"Plattes Thesentheater"

Von Rainer Zerbst · 10.01.2009
Regisseur Volker Lösch setzt in seinem Stuttgarter "Hamlet" König Claudius mit Vorstandsmanagern deutscher Unternehmen gleich. Da dies Shakespeares Text aber nicht hergebe, habe Lösch ganze Szenen neu hinzugeschrieben - dies sei aber "Etikettenschwindel", meint Theaterkritiker Rainer Zerbst, der sich die Premiere am Staatstheater Stuttgart angesehen hat.
Nackt sind die Figuren dieses Theaterabends, bzw. in Kostüme gesteckt, die sie nackt erscheinen lassen sollen. Und sie wälzen sich in nasser Erde, gelegentlich fast Schlamm - das alles ist sicher symbolisch zu deuten als Ausdruck der Verkommenheit dieser Gesellschaft, die natürlich - Völker Lösch wäre nicht Völker Lösch, wenn es anders wäre - nicht Dänemark ist, sondern Deutschland.

Und weil König Claudius ein Herrschender ist, ist er gleichzusetzen mit den Vorstandsmanagern der deutschen Unternehmen. Weil das aber Shakespeares Text nicht hergibt, hat Lösch ganze Szenen neu hinzugeschrieben, dafür viel bei Shakespeare gekürzt, und Belangloses in voller Länge ausspielen lassen wie die Mousetrapszene.

Diesen Abend als "Hamlet" von Shakespeare anzukündigen, ist Etikettenschwindel, es handelt sich um einen Theaterabend von Volker Lösch unter Verwendung shakespearescher Texte und Motive. Der Geist von Hamlets Vater tritt gleich neunfach auf in schwarzen Mänteln wie Hitlerschergen, Fortinbras gar als Trupp junger Leute in stilisierten Schwarzhemden.

Lösch arbeitet mit Holzhammermethoden. Um die Perversität des dänischen Hofs darzustellen, lässt er Gertrude von einem Mann, Polonius von einer Frau spielen. Politische Thesen werden ausgespielt, bis sie ausgelutscht sind - plattes Thesentheater, das lieber von einer Handvoll Flugblätter hätte ersetzt werden sollen. Über weite Strecken wirkt das, als wäre es eine Aufführung einer Studentenbühne, deren Akteure glauben, das Theater neu erfunden zu haben.