist Elsie mit dem Bus zu ihrer Mutter unterwegs, als sich ein Mann neben sie setzt, der ungewöhnlich blass ist und sonderbar sauer-süßlich riecht. "Nach etwas, das überdeckt wurde", wie Elsie meint, die bei all ihrer Introvertiertheit natürlich eine scharfe Beobachterin ist. Der Mann verbittet sich das Anglotzen, und um sie abzuwimmeln, sagt er: "Wenn Sie's unbedingt wissen wollen, ich habe einen Kerl umgebracht. Habe fünfzehn Jahre gesessen." Später steigt Stanley, so heißt der Ex-Knacki, ins Haus der Mutter ein und stiehlt ein paar Wertsachen - oder was er dafür hält.
Einige Zeit sehen sich die beiden wieder, als Stanley von seiner kriminellen Vergangenheit eingeholt wird und untertauchen muss. Elsie, die stets Hilfreiche und Weltkluge, nimmt ihn kurzerhand bei sich auf, und als der Bruder des von ihm getöteten Mannes dahinter kommt, versteckt sie sich mit Stanley im Cottage ihres Bruders. Dort, bei Haus- und Gartenarbeit, bei langen Spaziergängen am Meer, oft in Begleitung von Lucy, der ehekriegsgeschädigten Enkelin der Nachbarin, erleben diese beiden Außenseiter der Gesellschaft ein höchst absonderliches Glück. Ohne Sex und Happyend, Gott bewahre, dazu ist Elsie zu hässlich. Aber danach sind beide besser fürs Leben gerüstet.
Lakonisch und völlig unsentimental, so wie schon bei "Ein unauffälliger Mann", seinem Erstlingsroman, den er als 72-Jähriger veröffentlichte, erzählt Chadwick diese wundersame Geschichte vom hässlichen Entlein, das nie ein stolzer Schwan werden wird, und dem Gewohnheitsverbrecher, dem durch diese Zufallsbekanntschaft eine Resozialisierung der außergewöhnlichen Art widerfährt.
Einmal mehr zeigt der Autor hier, welche Größe im vermeintlich Kleinen steckt, wenn es denn fein beobachtet und einfühlsam, aber ohne jede Rührseligkeit beschrieben wird. Der innere Monolog, in dem hauptsächlich die Protagonisten, lediglich hin und wieder begleitet von Randnotizen von Anverwandten, ihre Sicht des Geschehens wiedergeben, ist das ideale Mittel zu dieser Darstellung der Poesie des nur scheinbar Banalen.
30 Jahre hat Charles Chadwick an seinem Erstling geschrieben, für "Eine zufällige Begegnung" brauchte er nach eigenem Bekunden nur drei Monate. Das deutet darauf hin, dass er während der Arbeit am Debüt eine Menge Stoff für viele weitere wunderschöne Geschichten dieser Art gesammelt hat.
Rezensiert von Georg Schmidt
Charles Chadwick: Eine zufällige Begegnung
Übersetzt von Klaus Berr
Luchterhand Verlag, München 2009
207 Seiten, 17,95 EUR
Am Anfang von "Eine zufällige Begegnung", dem zweiten Roman des englischen Schriftsteller Charles Chadwick, ist Elsie mit dem Bus zu ihrer Mutter unterwegs, als sich ein Mann neben sie setzt, der ungewöhnlich blass ist und sonderbar sauer-süßlich riecht. "Nach etwas, das überdeckt wurde", wie Elsie meint, die bei all ihrer Introvertiertheit natürlich eine scharfe Beobachterin ist. Der Mann verbittet sich das Anglotzen, und um sie abzuwimmeln, sagt er: "Wenn Sie's unbedingt wissen wollen, ich habe einen Kerl umgebracht. Habe fünfzehn Jahre gesessen." Später steigt Stanley, so heißt der Ex-Knacki, ins Haus der Mutter ein und stiehlt ein paar Wertsachen - oder was er dafür hält.
Einige Zeit sehen sich die beiden wieder, als Stanley von seiner kriminellen Vergangenheit eingeholt wird und untertauchen muss. Elsie, die stets Hilfreiche und Weltkluge, nimmt ihn kurzerhand bei sich auf, und als der Bruder des von ihm getöteten Mannes dahinter kommt, versteckt sie sich mit Stanley im Cottage ihres Bruders. Dort, bei Haus- und Gartenarbeit, bei langen Spaziergängen am Meer, oft in Begleitung von Lucy, der ehekriegsgeschädigten Enkelin der Nachbarin, erleben diese beiden Außenseiter der Gesellschaft ein höchst absonderliches Glück. Ohne Sex und Happyend, Gott bewahre, dazu ist Elsie zu hässlich. Aber danach sind beide besser fürs Leben gerüstet.
Lakonisch und völlig unsentimental, so wie schon bei "Ein unauffälliger Mann", seinem Erstlingsroman, den er als 72-Jähriger veröffentlichte, erzählt Chadwick diese wundersame Geschichte vom hässlichen Entlein, das nie ein stolzer Schwan werden wird, und dem Gewohnheitsverbrecher, dem durch diese Zufallsbekanntschaft eine Resozialisierung der außergewöhnlichen Art widerfährt.
Einmal mehr zeigt der Autor hier, welche Größe im vermeintlich Kleinen steckt, wenn es denn fein beobachtet und einfühlsam, aber ohne jede Rührseligkeit beschrieben wird. Der innere Monolog, in dem hauptsächlich die Protagonisten, lediglich hin und wieder begleitet von Randnotizen von Anverwandten, ihre Sicht des Geschehens wiedergeben, ist das ideale Mittel zu dieser Darstellung der Poesie des nur scheinbar Banalen.
30 Jahre hat Charles Chadwick an seinem Erstling geschrieben, für "Eine zufällige Begegnung" brauchte er nach eigenem Bekunden nur drei Monate. Das deutet darauf hin, dass er während der Arbeit am Debüt eine Menge Stoff für viele weitere wunderschöne Geschichten dieser Art gesammelt hat.
Rezensiert von Georg Schmidt
Charles Chadwick: Eine zufällige Begegnung
Übersetzt von Klaus Berr
Luchterhand Verlag, München 2009
207 Seiten, 17,95 EUR