Plattenladen im Allgäu

Vinylfetisch auf dem Bauernhof

Dietmar Sutter vor seinem "Hifi-Bauernhof" im Allgäu.
Dietmar Sutter vor seinem "Hifi-Bauernhof" im Allgäu. © Andi Hörmann
Andi Hörmann  · 23.03.2016
Dietmar Sutter hat eine Kuh namens Verena und ein Geschäft namens "Hifi-Bauernhof" - einer der beständigsten Hifi- und Plattenläden des Landes. Die Einrichtung im Allgäu ist kein nostalgisches Begegnungszentrum, sondern ein Treffpunkt für Liebhaber des analogen Klangs.
Auf dem Bauernhof von Dietmar Sutter plätschert Wasser in einem Steintrog. Ein einsam gelegener Hof, etwa 20 Kilometer nördlich von Kempten, mit üppigem Gemüsegarten, einer unebenen Viehweide, auf der nur eine Kuh zwischen alten Obstbäumen das erste Frühlingsgras rupft.
Sutter: "Da bin ich geboren in dem Haus. Und da bin ich aufgewachsen. Und ich bin jetzt seit 57 Jahre hier."
Eine stille Idylle auf dem Bauernhof mit einer fast schon esoterischen Klangkulisse. Und im Bauernhaus selbst: Ein Wolkenkuckucksheim der Töne und Harmonien, ein Paradies der Vinyl-Leidenschaft. Der ehemalige Landwirt Dietmar Sutter hat die Mistgabel gegen die Plattennadel getauscht: Seit 1979 betreibt er Mitten im Allgäu seinen Hifi-Bauernhof und verkauft Musikanlagen in aller höchster Qualität.
"Angefangen hat das vor 37 Jahren eigentlich in dem Raum."
Autor: "Studio 4, großes Studio, steht da. Studio heißt Vorführstudio. Der Raum hat ungefähr?"
Sutter: "32 Quadratmeter."
Autor: "Und die zwei Lautsprecher rechts und links am Ende: Schon mehr als Hüfthöhe."
Sutter: "Der Kunde denkt immer: Um so größer, um so besser. Das Problem ist aber, wenn der Lautsprecher zu groß wird für die räumliche Situation, dann wird der Klang schlechter. Das heißt, der macht dann meistens zu viel Bass und dann wird der Klang einfach dumpf, die Mitten und die Höhen werden einfach zugedeckt, das ist nicht mehr ausgewogen."
Der High-Fidelity-Sound - eine Wissenschaft für sich. So scheint es zumindest. Aber der Ex-Bauer Dietmar Sutter winkt ab: "Relativ einfache Physik, das lernt man in der 8. Klasse", sagt er. Mit seiner zweiten Frau, einer Tierärztin, und seinen fünf Kindern lebt er auf dem Hifi-Bauernhof. In Trekkinghose und Fleecejacke steht er vor einem mehrere tausend Euro teuren Röhrenverstärker.
"Es ist so, wenn eine Anlage frisch eingeschaltet wird, dauert das jetzt 20 Sekunden, dann können wir Musik hören. Nach einer Viertelstunde wird das klanglich noch intensiver und besser."

Der Plattenladen liegt in weiter Natur - die Kunden kommen trotzdem

"Bis 2002 habe ich noch 20 Milchkühe gehabt und zehn Stück Jungvieh. Das Hifi-Studio habe ich als Zu-Erwerb gemacht und war noch im Wald als Holzfäller unterwegs."
Autor: "Wenn man hier aus dem Fenster kuckt, dann ist ja weit und breit keine Bevölkerung sichtbar, man guckt in die Natur. Wie ist das mit der Kundschaft?"
Sutter: "Die Hälfte der Kundschaft sind Stammkunden. Zum Beispiel jetzt, der drüben gerade ist, der ist heute Morgen aus München her gefahren und lässt sich jetzt hier ein paar Stunden beraten."
Der Kunde heißt Gerhard Simmer, 62 Jahre alt, ein Religionspädagoge aus München: Schwarz gekleidet und Klassikfan.
Simmert: "Ich bin hier, weil ich mir über einen kompetente Beratung eine neue Stereoanlage kaufen möchte. Eine Komplett-Anlage: Verstärker, Lautsprecher, CD-Player."
Autor: "Und Sie sind schon fündig geworden?"
Simmert: "Wir sind gerade jetzt auf dem Weg. Weil es sehr schwierig ist zwischen dem, was man gerne hört und dem was man ausgeben möchten, einen Kompromiss zu finden. In meinem Fall ist jetzt der Rahmen so um die 3.500 Euro."
"Wir haben hier so eine richtige Hifi-Gemeinde."
Autor: "Und was ist mit dem Allgäuer aus der Nachbarschaft?"
Sutter: "Wir haben hier so eine richtige Hifi-Gemeinde. Wir fangen einfach ganz unten an und beschäftigen uns auch mit jedem, der sich nur für eine Schallplatte interessiert. Uns ist die Musik wichtig. Die Musikanlagen sind eigentlich nur Mittel zum Zweck. Es ist schon toll, wenn man eine schöne Anlage hat und die auch gut ausschaut, aber letztendlich will ich eigentlich damit Musik hören."
Dann führt Dietmar Sutter in den nächsten Raum. Früher hat sein Vater hier Stroh gelagert, heute stehen an den Wänden Plattenregale - bis unter die Decke.
"Da ist ein Großteil von meiner Klassik- und Barocksammlung. Ich habe ungefähr 12.000 LPs im Haus. Das geht los bei der Renaissance-Musik. Es ist chronologisch geordnet, in der Chronologie dann nach Ländern, Deutschland, England, und so weiter. Und in den Ländern dann alphabetisch."
Sein Klassik-Vinyl ist unverkäuflich. Aber es gibt auch einen Plattenladen auf dem Hifi-Bauernhof. Gleich im Nebenraum. Dort stehen Pop-Klassiker - von King Crimson bis Peter Gabriel.

High Fidelity auf dem Bauernhof

"Unser Sortiment steht und fällt ja auch ein bisschen mit der Kundschaft."
Autor: "Da sehe ich Jethro Tull."
Sutter: "Die sind gerade dabei den ganzen Backkatalog neu zu machen."
Autor: "Was ist eine gute Vorführplatte von Jethro Tull?"
Sutter: "Bekannt ist natürlich Aqualung, das kennt ja wirklich jeder. Die klingt toll. Die Nachpressung klingt auch klasse, die hat ein bisschen mehr Dampf."
Wie viele Kleinbauern hat sich Dietmar Sutter spezialisiert, nicht auf eine Nische in der Landwirtschaft, sondern auf Musikanlagen. In den vergangenen 30 Jahren hat er sich damit einen Namen in der Szene gemacht. Schon irgendwie skurril: High Fidelity auf dem Bauernhof. Unter dem Dach des 300 Jahre alten Bauernhauses ist der Hifi-Premiumbereich untergebracht.
"Das ist jetzt ein Lautsprecher-Hersteller aus Schottland, ist in der Szene sehr, sehr bekannt. Da kostest das Paar 24.000. Und da hängen jetzt gerade italienische Röhren-Monos dran, die kosten 42.000 das Paar. Dann der CD-Spieler 10.000, die Vorstufe ungefähr 6.000, der Plattenspieler auch 7.000. Für uns ist eigentlich immer entscheidend: Wie nahe komme ich an die Live-Musik ran. Wir haben ja immer einen Tonträger, also eine Konserve, und die möchte ich wieder beleben. Die Musik möchte ich wieder beleben in meinem Hörraum. Und da versuchen wir natürlich alles möglich, um das zu erreichen."

Bauer ist Sutter nur noch in seiner Freizeit

Autor: "Können wir hier mal eine Platte auflegen?"
Sutter: "Ja..."
Autor: "Die Sugarman wäre doch schön. Super. Rodriguez."
Sutter: "Wir haben auch ganz viele junge Leute, die sonst nur mp3 über das Handy hören. Jetzt hören die irgendwo, dass Vinyl halt sehr schöne Musik macht, beim Vater oder beim Onkel oder beim Freund. Dann bekommen sie irgendwo ein paar Platten geschenkt. So fängt das an."
Musikanlagen wie Präzisionswerkzeuge auf einem Bauernhof mit Mistgabel und Traktor. Warum auch nicht? Bauer ist Dietmar Sutter nur noch in seiner Freizeit.
"Die Kuh ist da unten gerade, auf der Weide. Die ist der Rasenmäher."
Autor: "Und wie heißt die Kuh?"
Sutter: "Verena. Komm mal her. Die ist launisch."
Autor: "Bekommt die eigentlich auch ein bisschen Musik ab?"
Sutter: "Die hört viel Musik. Wo die im Stall ist, da ist ein Studio und da läuft oft Musik. Manchmal hört man es auch nach draußen, wenn im Sommer die Fenster auf sind."
Autor: "Aber vielleicht tut es ihr auch ganz gut, die Musik."
Sutter: "Wenn ich dann so Prog-Rock-Sachen höre, dann geht es auch manchmal schon ein bisschen wilder zu."
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