Platzende Seifenblasen
"Resistance of the Object" – Widerstand des Objekts ist das Motto des diesjährigen InTransit-Festivals in Berlin. Ob Stühle, die eigene Rollen spielen, oder Seifenblasen, die rote Farbe im Raum verteilen - bis zum 21. Juni zeigen internationale Künstler Performances und Installationen im Haus der Kulturen der Welt.
Die Sache mit den Objekten ist nicht immer ganz einfach. Nehmen wir einen Stuhl – da denken Sie, das ist eine klare Sache, der ist zum Sitzen da. Ein Stuhl aber kann mehr – Lärm schlagen zum Beispiel, wenn man ihn über den Fußboden zieht oder Menschen verdrängen, wenn er unbedingt an den Platz soll, an dem man selbst gerade steht.
Viele Stühle können sogar ein reges Eigenleben führen und selbst zu Performern werden – zumindest in dem Solo "Some Notes Are" von Heine R. Avdal, in dem der junge Choreograph auf einerseits simple, andererseits technisch raffinierte, aber immer charmant-unterhaltsame Weise die vermeintlichen Objekte verschiedene Rollen spielen lässt.
"Resistance of the Object" – der Widerstand des Objekts ist das diesjährige InTransit-Festival übertitelt, einem Gedanken des amerikanischen Performance-Theoretikers Fred Morton entlehnt. André Lepecki hat es zum zweiten Mal kuratiert.
"Für das Motto des Festivals haben mich verschiedenen Fragen und Themen beeinflusst. Zum Beispiel die Beobachtung aus dem Theater selbst heraus, dass immer mehr Objekte auf der Bühne benutzt werden. Ich meine nicht die klassischen Requisiten (...), sondern Objekte wie alte Fernseher oder Konsumartikel, die ihre Funktion als bloße Hilfsmittel verlieren und selbst zu Akteuren werden. Das finde ich sehr interessant."
Dass Objekte wirklich Widerstand leisten, manchmal auch ungeahnten, konnte in der sehr poetischen Long-term-Performance "Untitled" beobachtet werden, in der die Kolumbianerin Maria Jose Arjona unzählige Seifenblasen zerplatzen lässt. Die rote Flüssigkeit, mit der sie gefüllt sind, hinterlässt feine rote Streifen an den aufgestellten Wänden – und färbt sie über die Stunden der Performance tiefrot.
Ein Kinderspiel blutiger Imagination, in seiner vielschichtigen Poesie auf den ersten Blick zu erfassen und doch weitläufig in seinem Reichtum an Andeutungen und Assoziationen – insbesondere wenn, wie am windigen Eröffnungsabend, der Sturm ins Haus fegt und droht, die Seifenblasen verbotenerweise über die denkmalgeschützen Wände und Decken des Hauses der Kulturen der Welt zu verteilen.
Wenn dann die hauseigenen Wärter die hauchzarten Gebilde mit Käschern einfangen müssen, wird die Performance auf wundersame Weise zum Beweis, dass der größte Widerstand von den fragilsten Dingen ausgehen kann. Die darin liegende gesellschaftlich-politische Metaphorik ist Programm für André Lepecki.
"Natürlich habe ich auch über die Funktion des Hauses der Kulturen der Welt und die politische Bedeutung des InTransit-Festivals nachgedacht – was kann in einem politischen Rahmen der 'Widerstand des Objekts' bedeuten? (...) Da gibt es einerseits den Gedanken, dass Menschen, die zu Objekten degradiert werden, Widerstand leisten können.
Aber auch, dass es manchmal kaum zu unterscheiden ist, wer oder was das Subjekt und wer oder was das Objekt ist – und das passiert in vielen Performances, die wir zeigen. Die Körper der Butoh-Tänzer in unserem Eröffnungsstück 'Hibiki' sind nicht klar zu definieren – sie sind etwas zwischen animalisch und menschlich – und auf diese Weise leisten sie auch einen gewissen Widerstand."
Sankai Juku, eine der erfolgreichsten Butoh-Kompanien, widersteht dem Wunsch nach Eindeutigkeit – Mensch oder Kunstfigur, human oder geisterhaft, erstarrt oder aufgewühlt – solche Zuordnungen erscheinen angesichts der kahl geschorenen Schädel und weiß gepuderten Körper der fünf Tänzer fast unmöglich. Ihre Rhythmen und Bewegungsmodi changieren zwischen Expression und Kontemplation – und gleiten zum Ende der Performance leider in leicht mystisch angehauchten Kitsch ab.
Dennoch eine gelungene Eröffnung, bereichert durch Vorträge und Installationen, die den "Widerstand des Objekts" auf unterschiedlichste Weise umkreisen. Anders als im letzten Jahr spürt man auf diesem InTransit-Festival eine inhaltliche Kohärenz, die die verschiedenen Veranstaltungen miteinander verbindet.
Bislang bleibt einzig die Einladung an den iranisch-norwegischen Choreographen Hooman Sharifi rätselhaft. Die eigens für InTransit entstandene Auftragsarbeit "Once Upon a Time Country" nutzt zwar die Gegebenheiten des Hauses gut aus, spielt unter anderem auf dem Teich und auf dem Dach, lässt die Zuschauer zweifellos gute Tänzer aus Ferne und Nähe beobachten, doch bleibt das Stück, obwohl gut anzuschauen, so zusammenhangslos, dass es in ein Festival wie InTransit nicht passen will.
Service:
Das Festival "InTransit" findet vom 11. Juni bis zum 21. Juni 2009 im Haus der Kulturen der Welt in Berlin statt. Täglich ab 19 Uhr finden in den einzelnen Räumen des Hauses Performances statt. Installationen, Lectures und Partys freier Eintritt, Performances zwischen drei und 15 Euro.
Viele Stühle können sogar ein reges Eigenleben führen und selbst zu Performern werden – zumindest in dem Solo "Some Notes Are" von Heine R. Avdal, in dem der junge Choreograph auf einerseits simple, andererseits technisch raffinierte, aber immer charmant-unterhaltsame Weise die vermeintlichen Objekte verschiedene Rollen spielen lässt.
"Resistance of the Object" – der Widerstand des Objekts ist das diesjährige InTransit-Festival übertitelt, einem Gedanken des amerikanischen Performance-Theoretikers Fred Morton entlehnt. André Lepecki hat es zum zweiten Mal kuratiert.
"Für das Motto des Festivals haben mich verschiedenen Fragen und Themen beeinflusst. Zum Beispiel die Beobachtung aus dem Theater selbst heraus, dass immer mehr Objekte auf der Bühne benutzt werden. Ich meine nicht die klassischen Requisiten (...), sondern Objekte wie alte Fernseher oder Konsumartikel, die ihre Funktion als bloße Hilfsmittel verlieren und selbst zu Akteuren werden. Das finde ich sehr interessant."
Dass Objekte wirklich Widerstand leisten, manchmal auch ungeahnten, konnte in der sehr poetischen Long-term-Performance "Untitled" beobachtet werden, in der die Kolumbianerin Maria Jose Arjona unzählige Seifenblasen zerplatzen lässt. Die rote Flüssigkeit, mit der sie gefüllt sind, hinterlässt feine rote Streifen an den aufgestellten Wänden – und färbt sie über die Stunden der Performance tiefrot.
Ein Kinderspiel blutiger Imagination, in seiner vielschichtigen Poesie auf den ersten Blick zu erfassen und doch weitläufig in seinem Reichtum an Andeutungen und Assoziationen – insbesondere wenn, wie am windigen Eröffnungsabend, der Sturm ins Haus fegt und droht, die Seifenblasen verbotenerweise über die denkmalgeschützen Wände und Decken des Hauses der Kulturen der Welt zu verteilen.
Wenn dann die hauseigenen Wärter die hauchzarten Gebilde mit Käschern einfangen müssen, wird die Performance auf wundersame Weise zum Beweis, dass der größte Widerstand von den fragilsten Dingen ausgehen kann. Die darin liegende gesellschaftlich-politische Metaphorik ist Programm für André Lepecki.
"Natürlich habe ich auch über die Funktion des Hauses der Kulturen der Welt und die politische Bedeutung des InTransit-Festivals nachgedacht – was kann in einem politischen Rahmen der 'Widerstand des Objekts' bedeuten? (...) Da gibt es einerseits den Gedanken, dass Menschen, die zu Objekten degradiert werden, Widerstand leisten können.
Aber auch, dass es manchmal kaum zu unterscheiden ist, wer oder was das Subjekt und wer oder was das Objekt ist – und das passiert in vielen Performances, die wir zeigen. Die Körper der Butoh-Tänzer in unserem Eröffnungsstück 'Hibiki' sind nicht klar zu definieren – sie sind etwas zwischen animalisch und menschlich – und auf diese Weise leisten sie auch einen gewissen Widerstand."
Sankai Juku, eine der erfolgreichsten Butoh-Kompanien, widersteht dem Wunsch nach Eindeutigkeit – Mensch oder Kunstfigur, human oder geisterhaft, erstarrt oder aufgewühlt – solche Zuordnungen erscheinen angesichts der kahl geschorenen Schädel und weiß gepuderten Körper der fünf Tänzer fast unmöglich. Ihre Rhythmen und Bewegungsmodi changieren zwischen Expression und Kontemplation – und gleiten zum Ende der Performance leider in leicht mystisch angehauchten Kitsch ab.
Dennoch eine gelungene Eröffnung, bereichert durch Vorträge und Installationen, die den "Widerstand des Objekts" auf unterschiedlichste Weise umkreisen. Anders als im letzten Jahr spürt man auf diesem InTransit-Festival eine inhaltliche Kohärenz, die die verschiedenen Veranstaltungen miteinander verbindet.
Bislang bleibt einzig die Einladung an den iranisch-norwegischen Choreographen Hooman Sharifi rätselhaft. Die eigens für InTransit entstandene Auftragsarbeit "Once Upon a Time Country" nutzt zwar die Gegebenheiten des Hauses gut aus, spielt unter anderem auf dem Teich und auf dem Dach, lässt die Zuschauer zweifellos gute Tänzer aus Ferne und Nähe beobachten, doch bleibt das Stück, obwohl gut anzuschauen, so zusammenhangslos, dass es in ein Festival wie InTransit nicht passen will.
Service:
Das Festival "InTransit" findet vom 11. Juni bis zum 21. Juni 2009 im Haus der Kulturen der Welt in Berlin statt. Täglich ab 19 Uhr finden in den einzelnen Räumen des Hauses Performances statt. Installationen, Lectures und Partys freier Eintritt, Performances zwischen drei und 15 Euro.