Platz für alle?
Seit heute gilt der gesetzliche Anspruch für Eltern auf einen Betreuungsplatz für unter Dreijährige. Während in den Großstädten neue Einrichtungen gebaut wurden, stehen Kommunen auf dem Land vor einem Problem. Eine Lagebericht aus dem Tölzer Land, einem flächenmäßig großen Landkreis.
Zwei kleine Mädchen stehen staunend am Bauzaun. Direkt neben ihrem Kindergarten in Sachsenkam, umgeben von großen Gärten mit Hühnern und geranienverzierten Häusern, hämmern und bohren Handwerker an einem hölzernen Neubau. Eine Kinderkrippe soll hier entstehen, Betreuung für Kinder unter drei Jahren. Anfang September muss sie fertig sein.
Eine Mutter: "Direkt gebraucht werden sie es nicht haben, aber das ist ja nun das Gesetz und sie haben es machen müssen, denk ich."
Die zwei Mütter schauen etwas skeptisch Richtung Neubau:
Eine Mutter:"Also wir haben jetzt eine Umfrage gehabt, was für Bedarf war mit Nachmittagsbetreuung. Was sich durchgesetzt hat ist die Mittagsbetreuung, also zum Essen, dass man sie zum Essen gibt, die Kinder bleiben dann bis zwei da, aber das war‘s eigentlich schon."
Am zweistöckigen Gemeindehaus von Sachsenkam, früher Schul- und Rathaus in einem, heute nur noch Sitz des Dorfbürgermeisters, steht Hans Huss, stellvertretender Bürgermeister. Er schaut den im Zeitplan liegenden Bauarbeiten an der künftigen Kinderkrippe interessiert zu:
"Es war natürlich kein einfacher Entscheidungsprozess bei uns hier draußen. Es gibt ja noch viele Konservative, die sagen: Kinderkrippe wäre nicht nötig auf dem Land. Es hat sich dann aber die Mehrheit durchgesetzt, dass man halt eine Kinderkrippe anbaut."
Eine Mutter: "Direkt gebraucht werden sie es nicht haben, aber das ist ja nun das Gesetz und sie haben es machen müssen, denk ich."
Die zwei Mütter schauen etwas skeptisch Richtung Neubau:
Eine Mutter:"Also wir haben jetzt eine Umfrage gehabt, was für Bedarf war mit Nachmittagsbetreuung. Was sich durchgesetzt hat ist die Mittagsbetreuung, also zum Essen, dass man sie zum Essen gibt, die Kinder bleiben dann bis zwei da, aber das war‘s eigentlich schon."
Am zweistöckigen Gemeindehaus von Sachsenkam, früher Schul- und Rathaus in einem, heute nur noch Sitz des Dorfbürgermeisters, steht Hans Huss, stellvertretender Bürgermeister. Er schaut den im Zeitplan liegenden Bauarbeiten an der künftigen Kinderkrippe interessiert zu:
"Es war natürlich kein einfacher Entscheidungsprozess bei uns hier draußen. Es gibt ja noch viele Konservative, die sagen: Kinderkrippe wäre nicht nötig auf dem Land. Es hat sich dann aber die Mehrheit durchgesetzt, dass man halt eine Kinderkrippe anbaut."
Anmeldungen laufen schleppend
Bürgermeister Huss, im Hauptberuf der Dorfwirt, geht Richtung Neubau vorbei an den Blumenrabatten und versucht, die finanzielle Belastung zu erklären:
"Für eine kleine Gemeinde wie uns mit 1300 Einwohnern, so eine Krippe die kostet uns annähernd eine halbe Million, das ist schon ein ganzes schönes Pfund. Wobei man ehrlicherweise sagen muss, ungefähr dreiviertel der Baukosten bekommen wir bezuschusst."
Wie er daneben die laufenden Betriebskosten schultern soll, weiß Huss noch nicht. Die Anmeldungen laufen schleppend. Im August will er in den umliegenden Dörfern Eltern ansprechen und seine Plätze anbieten:
"Wir sind vom Start weg noch nicht ganz voll, wir haben 12 Plätze und wir haben jetzt sieben oder acht Anmeldungen. Ich weiß aber von anderen Gemeinden in der Umgebung, dass die eigentlich ganz voll sind."
Mütter: "Das wird ja in Zukunft schon mehr werden, das ist halt momentan, weil es noch nicht so eingespielt hat, aber mit Sicherheit wird das mehr werden."
Das meinen die Mütter. Sie beobachten sehr genau, wer sich für die Kinderkrippe anmeldet. Als ihre Kinder unter drei Jahren waren, gab es keine Krippe. Sie haben es auch ohne geschafft. Als Hausfrauen.
Eine Mutter: "Daheimbleiben halt, daheimbleiben, beim Kleinkind erst mal da sein, also ich bin der Meinung, dass das wichtig ist, für mich taugst jetzt nicht außer ich hätte so finanzielle Not, dass ich arbeiten müsste, aber ich täte mein Kind niemals in eine Kinderkrippe tun. Also ich finde eigentlich negativ die Entwicklung."
Die kleine Tochter zieht die Mutter an der Hose. Gegen Mittag geht es heim nach Hause. Da warten die Großeltern mit dem Essen. Keineswegs ungewöhnlich auf dem Land, die Großfamilie funktioniert noch. Eine andere Mutter kommt mit ihrem zweijährigen Sohn vorbei.
"Für eine kleine Gemeinde wie uns mit 1300 Einwohnern, so eine Krippe die kostet uns annähernd eine halbe Million, das ist schon ein ganzes schönes Pfund. Wobei man ehrlicherweise sagen muss, ungefähr dreiviertel der Baukosten bekommen wir bezuschusst."
Wie er daneben die laufenden Betriebskosten schultern soll, weiß Huss noch nicht. Die Anmeldungen laufen schleppend. Im August will er in den umliegenden Dörfern Eltern ansprechen und seine Plätze anbieten:
"Wir sind vom Start weg noch nicht ganz voll, wir haben 12 Plätze und wir haben jetzt sieben oder acht Anmeldungen. Ich weiß aber von anderen Gemeinden in der Umgebung, dass die eigentlich ganz voll sind."
Mütter: "Das wird ja in Zukunft schon mehr werden, das ist halt momentan, weil es noch nicht so eingespielt hat, aber mit Sicherheit wird das mehr werden."
Das meinen die Mütter. Sie beobachten sehr genau, wer sich für die Kinderkrippe anmeldet. Als ihre Kinder unter drei Jahren waren, gab es keine Krippe. Sie haben es auch ohne geschafft. Als Hausfrauen.
Eine Mutter: "Daheimbleiben halt, daheimbleiben, beim Kleinkind erst mal da sein, also ich bin der Meinung, dass das wichtig ist, für mich taugst jetzt nicht außer ich hätte so finanzielle Not, dass ich arbeiten müsste, aber ich täte mein Kind niemals in eine Kinderkrippe tun. Also ich finde eigentlich negativ die Entwicklung."
Die kleine Tochter zieht die Mutter an der Hose. Gegen Mittag geht es heim nach Hause. Da warten die Großeltern mit dem Essen. Keineswegs ungewöhnlich auf dem Land, die Großfamilie funktioniert noch. Eine andere Mutter kommt mit ihrem zweijährigen Sohn vorbei.
150 Euro bringen keinem was
Er könnte theoretisch ab September in die neue Krippe gehen. Wird er aber nicht. Die Mutter behält ihn zu Hause. Das Betreuungsgeld, das ihr zustünde ab August, nimmt sie auch nicht in Anspruch:
Eine Mutter: "Ich täte es sinnvoller finden, wenn das Geld für die Kinder eingesetzt wird, die nicht zu Hause betreut werden können, also für mich hat das keine Auswirkungen, für mich bleibt das gleich."
Bei diesem Thema fangen die anderen Mütter an zu diskutieren:
Mütter: "Ach beim Betreuungsgeld bin ich der Meinung, die 150 Euro bringen keinem was. Das bringt der Familie nix, nein, also ich weiß auch nicht. Ich finde es schon gerecht, dass sie es machen, weil irgendwo derjenige, der sagt, er bleibt daheim bei seinen Kindern."
Die Handwerker am Neubau liegen in der Sonne, machen Mittagspause. Baustellenleiter Andreas Demmel:
"Am 9. September ist Einweihung, da muss alles fertig sein. Ist machbar. Ist schon knapp aber machbar."
Wenige Stunden später sitzen im großen Sitzungssaal des Landratsamtes Bad Tölz die Kommunalreferenten für Soziales, Bildung und Jugend in der Ausschusssitzung zusammen. Sie haben die Aufgabe, den ganzen Landkreis mit Krippenplätzen zu versorgen und nicht überall sieht es entspannt aus wie in der Gemeinde Sachsenkam.
Ein Projektor wirft Unmengen von Tabellen an die Wand. Der Leiter der Abteilung soziale Angelegenheiten Daniel Waidelich schreibt an seinem Tisch mit:
"Bei uns im Landkreis befinden sich 2038 Kinder im Alter zwischen ein und drei Jahren, die ab 1. August einen Anspruch auf einen Betreuungsplatz haben, davon werden wir im Herbst etwa 41 Prozent mit einem Platz in der Kinderkrippe oder in der Tagespflege versorgen können."
Eine Mutter: "Ich täte es sinnvoller finden, wenn das Geld für die Kinder eingesetzt wird, die nicht zu Hause betreut werden können, also für mich hat das keine Auswirkungen, für mich bleibt das gleich."
Bei diesem Thema fangen die anderen Mütter an zu diskutieren:
Mütter: "Ach beim Betreuungsgeld bin ich der Meinung, die 150 Euro bringen keinem was. Das bringt der Familie nix, nein, also ich weiß auch nicht. Ich finde es schon gerecht, dass sie es machen, weil irgendwo derjenige, der sagt, er bleibt daheim bei seinen Kindern."
Die Handwerker am Neubau liegen in der Sonne, machen Mittagspause. Baustellenleiter Andreas Demmel:
"Am 9. September ist Einweihung, da muss alles fertig sein. Ist machbar. Ist schon knapp aber machbar."
Wenige Stunden später sitzen im großen Sitzungssaal des Landratsamtes Bad Tölz die Kommunalreferenten für Soziales, Bildung und Jugend in der Ausschusssitzung zusammen. Sie haben die Aufgabe, den ganzen Landkreis mit Krippenplätzen zu versorgen und nicht überall sieht es entspannt aus wie in der Gemeinde Sachsenkam.
Ein Projektor wirft Unmengen von Tabellen an die Wand. Der Leiter der Abteilung soziale Angelegenheiten Daniel Waidelich schreibt an seinem Tisch mit:
"Bei uns im Landkreis befinden sich 2038 Kinder im Alter zwischen ein und drei Jahren, die ab 1. August einen Anspruch auf einen Betreuungsplatz haben, davon werden wir im Herbst etwa 41 Prozent mit einem Platz in der Kinderkrippe oder in der Tagespflege versorgen können."
Zauberwort heißt Tagespflege
Das ist eindeutig zu wenig. Daniel Waidelich zuckt mit den Schultern. Theoretisch dürften ihm Klagen von den anderen 59 Prozent Eltern in den kommenden Tagen auf den Tisch flattern. Bei seiner Antwort zögert er:
"Wir gehen davon aus, dass wir noch passgenaue Lösungen finden werden, dass wir einen entsprechenden anderen Platz bieten können oder über Tagespflege das Ganze auffangen."
Das Zauberwort heißt Tagespflege. Statt in eine Einrichtung gehen die Kleinkinder zu einer Tagesmutter nach Hause, die dort mehrere Kinder betreut. Das verschafft den Gemeinden Luft, wenn sie nicht genügend Krippenplätze haben. Reiner Waidelich lächelt gequält. In den vergangenen Tagen hat er potenzielle Tagesmütter persönlich umworben, sie besucht, mit mehr Geld gelockt. Jetzt will er die Tagespauschale erhöhen und so noch mehr Frauen finden, die Tagemütter werden wollen:
"Derzeit bieten wir 106 Tagespflegeplätze an, wir gehen aber davon aus, dass wir etwa noch 300 Plätze theoretisch anbieten könnten, wenn wir es schaffen, die entsprechenden Personen zu motivieren für uns tätig zu werden."
Auf der Powerpointfolie an der Wand des Sitzungssaales steht der neue Betreuungssatz: 840 Euro pro Kind statt 800 Euro. Waidelich fährt sich mit der Hand über die Stirn:
"Wenn der Beschluss heute so durchgeht, wie die Verwaltung es vorgeschlagen hat, rechnen wir mit einer Erhöhung der Kosten um eine viertel Million Euro jährlich."
Noch lange diskutieren die Kreistagsabgeordneten an diesem Nachmittag. Am Ende wird die Erhöhung der Tagespauschale für Tagesmütter beschlossen. Wo das Geld herkommen soll, weiß keiner.
"Wir gehen davon aus, dass wir noch passgenaue Lösungen finden werden, dass wir einen entsprechenden anderen Platz bieten können oder über Tagespflege das Ganze auffangen."
Das Zauberwort heißt Tagespflege. Statt in eine Einrichtung gehen die Kleinkinder zu einer Tagesmutter nach Hause, die dort mehrere Kinder betreut. Das verschafft den Gemeinden Luft, wenn sie nicht genügend Krippenplätze haben. Reiner Waidelich lächelt gequält. In den vergangenen Tagen hat er potenzielle Tagesmütter persönlich umworben, sie besucht, mit mehr Geld gelockt. Jetzt will er die Tagespauschale erhöhen und so noch mehr Frauen finden, die Tagemütter werden wollen:
"Derzeit bieten wir 106 Tagespflegeplätze an, wir gehen aber davon aus, dass wir etwa noch 300 Plätze theoretisch anbieten könnten, wenn wir es schaffen, die entsprechenden Personen zu motivieren für uns tätig zu werden."
Auf der Powerpointfolie an der Wand des Sitzungssaales steht der neue Betreuungssatz: 840 Euro pro Kind statt 800 Euro. Waidelich fährt sich mit der Hand über die Stirn:
"Wenn der Beschluss heute so durchgeht, wie die Verwaltung es vorgeschlagen hat, rechnen wir mit einer Erhöhung der Kosten um eine viertel Million Euro jährlich."
Noch lange diskutieren die Kreistagsabgeordneten an diesem Nachmittag. Am Ende wird die Erhöhung der Tagespauschale für Tagesmütter beschlossen. Wo das Geld herkommen soll, weiß keiner.